Hamburg. Historisches Baudenkmal am Gänsemarkt ist in einem üblen Zustand. Was dringend geschehen muss und warum Kaffeemaschinen ein Problem sind.
Die historische Finanzbehörde ist eines der prägendsten Gebäude in der Hamburger Innenstadt. Der vom legendären Architekten Fritz Schumacher entworfene und 1926 vollendete Backsteinbau dominiert mit seinen acht Geschossen und dem runden Turm einerseits wuchtig den Gänsemarkt, bietet andererseits innen wie außen eine Fülle an gestalterischen Schätzen bis hin zu den hölzernen Paternostern, die nach wie vor ratternd die Etagen verbinden. Doch der Erhalt dieser denkmalgeschützten Immobilie wird die Stadt teuer zu stehen kommen – erheblich teurer als bislang bekannt.
War der Sanierungsbedarf zu Zeiten des früheren, privaten Eigentümers auf 20 bis 30 Millionen Euro geschätzt worden, hatte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im Zuge des Ankaufs der Immobilie durch die Stadt im Frühjahr 2023 gesagt, „realistisch“ seien wohl eher 30 bis 45 Millionen Euro. Eine genaue Summe könne er aber noch nicht nennen. Nun hat der Senat eine Drucksache beschlossen, in der er die Sanierungskosten erstmals exakt beziffert: 95 Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie bisher angenommen.
Kostenschock in Hamburg: So teuer wird die Sanierung der Finanzbehörde
„Die Sanierung ist eilbedürftig“, heißt es in dem Senatspapier. Aufbauend auf früheren Gutachten hätten vertiefte Prüfungen bestätigt, dass Stromversorgung, Heizung, IT, Brandschutz und Sanitäranlagen in dem riesigen Bauwerk mit seinen mehr als 20.000 Quadratmetern Nutzfläche dringend instand gesetzt werden müssten. Zudem seien Baumaßnahmen an Keller und Dach nötig, um das Denkmal langfristig erhalten zu können.
Von den 95 Millionen entfallen rund 58 Millionen auf die reinen Baukosten. Hinzu kommen rund 15 Millionen an Nebenkosten (etwa für die Projektleitung), gut 4,5 Millionen Euro Finanzierungskosten und rund 13 Millionen für Preissteigerungen und „Kostenvarianz“ – das ist eine Art Kostenpuffer, wie er nach dem Desaster um die Elbphilharmonie bei allen öffentlichen Großprojekten in Hamburg vorgeschrieben ist, um „kostenstabiles Bauen“ zu gewährleisten.
Stadt hatte Finanzbehörde für 128 Millionen Euro zurückgekauft
Die 58 Millionen seien „gar nicht so weit entfernt“ von den zuvor geschätzten bis zu 45 Millionen, die sich auch auf die reinen Baukosten bezogen hätten, sagte Dressel am Donnerstag bei der Vorstellung der Sanierungspläne. Seitdem seien die Baupreise weiter angestiegen. Zudem seien noch „ein paar Sachen aufgetaucht, von denen wir noch nichts wussten“, ergänzte Barbara Jacobs, die in der Behörde für die Sanierung zuständige Amtsleiterin. Denn an dem Gebäude sei 40 bis 50 Jahre lang fast nichts getan worden.
Obwohl das Haus vor 100 Jahren eigens für die „Finanzdeputation“ konzipiert und errichtet worden war – der Name steht bis heute an der Fassade –, hatte der damalige CDU-Senat es 2006 zusammen mit weiteren städtischen Immobilien an private Investoren verkauft und es anschließend angemietet. Da es Teil eines Pakets war, ist der Kaufpreis nicht bekannt.
Andreas Dressel: „Dieses ikonische Gebäude ist ein architektonischer Schatz“
Die nachfolgenden SPD-Senate hatten den Deal immer wieder als „schlechtes Geschäft“ kritisiert und sich mit den privaten Eigentümern über nötige Investitionen in die denkmalgeschützte Immobilie gestritten, in der außer der Finanzbehörde auch der Rechnungshof und das Amt für Bezirksverwaltung sitzen. Der seit 2018 amtierende Finanzsenator Andreas Dressel hatte daher 2023 die Chance genutzt, seinen Dienstsitz für 128 Millionen Euro (inklusive Nebenkosten) von einer österreichischen Stiftung zurückzukaufen, um ihn von der städtischen Sprinkenhof GmbH sanieren zu lassen.
