Harburg. Eigner wollte historischen Fischkutter im Harburger Hafen aufwendig restaurieren. Nun darf er ihn nicht mehr betreten. Die Gründe.

Der ehemalige Hochseekutter „Morpheus“ hat bessere Tage gesehen. Als das 1958 in Boizenburg erbaute Stahlschiff im Mai 2017 in den Harburger Binnenhafen einlief, war es bereits stark reparaturbedürftig. Einst fuhr es als Teil der DDR-Hochseefischerei in die Nordsee. Jetzt kann es nicht einmal seinen Platz im Überwinterungshafen verlassen, um von Grund auf saniert zu werden.

Eigner Paul Eisenkolb hat jahrelang an dem Schiff gearbeitet. Inzwischen darf er nicht mehr an Bord. Das Bezirksamt beschlagnahmte die „Morpheus“.

Binnenhafen Harburg: Historischer Kutter sollte Kulturschiff werden

„Ich habe 350 Arbeitstage und 80.000 Euro investiert“, sagte Eisenkolb kürzlich dem Abendblatt. „Zusammen mit Helfern haben wir das Schiff komplett ausgeräumt, potenzielle Altlasten entfernt.“

Eisenkolb hoffte, mit Unterstützung vieler freiwilliger Helfer aus dem historischen Kutter ein Kulturschiff zu machen. „Das Problem ist nicht das Schiff, sondern sein Ruf“, sagt der 58-jährige Eigner. Das Bezirksamt, das die Liegerechte im Binnenhafen vergibt, sieht das anders.

Der Platz an den Dalben sollte nach einigen Monaten geräumt werden

Rückblick: Als die „Morpheus“, damals noch unter ihrem ursprünglichen Namen „Pottwal“, 2017 nach Harburg kam, legte ihr damaliger Eigner John Lührs zunächst im Westlichen Bahnhofskanal an einer maroden Kaimauer an. „Er sagte uns, sein Schiff sei nicht mehr fahrfähig und bat darum, es dort instand setzen zu können“, sagt Susanne Emich, die im Bezirksamt für die Liegerechte im Binnenhafen zuständig ist.

„Im Bahnhofskanal konnte er nicht bleiben. Deshalb erhielt er eine befristete wasserrechtliche Genehmigung, an den Dalben im Überwinterungshafen festzumachen zu dem Zweck, dort das Schiff instandzusetzen.“

Die „Pottwal“ liegt im Oktober 2017 im Überwinterungshafen. Deutlich rostiger als heute.
Die „Pottwal“ liegt im Oktober 2017 im Überwinterungshafen. Deutlich rostiger als heute. © HA

Dort befindet sich kein richtiger Liegeplatz, sondern ein behördlicher Ort, um Schiffe kurzfristig unterzubringen, die ohne Wasserrechtliche Genehmigung für eine Liegefläche in den Binnenhafen gebracht werden. Es fehlen ein Landzugang und sämtliche Infrastruktur. Zum Jahresende 2017 verstrich die (zuvor bereits verlängerte) Frist der Genehmigung. Doch die „Pottwal“ blieb. Lührs setzte auf einen potenziellen Investor, der das Schiff instand setzen will.

Die „Morpheus“ konnte nicht einmal mehr geschleppt werden

In der Hoffnung, dass sich bald etwas tut, sprach das Bezirksamt eine Duldung bis Ende 2021 aus. Tatsächlich fand sich im Oktober 2020 ein Käufer: Paul Eisenkolb erwarb das Schiff und begann, es zu entkernen. 40 Tonnen Material transportierte er und einige Helfer – meist per Ruderboot – ab. Das Bezirksamt schickte dem neuen Besitzer bis Mai 2022 insgesamt drei Bescheide, dass er unter Androhung von Zwangsgeld mit seinem Schiff den Platz zu räumen habe. Nichts geschah.

Kunst am Schiff: Den alten Steuerstand ziert eine Roboterfigur mit Smartphones als Augen.
Kunst am Schiff: Den alten Steuerstand ziert eine Roboterfigur mit Smartphones als Augen. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Allmählich festigte sich in der Harburger Behörde der Eindruck, dass der neue Eigner mit der fachgerechten Instandsetzung des Schiffes überfordert ist. Im Oktober 2022 ging deshalb im Auftrag des Bezirksamts ein schiffstechnischer Gutachter an Bord, der sich die inzwischen umgetaufte „Morpheus“ genau ansah.

