Harburg. Die leere Immobilie im Herzen Harburgs soll neuer Anziehungspunkt werden. Dazu braucht es, neben kulturellen Angeboten, größere Mieter.
Stadt und Bezirk sind in Gesprächen mit potenziellen Mietern für das leerstehende Karstadt-Gebäude (wir berichteten). Neben eher kleinteiligen Räumlichkeiten für Harburger Kulturschaffende werden Ankermieter gebraucht, um die 26.000 Quadratmeter Fläche des ehemaligen Traditions-Kaufhauses mit Leben zu füllen. Schon im Herbst wurden die Bücherhalle Harburg genannt. Sie ist nicht abgeneigt.
„Wir sind im Moment mit dem jetzigen Standort nicht glücklich und haben dazu auch schon im Regionalausschuss der Bezirksversammlung Auskunft gegeben“, sagt Frauke Untiedt, Bibliotheksdirektorin der Bücherhallen Hamburg. Im Regionalausschuss Harburg hatte der Kaufmännische Leiter der Bücherhallen, Philipp Leist, im November berichtet, dass die Bücherhalle an der Eddelbüttelstraße 47a Probleme mit der Vermieterin habe. Er sprach von einem Renovierungs- und Sanierungsstau, einem Fahrstuhl, der seit mehr als drei Jahren nicht mehr funktioniert, wiederholt aufgetretenen Wasserschäden und erfolglosen Gesprächen mit der Vermieterin.
Bücherhalle Harburg: fast 140.000 Besucher und 800 Veranstaltungen im Jahr
Hinsichtlich der Karstadt-Immobilie sagte Untiedt: „Die Bücherhalle Harburg muss nach unserem Verständnis in der Innenstadt Harburgs verortet bleiben. Sie zählt mit nahezu 140.000 Besuchen und mehr als 800 Veranstaltungen im Jahr zu unseren großen Bücherhallen, hat eine hohe Aufenthaltsqualität und wird von den Menschen im Bezirk gerne besucht. Viele Familien nutzen ihre Angebote, es gibt ein separates Spielzimmer im Kinderbereich. Der Bezirk Harburg kennt unsere Anforderungen an Bücherhallen-Flächen und wir sind in einem guten Austausch. Allerdings ist unser finanzieller Spielraum begrenzt und sowohl eine Interimslösung wie auch eine langfristigere Lösung müsste im Rahmen unserer Zuwendung umsetzbar sein.“
Der Senat, der den Karstadt-Komplex im Herbst 2023 erworben hatte, drückt aufs Tempo: „Die Stadt ist sehr an einer zeitnahen Belebung des Standortes interessiert. Mögliche Nutzungen müssen jedoch den baurechtlichen Anforderungen, insbesondere den Vorgaben des Brandschutzes entsprechen“, antwortet Finanzsenator Andreas Dressel auf eine Abendblatt-Anfrage.
Finanzsenator Andreas Dressel hofft auf Neustart in sieben Monaten
Dies betreffe sowohl die zwischenzeitliche Nutzung des bestehenden Gebäudes als auch zukünftige Nutzungen des Standortes. „Ziel aller Beteiligten ist es, das Karstadt-Warenhaus so schnell wie möglich mit Angeboten für die Bürgerinnen und Bürger zu öffnen. Mein Ziel ist, noch in dieser Wahlperiode mit ersten Angeboten zu starten“, so Dressel.
Die Wahlperiode endet mit der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025. Bis dahin bleiben noch sieben Monate, um die Vermietung von kleinen und großen Flächen an Kulturschaffende und größere Institutionen zu organisieren. Grundsätzlich sei eine mehrjährige Zwischennutzung der Immobilie geplant. Und das in enger Abstimmung mit dem Bezirk, sagt Imme Mäder, Sprecherin der Finanzbehörde. Die Behörde ist ins Spiel gekommen, als ihr Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) im September ein Vorkaufsrecht ausübte.
Im April 2024 wurde offiziell der Schlüssel an den neuen Eigentümer übergeben. Inzwischen wird die Immobilie von der städtischen Sprinkenhof GmbH verwaltet. Derzeit bereite Sprinkenhof ein Interessenbekundungsverfahren vor, „bei dem die der Stadt bekannten Interessenten zu ihren konkreten Flächenbedarfen und Nutzungszeiträumen befragt werden“, so Mäder. Es habe bereits mehrere Besichtigungen mit potenziellen Nutzern gegeben.
