Harburg. Acht Jahre lang soll leerstehende Immobilie bis zum endgültigen Umbau zum Besuchermagneten werden. Der Weg dorthin ist umstritten
Zahlreiche Harburger Künstler können sich vorstellen, im ehemaligen Karstadt-Kaufhaus Flächen zu mieten. Das betont die Fraktion Die Linke der Harburger Bezirksversammlung. Es fehle an „konkreten Plänen und einer klaren Vision für die Zwischennutzung“ der Immobilie im Herzen Harburgs, so Fraktionschef Jörn Lohmann. Bei vielen Aktiven des Harburger Netzwerks Suedkultur herrsche große Raumnot. Der Verwalter Sprinkenhof solle die Chance nicht verpassen, mit ihnen das Gebäude zu beleben.
„Die ursprünglich angekündigte soziokulturelle Zwischennutzung, die eine ideale Brücke zur späteren Nutzung durch das Archäologische Museum, das Stadtmuseum Harburg, die Bücherhalle und die Volkshochschule bilden könnte, wurde kaum thematisiert“, kritisiert Lohmann den Verlauf eines Besichtigungstermins mit anschließender Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses. „Erst auf Nachfrage räumte ein Vertreter der Sprinkenhof GmbH ein, von den über 20 Interessensbekundungen für insgesamt 3000 Quadratmeter bisher keine Kenntnis gehabt zu haben.“
Haustechnik intakt, aber abgeschaltet. Brandschutz muss nachgebessert werden
Den Rundgang mit den Ausschussmitgliedern leitete Martin Hofmann vom Dienstleister Wisag, der das leerstehende Kaufhaus technisch betreut. „Wir holen das Gebäude jetzt allmählich aus dem Tiefschlaf heraus“, sagte er. Es verfüge über gute technische Anlagen, das zeigten erste externe Gutachten. Dennoch sei noch viel zu tun, bis die ersten Mieter einziehen können. Sie sollen das Gebäude beleben, bis zu seinem endgültigen Umbau in etwa acht Jahren.
Bei der Besichtigung sind die bis zu 4600 Quadratmeter großen Geschosse nur spärlich beleuchtet. Rolltreppen, Kundenfahrstühle und Lüftungsanlage sind außer Betrieb, die Heizung hält das Gebäude frostfrei. Für die Wiederinbetriebnahme prüfen die Sachverständigen jede einzelne technische Anlage. Bislang seien keine größeren Mängel entdeckt worden, sagte Ralf Engelhardt von der Sprinkenhof GmbH. Beim Brandschutz müsse allerdings investiert werden, dort werde gerade ein Konzept erstellt.
Betriebskosten noch unklar. Ein Problem für potenzielle Mieter
CDU und Die Linke kritisieren gleichermaßen, dass die Sprinkenhof GmbH als Verwalter der städtischen Immobilie noch keine Angaben zu den Betriebskosten machen kann. Engelhardt: „Wir sind erst seit einem halben Jahr am Start, haben noch keine Rechnungen bekommen.“ Zudem befinde sich das Gebäude jetzt im Leerstands-Modus. Wenn, wie geplant, zunächst das Unter- und das Erdgeschoss vermietet und viele Anlagen zumindest teilweise wieder in Betrieb genommen werden, seien die Kosten höher.
Ungeachtet von noch nicht vorliegenden Rechnungen betont Lohmann die mangelnde Planungssicherheit für potenzielle Mieter und fragt: „Warum gibt es nach so langer Zeit immer noch keine konkreten Zahlen zu den Betriebskosten und keine verbindlichen Aussagen zur zukünftigen Nutzung?“ Er fordert ein detailliertes Nutzungskonzept. Es solle „die soziokulturelle Zwischennutzung und die spätere Nutzung als kulturelles Zentrum gleichermaßen berücksichtigen“.
Geplante kulturelle Nutzer sind wenig zahlungskräftig
Im Raum stehen jährliche Betriebskosten im hohen sechsstelligen Bereich. Womöglich übersteigen sie sogar die Millionen-Grenze. Rainer Bliefernicht, Fraktionschef der CDU, und andere Ausschussmitglieder haben große Zweifel, dass diese Kosten in der Zwischennutzungsphase einzuspielen sind. „Das ist sehr viel Geld. Wir brauchen einen Ankermieter, der nicht nur Miete zahlt, sondern auch Nebenkosten mitträgt“, so Bliefernicht.
So sieht es auch Drasko Stojadinovic vom Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) als Eigentümer der städtischen Immobilie. Mit Blick auf sich abzeichnende kulturelle Nutzungen durch weniger zahlungskräftige Kundschaft sagte er: „Ich mache alles mit. Aber wir brauchen auch jemanden, der uns dazu verhilft, am Ende eine schwarze Null zu schreiben.“
Sprinkenhof habe in den vergangenen Monaten viele Einzelhandelsunternehmen, auch Möbelhäuser, angesprochen und sich überall Absagen geholt, sagte Engelhardt. Der Hauptgrund sei die Befristung auf acht Jahre. Um neue Verkaufsflächen zu gestalten, seien seitens der Mieter Investitionen notwendig, die sich über die relativ kurze Mietlaufzeit nur schwer amortisieren lassen.