Emich beschreibt das Ergebnis: „Herr Eisenkolb hatte die Querschotten im Schiff demontiert. Damit hat der Rumpf seine Querstabilität verloren. Es ist kein Schiff mehr, denn es ist nicht mehr fahrtüchtig. Und ohne Querschotten ist es nicht einmal mehr schleppfähig, sofern nicht zuvor Arbeiten zur Stabilisierung durchgeführt werden.“

An Bord übernachteten öfters Leute: „Das ist kein sicherer Ort“

Aufgrund der behördlichen Aufforderung, den Kurzzeit-Liegeplatz zu verlassen, machte sich Eisenkolb im Sommer 2023 dennoch auf den Weg. Zu einem neuen Liegeplatz im Herzen des Hamburger Hafens. „Wir wurden an der Kattwykbrücke von der Wasserschutzpolizei abgefangen und mit einem rüden Manöver zur Umkehr gezwungen“, erzählt Eisenkolb.

Der Grund für das Manöver: Der Eigner hätte vor dem Ablegen zunächst sein Schiff verstärken müssen, um eine Schleppgenehmigung zu erhalten. Dies war ihm nach dem Gutachten von 2022 auferlegt worden.

Die Zweifel im zuständigen Dezernat für Wirtschaft, Bauen und Umwelt an dem Projekt Morpheus wurden immer größer. „Als wir hörten, dass die Schotten entfernt wurden, fragten wir uns, was der Eigner auf dem Schiff sonst noch herumbaut“, sagt Adrian Andres, Leiter des Fachamts Management im öffentlichen Raum. „Ein großes Thema war auch die Lärmbelästigung, die vom Schiff ausging. Dort hielten sich oft mehrere Leute auf, übernachteten sogar auf dem Schiff. Es hat keinen Landzugang, das ist kein sicherer Ort.“

Als noch freiwillige Helfer am Schiff gearbeitet hatten, wurde an Bord auch gegrillt. 
Als noch freiwillige Helfer am Schiff gearbeitet hatten, wurde an Bord auch gegrillt.  © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Binnenhafen Harburg: Das Schicksal des Schiffs liegt in Händen des Bezirks

Der Bezirk sprach ein Beherbergungsverbot aus. Andres: „Wir sind für das Allgemeinwohl zuständig. Wenn an Bord oder durch das Schiff etwas passiert, werden wir gefragt: Warum seid ihr zuvor nicht eingeschritten?“ Im Oktober 2023 machte das Bezirksamt seine zuvor angekündigte Drohung wahr und nahm das Schiff in Sicherungsverwahrung. Heißt: Es beschlagnahmte das Schiff. Es ist nun in amtlichem Besitz, der Bezirk kann es verwerten. Eigner bleibt Paul Eisenkolb.

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„Es musste der Eindruck entstehen, dass Herrn Eisenkolb die notwendige Fachkunde und Ressourcen fehlen, um das Schiff in einen guten Zustand zu bringen“, sagt Harburgs Baudezernent Hans Christian Lied rückblickend. „Es wäre schön gewesen, aus dem Schiff einen attraktiven Dauerlieger zu machen.“ Nun stünde das Schicksal des Schiffes auf Messers Schneide. „Vielleicht findet sich ein Investor, der einen fünfstelligen oder sogar sechsstelligen Betrag investieren mag, um die ‚Morpheus‘ zukünftig als Lieger zu nutzen. Wenn nicht, wird das Schiff abgewrackt.“

Keine deutsche Werft kann Schiffe abwracken

Auch das ist nicht so einfach. In ganz Deutschland gibt es keine Abwrackwerft für Schiffe. Theoretisch müsste die „Morpheus“ auf einem Ponton außer Landes gebracht werden. Lied: „Es wäre schön, wenn sich kurzfristig jemand meldet, der fähig ist, das Schiff zu sanieren. Er müsste Knowhow, Geld und ein Konzept haben. Und einen Liegeplatz.“

Sollte irgendwann das nächste reparaturbedürftige Schiff den Harburger Binnenhafen anlaufen, so könnte es vielleicht im Bereich des Museumshafens Harburg anlegen. Anfragen der „Morpheus“ hatte der Verein allerdings abgelegt. Generell seien die Liegeplätze im Hafen knapp, sagt Susanne Emich.

Der Platz an den Dalben ist die einzige Zwischenlösungsmöglichkeit des Bezirksamtes für Schiffe, die ohne Genehmigung im Harburger Binnenhafen abgelegt werden, „aber wir müssen Acht geben, dass wir das Festmachen nicht wieder jemandem zugestehen, der sich dann dauerhaft dort einrichtet. Und es sollte ein echtes Schiff, also fahrfähig sein.“