Neugraben-Fischbek. Areal in der Neugrabener Heide birgt Relikte einer grausamen Zeit. Nun entsteht eine Gedenkstätte, die mit ihrem Konzept überrascht.
Eine besondere Synthese aus Naturschutz und Gedenkkultur kann jetzt auf dem Areal des ehemaligen Außenlagers Neugraben vom KZ Neuengamme umgesetzt werden: Ende Dezember verkündete die Finanzbehörde, dass die Stadt die knapp 23 Hektar (230.000 Quadratmeter) große Fläche vom Bund erworben habe.
Dort werde eine „Gedenkstätte in Form eines historischen Lehrpfades“ entstehen, so Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). „Ein wichtiges Zeichen, um die Erinnerung an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte und das Gedenken an die Opfer der NS-Verbrechen auch für kommende Generationen wach zu halten.“
KZ Außenlager Neugraben: 500 zumeist tschechische Jüdinnen waren hier interniert
In dem im September 1944 am Falkenbergsweg eingerichteten KZ-Außenlager Neugraben waren 500 zumeist tschechische Jüdinnen, die aus Auschwitz-Birkenau kamen, interniert. Die 16 bis 46 Jahre alten, unterernährten Frauen mussten unter anderem beim Trümmerräumen und beim Bau von Behelfsheimen in der Falkenbergsiedlung schwerste Zwangsarbeit leisten.
Auf dem ehemaligen Lagergelände finden sich noch zahlreiche Barackenfundamente und weitere Spuren des Lagers. Allerdings ist über sie längst Gras gewachsen, und so sind sie in der Heidelandschaft kaum auszumachen.
Neugrabener Heide: Mehr Naturschutz am historisch bedeutsamen Ort
Das Areal wurde dem Naturschutzgebiet Fischbeker Heide zugeschlagen. Quasi als Außenstelle des Schutzgebiets. Denn der historische Ort liegt jenseits des Falkenbergswegs am westlichen Rand der Neugrabener Heide.
Das Ziel lautet: Entwicklung der Fläche als wertvolles Biotop
Die Umweltbehörde werde dort Natur- und Artenschutzmaßnahmen vornehmen, kündigt Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) an: „Wir ermöglichen damit auch wichtige Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe, die mit der Inanspruchnahme von Lebensräumen für unsere Tiere und Pflanzen verbunden sind. Das Sondervermögen Naturschutz, das für Ausgleichsmaßnahmen bei Eingriffen zuständig ist, sorgt für eine beschleunigte Realisierung von Naturschutzmaßnahmen und kümmert sich um den Erhalt und die Pflege der Flächen.“
Das Ziel lautet: Entwicklung der Fläche als wertvolles Biotop mit historischen Informationen zum Gedenken an die Lagerinsassinnen. Selbst der historische Lehrpfad kann wohl aus Naturschutzmitteln finanziert werden. So steht es zumindest im Gedenkstättenkonzept der Stadt, welches im September vom Senat beschlossen wurde. Anvisiert sind Mittel aus dem Programm „Natürlich Hamburg! Die artenreiche Stadt“, finanziert vom Bundesamt für Naturschutz.
Schüler des Gymnasiums Süderelbe arbeiten an Projekten zum KZ-Außenlager
Der Lehrpfad werde durch die engagierten Neugrabener Akteure erarbeitet, sagt Iris Groschek, Sprecherin der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte (SHGL). Die Stiftung hat das Gedenkstättenkonzept erstellt.
In Neugraben arbeiten seit Jahren Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Süderelbe aus dem Profil „Sprache und Kultur“ an Projekten zur Erinnerung an das KZ-Außenlager Neugraben, in Kooperation mit dem Kulturhaus und der Geschichtswerkstatt Süderelbe.
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Den größten Verdienst an der Tatsache, dass das Außenlager nicht in Vergessenheit geraten ist, hat jedoch der im September verstorbene Karl-Heinz – kurz Heiner – Schultz. Er ist Mitgründer der Initiative Gedenken in Harburg. Die schreibt im Nachruf: „Mit ihm verlieren wir einen guten Freund und ein engagiertes Mitglied im Kampf gegen das Vergessen der Verbrechen der Nazizeit.“
KZ-Außenlager: Heiner Schultz hat Kontakt mit 47 Überlebenden aufgenommen
Angeregt durch einen Besuch in der Gedenkstätte Neuengamme forschte Schultz seit den 1980er-Jahren über das Außenlager am Falkenbergsweg, über die Lebensbedingungen der jüdischen Frauen und deren Schicksale. Er fand im Laufe der Zeit 47 Überlebende in den USA, in Tschechien und Israel, nahm Kontakt auf und pflegte diese Kontakte auch mit den Nachkommen. Die langfristige Sicherung der Relikte des Lagers sowie die Erarbeitung der Texttafeln für den Gedenkpfad kann Heiner Schultz nun nicht mehr erleben.
„Mit dem Flächenankauf kann nun auf dem Gelände des ehemaligen Frauenaußenlagers in Neugraben an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnert werden“, sagt Kultursenator Carsten Brosda. „Wir brauchen diese Orte des Erinnerns, die deutlich machen, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus mitten unter uns stattgefunden haben. Diese Orte ermahnen uns, Faschismus und Unterdrückung nie wieder zuzulassen.“