Der designierte Bürgermeister Olaf Scholz drückt aufs Tempo. Auch der Fraktionschef Michael Neumann dürfte in den Senat aufrücken.
Hamburg. Zum Frühstück gab es Rührei in der "Sylter Milchbar". Ob das Lokal zufällig gewählt war, das an den Urlaubsort von Altbürgermeister Ole von Beust erinnert, ließ SPD-Fraktionschef Michael Neumann offen. Jedenfalls wollte er sich damit bei seinen Mitarbeitern bedanken. Es dürfte ein letzter Moment sozialdemokratischer Entspannung gewesen sein. Die Parteispitze muss nun eine Regierung bilden - aber legt sich vorsorglich nicht auf eine Frist fest.
"Wir erarbeiten derzeit einen Zeitplan", sagte Olaf Scholz gestern. Unklar ist damit, ob der künftige SPD-Bürgermeister bereits am 7. März zum Senatschef gewählt wird, wenn die neue Bürgerschaft erstmals zusammenkommt. Denkbar ist auch die nordrhein-westfälische Variante: Hannelore Kraft hatte sich zunächst zur Ministerpräsidentin wählen lassen und erst danach ihr rot-grünes Kabinett benannt. Das hätte angesichts der knappen SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft hohe disziplinierende Wirkung; schließlich können zu kurz gekommene Parteifreunde dann keine Denkzettel verteilen.
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Es ist ohnehin klar, dass Scholz, der bundesweit vernetzt ist, seine Suche nach den "Besten für den Senat" nicht nur auf Hamburg beschränken wird. "Wir setzen nicht nur auf Eigengewächse", sagte Scholz. Besonders intensiv wird die Suche des Altonaers nach Frauen für seinen Senat sein. Scholz machte deutlich, dass er sich einen hohen Frauenanteil wünscht. Dass 50 Prozent der Landesregierung weiblich werden, scheint allerdings für den künftigen Bürgermeister kein Dogma zu sein.
Bislang galt parteiintern als sicher, dass Fraktionschef Michael Neumann Innensenator wird, Haushaltsexperte Peter Tschentscher Finanzsenator und Andreas Dressel den Fraktionsvorsitz übernimmt. Der 35-jährige Innenexperte gilt als redegewandt und recht beliebt in Fraktion und Partei. Dass er aus dem größten SPD-Kreis Wandsbek stammt, sorgt zudem für großen Rückhalt. Ähnliches trifft auf Tschentscher zu, der zudem der Architekt des von Scholz angekündigten Sanierungskurses für den Haushalt ist. Seine Verankerung in der Partei wurde deutlich, als er auf dem Nominierungsparteitag der SPD im Januar eines der besten Ergebnisse erzielte.
Angesichts der knappen Mehrheit könnte nun auch einiges dafür sprechen, dass mit Neumann ein erfahrener Fraktionschef die Zügel in der Hand behält. In diesem Fall ist auch ein Wechsel Dressels auf den Posten des Innensenators vorstellbar.
Man kann davon ausgehen, dass Scholz auch den Gewerkschaftsflügel der SPD in seinem Team berücksichtigen muss, zumal der Posten des Wirtschaftssenators mit dem ehemaligen Handelskammer-Präses Frank Horch besetzt ist. Wolfgang Rose, Ver.di-Chef und SPD-Abgeordneter, sprach jedenfalls eine deutliche Erinnerung aus: "Olaf Scholz ist der Auftrag erteilt worden zu einer engagierten Politik für ein wirtschaftlich starkes Hamburg und gegen die Spaltung der Stadt in Arm und Reich, in Gewinner und Verlierer." Ob Rose sich damit selbst für den Posten bewerben möchte, ist offen.
Darüber hinaus halten die Sozialdemokraten die ausgegebene Sprachregelung ein: "Mit mir hat niemand gesprochen", heißt es vielerorts. Man wolle nicht den Fehler machen, durch unbedachte Äußerungen eine Personaldiskussion zu entfachen. "Der Chef", gemeint ist Wahlsieger Olaf Scholz, werde es schon richten.
Tatsächlich hat Scholz nach Abendblatt-Informationen bislang noch keine "Personalgespräche" geführt. Offensichtlich wollte er vermeiden, dass er selbst die parteiinterne Debatte über Posten und Pöstchen zusätzlich anheizt. Die einzige Ausnahme: Ex-Handelskammer-Präses Frank Horch ist als parteiloser Wirtschaftssenator gesetzt.
Um eine Personalie dürfte Scholz nicht herumkommen: Gestern Abend zeichnete sich ab, dass der frühere Parteichef Mathias Petersen nach Scholz das beste Wahlergebnis erzielte und noch vor Fraktionschef Michael Neumann liegt. "Ich freue mich sehr über die Zustimmung", sagte Petersen nur. Zur Erinnerung: Petersen war durch den bisher nicht aufgeklärten Klau von Stimmzetteln im Jahr 2007 um seine Spitzenkandidatur gebracht worden. Der Altonaer Arzt steht damit für eine Wunde in der SPD, die sich trotz Höhenflug nur langsam schließt. Petersen gilt als fest in seinem Beruf verankert - für ihn dürfte eher das Amt des Präsidenten der Bürgerschaft infrage kommen.
Wie der NDR spekulierte, könnte die SPD-Bildungspolitikerin Britta Ernst, die mit Scholz verheiratet ist, nach Bremen wechseln: Dort wird im Mai gewählt, laut Bericht könnte die dortige Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) im Gegenzug nach Hamburg kommen, Britta Ernst in Bremen antreten. Nach Informationen des Abendblatts bietet dieses "Frauentausch"-Szenario bisher jedoch kaum Wahrheitsgehalt.
Scholz hatte stets betont, dass die Ordre public (Grundregeln anständigen Verhaltens; die Red.) in Bezug auf seine Frau gelte. Das heißt: Britta Ernst wird keine Senatorin in Hamburg. Sie könnte dann wohl auch kaum kurzfristig auf einen Senatsposten in Bremen wechseln.