„Das ikonische, denkmalgeschützte Gebäude am Gänsemarkt 36 ist ohne jeden Zweifel ein architektonischer Schatz“, sagte Dressel am Donnerstag. Es zu verkaufen, sei „ein historischer Fehler“ gewesen. Da man sich mit dem Vorbesitzer nicht auf die Finanzierung der nötigen Sanierungsmaßnahmen habe einigen können, gehe man diese nun in Eigenregie an: „Wir werden in den kommenden Jahren dafür sorgen, dieses Gebäude auch für künftige Generationen zu erhalten.“ Dabei sei das Denkmalschutzamt eng eingebunden.
Wie nötig die Sanierung ist, wurde schon vergangenes Jahr bei einem Rundgang mit dem Abendblatt deutlich: Teile des Kellers waren abgesackt und teilweise aufgegraben, um die Schäden begutachten zu können. An anderen Stellen soll bei Regen immer wieder Wasser eingedrungen sein und dann bis zu 20 Zentimeter hoch im Untergeschoss gestanden haben. Datenleitungen waren nachträglich und zum Entsetzen des Denkmalschutzes in den Fluren auf Putz verlegt und notdürftig hinter Plastikverkleidungen versteckt worden.
Kaffeemaschinen verboten – aus Sorge vor Stromausfall
Für Ärger soll auch immer wieder gesorgt haben, dass das gesamte Gebäude nur über einen Stromkreis verfügt und daher häufiger der Strom ausgefallen sein soll. Der Vermieter soll der Finanzbehörde daher geraten haben, nicht so viele PC zu nutzen – und das in einem Bürogebäude. Die Behörde selbst bat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, keine Kaffeemaschinen in den Büros zu betreiben, um die Stromversorgung nicht zu gefährden.
Das alles soll durch die auf drei Jahre angelegte Sanierung und Modernisierung nun besser werden. Der Senat greift dafür auf sein Mieter-Vermieter-Modell zurück, wie er es auch bei Schulen, Hochschulen, Polizeigebäuden und anderen Immobilien praktiziert: Das Gebäude samt Grundstück wird einer Objektgesellschaft übertragen (in diesem Fall die Verwaltung Hamburgischer Gebäude & Co., kurz VHG), die es verwaltet und dann an die Behörde vermietet.
Finanzbehörde zahlt künftig acht Millionen Euro Miete pro Jahr
Aus den Mieteinnahmen der VHG werden also die Sanierung und Instandhaltung des Gebäudes finanziert, mit denen wiederum die städtische Immobilienfirma Sprinkenhof GmbH beauftragt wird. Nach Abschluss der Maßnahmen 2028 soll die Miete für das Gebäude 32,66 Euro pro Quadratmeter und Monat betragen oder gut acht Millionen Euro pro Jahr. 6,67 Millionen Euro davon entfallen auf die Finanzbehörde selbst und 1,4 Millionen auf den Rechnungshof. Wie hoch die Untermiete sein wird, die die zur Wissenschaftsbehörde gehörende Bezirksverwaltung zahlen muss, steht noch nicht fest.
Nach der Sanierung soll das historische Gebäude über 600 Arbeitsplätze für insgesamt 750 Mitarbeitende verfügen. Die Zeiten, in denen alle Beschäftigten einen eigenen, festen Arbeitsplatz hatten, gehen auch in den meisten Behörden zu Ende. Homeoffice oder „Dienst an einem anderen Ort“, wie es im Amtsdeutsch heißt, machen es möglich. Dadurch könnten Flächen an anderen Standorten in der Stadt „abgemietet werden“, etwa an der Caffamacherreihe oder an den Hohen Bleichen, so der Senat.
Finanzbehörde zieht vorübergehend in die alte Haspa-Zentrale
Während diese Maßnahme Geld sparen soll, verursacht die Sanierung zunächst weitere Kosten, weil das Gebäude während dieser drei Jahre komplett geräumt wird und die Behörden Ausweichstandorte anmieten müssen. Wie berichtet, ziehen die Finanzbehörde und die Bezirksverwaltung in die frühere Zentrale der Hamburger Sparkasse an der Ecke Adolphsplatz/Großer Burstah unmittelbar hinter dem Rathaus und der Rechnungshof an den Dammtorwall.
