Noch ist Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im Amt. Aber schon ist er dabei, seinen fluchtartigen Abgang schönzureden.
Hamburg. Am 25. August, in wenigen Tagen also, ist es soweit: Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wird dann auch faktisch von seinem Amt als Senatschef zurücktreten. Angekündigt hat er diesen Schritt ja bereits am 18. Juli - nur wenige Stunden, bevor klar war, dass von Beust zusammen mit seinem grünen Koalitionspartner die bislang schwerste politische Niederlage beigebracht wurde: eine Mehrheit der Hamburger lehnte in einem Volksentscheid die Einführung der sechsjährigen Primarschule ab. Jetzt, wenige Tage vor seinem Ausscheiden, hat Ole von Beust begonnen, die Geschichte seines fluchtartigen Abgangs schönzureden. Er habe den Einrdruck, verbraucht zu sein, verkündete von Beust am Wochenende in einem Interview der FAZ-Sonntagszeitung . "Ich finde, irgendwann hat sich ein Berufspolitiker verbraucht", so der Unionspolitiker. "Dann wiederholt sich alles. Man selbst und die Wähler bekommen den Eindruck: Das haben wir doch alles schon oft gehört.“
Konkrete Themen als Beleg weiß von Beust nicht zu berichten. Stattdessen flüchtet er sich in Allgemeinplätze wie: "Das ist mehr ein allgemeines Empfinden", oder er verweist auf " eine zunehmende Dichte der Medienberichterstattung ", die dazu führe, dass immer häufiger "sich immer wiederholende Berichte über einen" erscheinen würden. "Man ist einfach schneller durchgenudelt, als das noch vor 20 Jahren der Fall war", sagt von Beust dann. Die Interview-Bilder in der FAS scheinen dabei die Worte des Senatschefs auf eigenartige Weise zu konterkarieren. Statt verbraucht und "durchgenudelt" wirkt der 55-jährige Beust entspannt, erholt, ja fast schon jugendlich.
Die wahre Herausforderung für einen heutigen Politiker besteht nach Ansicht von Beusts darin, einigermaßen gleichmäßig die Flughöhe zu halten. "Da müssen Sie ständig zwischen rationalen und emotionalen Entscheidungen balancieren. Sie dürfen sich auch durch die ständigen Zuspitzungen der Medien nicht aus dem Tritt bringen lassen", so von Beust. Er selbst habe unter den Medien zwar nicht leiden müssen. "Aber manchmal gerät die ewige Präsenz in der Öffentlichkeit auch zur Belastung."
Von Beust räumt in dem Interview ein, er wisse, dass er jetzt eine Reihe von Menschen enttäusche, fügt aber hinzu: "Ich habe ein reines Gewissen, weil ich immer gesagt habe, ich mache das nicht ein Leben lang und entscheide etwa ein Jahr vor der nächsten Wahl, ob ich noch einmal antrete." Nun sei es eben etwas früher geschehen. Was den Zeitpunkt seines Rückzugs - die Mitte der Legislaturperiode ist fast erreicht - angeht, so verweist von Beust auf die anstehenden Haushaltsberatungen. "Es ist doch nur vernünftig und fair, meinem Nachfolger die Chance zu geben, diese wichtige Weichenstellung in seiner Verantwortung vorzunehmen", sagt der Noch-Senatschef. Neben Schulden in Höhe von mehr als 25 Milliarden Euro drückt den Senat ein 500-Millionen-Haushaltsloch , das gestopft werden muss.
Als politisch schwerste Zeit habe er die Situation im Jahr 2003 in Erinnerung, als der damalige Innensenator Ronald Schill versucht habe, sein Privatleben an die Öffentlichkeit zu zerren und daraus Kapital zu schlagen. "Das war eine harte Zeit. Da hat er Nachforschungen anstellen lassen, zum Beispiel bei Handwerkern, die sagen sollten, wie ich wohne, oder bei Kneipenwirten, die verraten sollten, wann ich mit wem da gewesen sei", sagt von Beust heute, der seinerzeit Schill mit der schwarz-schwarz-gelben Koalition allerdings erst hoffähig gemacht hatte.
Menschlich verraten fühlte er sich von Schill nicht, so von Beust weiter. "Wir waren ja nicht persönlich befreundet." Im Nachhinein kann von Beust der ganzen Sache sogar etwas Positives abgewinnen. "So wurde das Thema meines Schwulseins enttabuisiert, und das Leben wurde für mich einfacher", sagt von Beust und fügt hinzu: "Ich habe das zwar immer offen gelebt, aber bis dahin nie öffentlich darüber geredet."
In dem FAS-Interview berichtet von Beust ausführlich, wie er "sein Outing" durch seinen Vater seinerzeit erlebt hatte. Es sei zwar hilfreich gewesen, dass sein Vater in einem Interview der "Welt am Sonntag" ihn geoutet habe. "Aber erst einmal fand ich es schrecklich. Er hat mich geoutet, ohne vohrher ein Wort zu sagen", so von Beust. Nachdem das Interview erschienen sei, habe ihn ein Freund angerufen und ihm erzählt, was sein Vater in dem Interview gesagt habe. "Ich sagte damals: Du spinnst doch, das kann nicht sein. Ich bin dann mit klopfendem Herzen zum Briefkasten gegangen und habe die 'Welt am Sonntag' gelesen." Später habe er seinen Vater zur Rede gestellt, sagt von Beust. "Ich habe ihn gefragt, warum er mir das nicht vorher gesagt habe. Seine Antwort war einfach: Du hättest mir das doch verboten. So ist es aber besser für dich."