Erste Mieter: Flohmarktbetreiber und Stadtmuseum
Die ersten voraussichtlichen Mieter, die bereits beim Bezirk Bauanträge für ihre Vorhaben gestellt haben, können anders kalkulieren. Zum einen plant ein Veranstalter, im ehemaligen Kaufhaus Flohmärkte auszurichten – dazu sind geringe Investitionen nötig. Zum anderen wird das Harburger Doppelmuseum (Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg), eine 600 Quadratmeter große Fläche im Erdgeschoss zu bespielen.
Was das Museum genau plant, stellte Direktor Rainer-Maria Weiss den Ausschussmitgliedern vor. Er betitelte seinen Kurzvortrag mit „Stadtmuseum zu Gast im Planet Harburg“. Und gab dem Karstadt-Gebäude damit einen neuen, in die Zukunft gerichteten Namen: „Planet Harburg lehnt sich an das kulturelle Projekt Jupiter im ehemaligen Karstadt-Sporthaus an der Mönckebergstraße an. Und an das Projekt Planet Alsen, die Nachnutzung eines Industriegeländes für kulturelle und andere Zwecke in Itzehoe.“
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Das Museum will „Planet Harburg“ zunächst als Testgelände nutzen. „Wir möchten sehr schnell, in der Phase null, dabei sein, weil wir in dem Gebäude auch langfristig unsere Zukunft sehen“, sagte Weiss. Es sei ein „1a-Standort“ für das Museum und für andere kulturelle Einrichtungen: zentral in der Harburger City gelegen und mit direktem S-Bahn-Anschluss. Er könne sich vorstellen, dass sein Museum eines Tages „mit Stumpf und Stiel“, also mit allen Dauer- und Sonderausstellungen, an den dann neu hergerichteten Standort ziehe.
Harburg: Kostenlose Ausstellungen sollen neues Publikum locken
Als Einstieg geht es um 600 Quadratmeter. Auf zwei Dritteln der Fläche wird das Stadtmuseum Harburg Ausstellungen zeigen. „Aufgrund des kurzen zeitlichen Vorlaufs werden wir zunächst auf bestehende Ausstellungen zurückgreifen, wie Harburg von oben, Brigitte Nolden, Orte des jüdischen Lebens, Geschichte der Friedrich-Ebert-Halle, Hamburg von oben.“ Bei kostenlosem Eintritt.
Hinter dem Eingang am Harburger Ring ist ein kleines Foyer geplant. Geziert durch einen historischen Kaffeeladen der Firma Darboven. Den hat das Museum aktuell eingelagert. Auch eine funktionierende Kaffeemaschine wird es dort geben, verspricht Weiss. 200 Quadratmeter sind für einen großer Vortrags- und Veranstaltungsraum vorgesehen, mit Beamer, elektrischer Leinwand und weiterer Technik.
Neuer Anziehungspunkt in Harburg: Museum will am 15. Februar eröffnen
In dem Raum möchte das Museum zukünftig seine Vorträge zur Stadtgeschichte halten. Er soll aber auch anderen interessierten Nutzern zur Verfügung stehen, etwa Harburger Vereinen. „All‘ unsere Planungen sind darauf ausgerichtet, dass wir am 15. Februar eine große Eröffnungssause feiern können“, kündigte Weiss an. Er hofft aufgrund der Lage und des kostenlosen Eintritts, Zielgruppen zu erschließen, die sonst keine Museen besuchen.
Stadtmuseum erhält 300.000 Euro. Bislang keine Förderung für Suedkultur
Für die Wiederbelebung des Karstadt-Gebäudes erhält das Museum einen kräftigen Zuschuss: Die Stadt stellt 300.000 Euro bereit für ein fertiges Konzept mit dem Titel „Archäologisches- und Stadtmuseum on Tour“. Denn noch ist das Museum zunächst ein vorübergehender Gast im ehemaligen Warenhaus. Geht es nach Rainer-Maria Weiss, wird es bleiben und nach der großen Baupause wiederkommen. Als „Kulturkombinat“ mit der Bücherhalle Harburg, der Harburger Volkshochschule und weiteren Akteuren.
Inwieweit das Netzwerk SuedKultur und allgemein die Harburger Kulturszene dabei sein werden, steht in den Sternen. „Sie müssen bei der Entwicklung des Nutzungskonzepts eng eingebunden werden“, fordert Die Linke. „Deren zahlreiche Interessensbekundungen, die eine vielfältige kulturelle Nutzung des Gebäudes ermöglichen würden, wurden offenbar nicht ausreichend berücksichtigt. Stattdessen konzentrierten sich die Verantwortlichen auf die Möglichkeit einer Nutzung durch Flohmarktbetreiber.“