Einige potenzielle Nutzer haben die Immobilie schon besichtigt
Zu denen, die zu einem Rundgang eingeladen wurden, gehört Heiko Langanke als Mitglied von Südkultur, einem Zusammenschluss (und Internet-Portal) von Kulturschaffenden aus dem Hamburger Süden. Er betreibt die Kunstleihe Harburg. „Uns wurde gesagt, dass im Karstadt-Gebäude ab März mindestens fünf Jahre lang Räumlichkeiten für die Stadtteilkultur zur Verfügung stehen werden“, so Langanke. „Das ist erstmal schön, denn bislang hatte der Bezirk die Stadtteilkultur kaum auf dem Radar. Sie wird hier deutlich weniger stark gefördert als im Durchschnitt aller Hamburger Bezirke.“
Vieles sei aber noch unklar, kritisiert Langanke, der als Lokalpolitiker (Die Linke) bis zu den Bezirkswahlen im Juni Vorsitzender des Kulturausschusses der Bezirksversammlung war. Fragen zu Rettungswegen, Öffnungszeiten oder die Zuständigkeit für Reinigungsarbeiten seien unbeantwortet geblieben. Eines sei dagegen sofort klar geworden: „Die Nutzer bekommen kein Geld, keine Förderung, sollen aber eine kleine Miete zahlen und für die Betriebskosten aufkommen.“
„Ohne eine größere Förderung ist eine Zwischennutzung nicht möglich“
Für die potenziellen Nutzer sei nicht absehbar, welche Kosten auf sie zukommen, so Langanke. Es bestehe Zeitdruck, die Angebote zu konkretisieren und nennt als Beispiel seine Kunstleihe Harburg: „Wir sind mit unserem Standort an der Meyerstraße nicht ganz zufrieden, können uns durchaus einen Umzug vorstellen. Um im März im Karstadt-Gebäude anfangen zu können, müssten wir im September die bestehenden Räumlichkeiten kündigen. Dazu müssen wir wissen, wie die Nutzung der Karstadt-Räumlichkeiten gestaltet wird.“
„Ohne eine größere Förderung ist eine solche Zwischennutzung nicht möglich“, sagt Jean Rehders von der Hamburg Kreativ Gesellschaft GmbH. Sie vermittelt im städtischen Programm Frei_Fläche leerstehende Geschäftsräume an Kulturschaffende. Das prominenteste Beispiel ist Jupiter, der „Kreativplanet“ in den sechs ehemaligen Verkaufsetagen von Karstadt Sport an der Mönckebergstraße. „Ein großes Kaufhaus zu bespielen, ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe“, sagt Rehders.
Problem für Nachnutzer: Kaufhäuser sind nur auf einen Betreiber ausgelegt
Kaufhäuser seien auf einen einzigen Betreiber ausgelegt, nicht auf viele Nutzer mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen. „Wenn in der ersten Etage eine Ausstellung mit einem Vortrag eröffnet wird und drei Stockwerke darüber eine Musikveranstaltung läuft, ist das schalltechnisch nicht zu lösen, sondern nur organisatorisch“, so Rehders. Ein weiteres Problem sei, dass sämtliche Flächen frei zugänglich sind: „Wir haben im 5. OG eine Bar. Die braucht natürlich längere Öffnungszeiten. Bei uns sind jetzt einzelne Etagen abschließbar.“
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Beim Projekt Jupiter zahlen die Kulturanbieter keine Miete
Beim Jupiter zahlt die Kreativgesellschaft keine Mieter an den Gebäudeeigentümer und damit auch nicht die Nutzer der Flächen. Die Betriebskosten werden zum großen Teil vom Frei_Flächen-Programm getragen. Die Kulturanbieter müssen sich lediglich mit 1,50 Euro pro Quadratmeter daran beteiligen. Reinigungsarbeiten (Räume, Sanitäranlagen) muss die Hausgemeinschaft übernehmen.
Im Jupiter sind 8000 Quadratmeter Fläche zu managen, also erheblich weniger als bei Karstadt Harburg. Dennoch sei die Organisation dieses Projekts sehr aufwendig, sagt Rehders: „Wir haben pro Etage bis zu vier Ansprechpartnerinnen und -partner. Flächen müssen neu ausgeschrieben und vergeben, Verträge ausgearbeitet werden. Jupiter hat eine eigene Website, Instagram muss mit Inhalt gefüllt werden. Eine Person kümmert sich (in Teilzeit) ausschließlich um Jupiter. Weitere Arbeit leistet das Team von Frei_Flächen.“
Bücherhalle und Volkshochschule wollen zusammenziehen
Das Harburger Warenhaus ist gut dreimal größer und benötigt deshalb jenseits der angedachten kulturellen Nutzung Ankermieter wie Harburger Bücherhalle. Für sie allein wäre die Karstadt-Immobilie deutlich zu groß, sagt Frauke Untiedt. Mindestens ein zweiter, vielleicht auch noch mehr Mieter von größeren Flächen werden gebraucht.
Ein weiterer Kandidat ist das Volkshohlschulzentrum Harburg, das wie die Bücherhalle einen Standortwechsel erwägt. Urlaubsbedingt ist von der VHS aktuell keine Stellungnahme zu erhalten. Eine Aussage von Bücherhallen-Geschäftsführer Leist im Regionalausschuss stimmt aber zuversichtlich: „Langfristig werde nun, in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der Volkshochschule, nach einer neuen Immobilie in zentraler Lage in Harburg gesucht, die gemeinsam genutzt werden solle“, ist im Ausschussprotokoll nachzulesen.