Harburg. Das Vorzeigeprojekt in Harburg setzt auf Wohnungen mit vier Zimmern, die einzeln als WG untervermietet werden – für 720 Euro Kaltmiete.

Studentisches Wohnen Schellerdamm: Unter diesem Titel wurden in den Jahren 2014/15 größtenteils Vierzimmerwohnungen für Studenten-WGs im Harburger Binnenhafen errichtet. 197 Studierende sollten hier Platz finden, hieß es damals. Das fünf- bis achtstöckige Gebäude an der Ecke Veritaskai/Schellerdamm entstand als Projekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) Hamburg. Ob acht Jahre nach der Einweihung dort noch Studierende einziehen können, ist fraglich: Auf dem Immobilienportal Immo Scout 24 werden einzelne möblierte Zimmer angeboten – mit einer Kaltmiete von 720 Euro.

Selbst wer den BAföG-Höchstsatz von 934 Euro bezieht und nebenbei jobbt, wird sich die 15 Quadratmeter großen Zimmer kaum leisten können. Angeboten werden sie von zwei Unterkunftsplattformen für befristete Langzeitaufenthalte: von HousingAnywhere mit Sitz in Rotterdam, ein Unternehmen, das in mehr als 30 Ländern vertreten ist, und vom Kölner Unternehmen Homelike, das in mehr als 500 Städten bezugsfertige Apartments für „flexibles Wohnen“ anbietet.

Wohnen Hamburg: Harburger Vorzeige-Immobilie gewerblich vermietet

Solche Unterkünfte, auch Boardinghouses genannt, haben gewöhnlich hotelähnliche Standards, wenden sich vor allem an Geschäftsleute und rufen meist Monatsmieten von mehreren Tausend Euros auf. Angeboten werden komplett eingerichtete Mini-Apartments bis zu geräumigen Wohnungen. Die Vermietung von WG-Zimmern spielt eine untergeordnete Rolle. Auf den eigenen Plattformen der Anbieter sind die Schellerdamm-Zimmer bei jeweils zwei Suchläufen mit unterschiedlichen Zeiträumen nicht zu finden.

Wie kann es sein, dass aus einem Projekt mit dem Titel „Studentisches Wohnen“ zumindest in Bezug auf die aktuellen Angebote ein kommerziell orientiertes Boardinghouse wurde? Die damaligen Bauherren Kurt und Cornelius Groenewold hatten mit ihrem Unternehmen Aurelius Immobilien das rund 20 Millionen Euro teure Bauprojekt am Schellerdamm 1–7 realisiert. Zuvor hatte Aurelius bereits die Bürohäuser „Das Silo“ und das Fleethaus am Schellerdamm geschaffen – bis heute zwei architektonische Aushängeschilder des Binnenhafens.

Komplette Wohnungen für 11 Euro pro Quadratmeter zu mieten

Die fragliche Immobilie ist noch immer im Eigentum der Familie Groenewold. Sie liegt seit Inbetriebnahme 2016 in den Händen der Rosenhof Grundstücksverwaltung (Gesellschafter: Kurt, Günther, Cornelius und Ulf Groenewold). „Die Baugenehmigung ist nicht als Studentenwohnheim beantragt oder erteilt worden“, heißt es in einer Stellungnahme von Rosenhof gegenüber dem Abendblatt. „Der Nutzungszweck war damals Wohnungen für Familien und Studenten.“ Im überwiegenden Teil seien die Wohnungen an Familien, Paare und auch Sozialeinrichtungen, etwa für Menschen mit Behinderungen, vermietet.

Rosenhof verlangt für die kompletten Vier-Zimmer-Wohnungen 11 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete (ohne Heiz- und Betriebskosten). „Da es sich um einen Neubau handelt, ist sie angemessen, und es kann dagegen niemand Bedenken haben“, so die Verwalter. Damit sich (studentische) Wohngemeinschaften gründen können, ist dem Hauptmieter die Untervermietung der anderen Zimmer gestattet. „Die Untermietverträge kennen wir nicht“, betont Rosenhof.

Die Hausverwaltung sieht sich offenbar bezüglich der inserierten Mieten nicht in der Verantwortung, weist aber auf einen Fehler in den Annoncen hin: Dort ist die reine Zimmergröße angegeben; die Anteile an den Nebenräumen sind nicht berücksichtigt. Bei einer Wohnungsgröße von 100 Quadratmetern entfallen auf jeden von vier Untermietern 25 Quadratmeter. Macht bei den vier aktuell inserierten Zimmern mit einer Kaltmiete von 720 Euro ein Quadratmeterpreis von fast 29 Euro für das möblierte Wohnen.

Quadratmeterpreis von fast 29 Euro für das möblierte Wohnen

Eine ganz ähnliche Entwicklung nahm eine Immobilie in der Harburger Innenstadt: In den ehemaligen Verwaltungsgebäuden des Bezirks an der Knoopstraße 35–37 sollten Mikro-Apartments vor allem für Studierende entstehen – so hatte es im November 2017 Christian Möhrke aus der Geschäftsführung des Lindhorst-Immobilienkonzerns im Stadtplanungsausschuss verkündet. Die Lokalpolitiker stimmten unter diesen Umständen dem Verkauf der Immobilie an die Lindhorst-Gruppe zu.

Im September 2019 gab es einen Farbanschlag auf das politisch umstrittene Apartmenthaus an der Knoopstraße 35–37.
Im September 2019 gab es einen Farbanschlag auf das politisch umstrittene Apartmenthaus an der Knoopstraße 35–37. © xl | Lars Hansen

Die Kleinwohnungen wurden fertiggestellt und Ende 2018 an die Firma HUB Apartments übergeben. Sie bot die zwischen 18 und 30 Quadratmeter großen möblierten Apartments für 30 und 40 Euro pro Nacht an, also mindestens 900 Euro pro Monat. „Für Studierende sind solche Mietpreise natürlich kaum erschwinglich. Angesprochen werden eher Touristen und Geschäftsreisende, die nicht auf längere Dauer mieten“, empörte sich im Oktober 2019 die Bezirksfraktion der Linken.

Der Stadtentwicklungsausschuss war sich damals weitgehend einig: Die Verwaltung unter Leitung des damaligen Baudezernenten Jörg Penner habe es versäumt, das studentischen Wohnen vertraglich festzuschreiben, mit entsprechend erschwinglichen Preisen.

HUB Apartments hat das Angebot inzwischen nachgebessert. Auf der Homepage werden „Studenten deals“ angeboten. „Mit deinem Immatrikulationsnachweis wohnst du zum Studententarif in deinem HUB Apartment“, ist dort zu lesen. Der Mietpreis für ein 20 Quadratmeter großes, vollausgestattetes „Student Studio“ wird mit „Ab 690 Euro“ angegeben. Kostenfreies High Speed Internet und wöchentliche Reinigung inklusive.