Ausweislich der Senatsdrucksache entstehen dadurch Mietkosten für die Jahre 2025 bis 2027 von insgesamt rund zwölf Millionen Euro für das frühere Haspa-Gebäude und gut 2,2 Millionen Euro für den Interimsstandort des Rechnungshofes. Interessant daran: Die Finanzbehörde zahlt bei der Haspa rund 13,66 Euro Miete pro Quadratmeter und Monat, Bezirksverwaltung und Kundenzentrum rund 20 Euro. Das ist für eine Toplage in der Hamburger City sehr günstig, und es ist erheblich weniger als die 32 Euro, die sie künftig in dem sanierten Altbau am Gänsemarkt bezahlt – allerdings an sich selbst.
Kostenschock: So teuer wird die Sanierung der Finanzbehörde
Addiert man die Kosten für den Ankauf (128 Millionen) sowie die Sanierung (95 Millionen) des Finanzbehördengebäudes sowie die Miete an den Interimsstandorten (14 Millionen), kostet das ganze Projekt die Stadt also rund 237 Millionen Euro. Eine stolze Summe. Dafür gehört ihr dann nicht nur ein prägendes Baudenkmal wieder, sondern es erstrahlt auch in neuem Glanz und bietet den 750 Beschäftigten deutlich modernere Arbeitsplätze als bislang. Möglicherweise sind dann auch wieder Kaffeemaschinen in den Büros erlaubt.
Die CDU kritisiert den Rückkauf des Gebäudes weiterhin scharf. Zu den Sanierungskosten sagte ihr Haushaltsexperte Thilo Kleibauer: „Jetzt rächt sich der überteuerte Ankauf des Gänsemarkt-Gebäudes durch den Finanzsenator. Hier hat der Senat viel zu viel Geld für ein stark sanierungsbedürftiges Gebäude ausgegeben.“ Seine Befürchtung: „Angesichts der massiven Kostensteigerungen und Fehlplanungen bei vielen städtischen Bauprojekten sind selbst die jetzt genannten 95 Millionen für Sanierung und Umbau des Gebäudes noch mit hohen Risiken behaftet.“
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Kleibauer wies zudem darauf hin, dass ein Jahr nach dem Ankauf im Haushalt schon mehr als zehn Prozent der Anschaffungskosten von 128 Millionen abgeschrieben worden seien und die Immobilie nur noch mit 109 Millionen Euro bewertet werde. Der Finanzsenator verantworte „ein Millionendesaster für die Steuerzahler“. Allerdings hatte der Senat schon 2023 betont, dass der gutachterlich ermittelte Verkehrswert der Immobilie nur bei 109 Millionen Euro liege, man aber 119 Millionen bezahlt habe, weil man es für „gerechtfertigt und insgesamt wirtschaftlich“ halte. Die restlichen 9 Millionen waren Nebenkosten.
Steuerzahlerbund: Verkauf der Finanzbehörde war „ein vergiftetetes Geschenk“ der CDU
Der Bund der Steuerzahler unterstützte dagegen eher die Sichtweise des SPD-Finanzsenators: „Der Schumacher-Bau am Gänsemarkt ist ein Symbol für die gravierenden Fehlentscheidungen der Hamburger Politik in der Immobilienwirtschaft – und ein teures Lehrstück für die Steuerzahler“, sagte der Landesvorsitzende Sascha Mummenhoff. Der damalige CDU-Senat habe Hamburg „ein vergiftetes Geschenk gemacht – mit großzügigen Renditen für private Investoren und Aktionäre“.
Die Strategie, die Immobilie nur zu mieten und die Instandhaltung dem Käufer zu überlassen, habe sich „als Fiasko“ entpuppt, so Mummenhoff: „Während der neue Eigentümer durch sichere Mieteinnahmen und satte Gewinne beim Weiterverkauf profitierte, blieb die Stadt auf wachsenden Kosten sitzen.“ Allerdings teilte der Steuerzahlerbund die Sorge, dass die Sanierung teurer als 95 Millionen Euro werden könnte: „Wir befürchten, dass auch bei diesem Projekt weder der Kostenrahmen noch der Zeitplan eingehalten werden – wie so oft.“