Harburg. Bundesweit wird am 9. November an die organisierte Judenverfolgung erinnert. Warum in Harburg der 10. November gewählt wurde.
Vom neunten auf den zehnten November 1938 erreichten Judenhass und -verfolgung ihren vorläufigen Höhepunkt. Auch in Harburg entlädt sich die antisemitische Hetze, jedoch einen Tag später: Am 10. November 1938 verwüsten Verbände der SA die Synagoge, schleppen jüdische Kultgegenstände auf den Marktplatz Sand und verbrennen sie dort. Sie schlagen die Schaufenster zahlreicher Geschäfte ein, setzen die Leichenhalle auf dem jüdischen Friedhof in Brand. Dort beginnt am Freitag, 17 Uhr, die offizielle Gedenkveranstaltung des Bezirks.
Um 17 Uhr versammeln sich die Harburger am alten jüdischen Friedhof neben dem Schwarzenbergplatz. Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen wird das Wort ergreifen, ebenso der Vorsitzende der Bezirksversammlung Jürgen Heimath und Pastor Hanno Billerbeck von der kirchlichen Gedenkstättenarbeit am ehemaligen KZ Neuengamme. Anschließend gehen die Teilnehmer in einem Schweigemarsch hinunter zum ehemaligen Standort der Synagoge. Dort werden Gewerkschaftler Wolfgang Brandt (DGB) und Klaus Barnick, Sprecher der Initiative Gedenken, Reden halten. Sie hat die Harburger Gedenktage 2023 organisiert.
Harburg gedenkt an zahlreichen Orten der Judenverfolgung
Fast täglich wird im November in Harburg an die grausame Zeit erinnert, oft mit aktuellem Bezug. Am Sonnabend startet die Sauerkrautfabrik eine Exkursion zur Euthanasie-Gedenkstätte Lüneburg (Anmeldefrist abgelaufen). Am Sonntag zeigt die Kulturkneipe Zur Stumpfen Ecke um 17 Uhr den Film „Komm und sieh“ (Rieckhoffstraße 14, ab 18 Jahren). Er erzählt von Florja, einem weißrussischen Jungen, der sich 1943 einer Partisanengruppe anschließt. Ein bedrückender Film, der physische und psychische Gewalt zeigt.
Ein weiterer Film, „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014) leitet am 14. November die zweite Hälfte der Gedenkwochen ein: Der junge Staatsanwalt Johann Radmann ermittelt zu Zeiten des Wirtschaftswunders gegen Auschwitz-Verbrecher. „Nazi-Ideologie nach 1945 – und auch heute?“, lautet der Titel des Filmabends mit anschließender Diskussion. Frage: Wirkt die Tatsache, dass in der Nachkriegszeit viele Nazis hohe Posten bekleidet haben, bis heute nach? Veranstalter sind die Initiative Omas gegen Rechts und die Kino AG der Technischen Universität Hamburg (Beginn 19 Uhr, Audimax 1, Schwarzenberg Campus 3).
Die Widerstandskämpfer von Harburg und Wilhelmsburg
Über Widerstandskämpfer und Verfolgung in Harburg und Wilhelmsburg handelt das Buch „die anderen“. Es fasst Zeugnisse und Berichte aus der Zeit 1933 bis 1945 zusammen. Ivar Lethi, Fraktionsgeschäftsführer der Harburger Linken, liest am 15. November, 18 Uhr, aus dem Werk der antifaschistischen Geschichte des Hamburger Südens in der Bücherhalle Neugraben, Neugrabener Markt 7.
Auch an der Goethe-Schule wird gelesen: Am 16. November (15 Uhr, Eingang Bennigsenstraße 7) geht es um eine Kindheit im Nationalsozialismus. Zeitzeuge Claus Günther, 1931 geboren, wohnte bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten an der Eißendorfer Straße. Er berichtet über seine Kindheitserlebnisse.
Erinnerungen an das Kriegsende in Harburg im kalten Röhrenbunker
Über das Kriegsende in Harburg wird am 19. November an einem authentischen Ort erinnert: Die Geschichtswerkstatt lädt um 11 Uhr zu einer Lesung im Röhrenbunker im Binnenhafen, Kanalplatz 14, ein. Da es in dem 1940 gebauten Bunker sehr eng ist, bittet der Veranstalter um Anmeldung unter info@geschichtswerkstatt-harburg.de. Und: Bitte warm anziehen.
Eine weitere Zeitzeugin kommt am 21. November, 19 Uhr, an einem Film- und Diskussionsabend im Kultur Palast Harburg (Rieckhoffstraße 12) zu Wort: Antje Kosemund und ihre elf Geschwister erlebten als Kinder Gestapo Razzien in ihrer Familie; ihr Vater war in einer Hamburger Widerstandsgruppe aktiv. Tochter Irma wurde der Familie namens Sperling entrissen, in die Alsterdorfer Anstalten gebracht und von dort in die Euthanasie-Tötungsanstalt Wien-Spiegelgrund deportiert. Der Film „Sperlingskinder: Faschismus und Nachkrieg“ zeichnet Irmas Schicksal nach und beschreibt Antje Kosemunds Spurensuche nach Ihrer Schwester. Kosemund engagiert sich zeitlebens gegen das Vergessen vor allem von Euthanasieopfern.
Sauerkrautfabrik lädt zum „Antifaschistischen Rundgang“ durch Heimfeld
Der Dokumentarfilm „Nacht und Nebel“ zeigt der Verein „Hamburg erinnert“ am 22. November im Stadtteilkulturzentrum „Alles wird schön“. Der 1955 gedrehte halbstündige Film handelt von der „Parole Nacht und Nebel“, nach der alle in Konzentrationslagern internierte Systemgegner innerhalb von drei Monaten umzubringen und spurlos zu beseitigen waren. Beginn 19 Uhr, Friedrich-Naumann-Straße 27.
Am 25. November lädt die Sauerkrautfabrik um 13 Uhr zu einem „Antifaschistischen Rundgang“ durch Heimfeld ein. Die Teilnehmer begeben sich auf die Spuren des Widerstands, der Verfolgung und des Gedenkens in Harburg. Treff- und Endpunkt ist die St. Pauluskirche in Heimfeld.
„Die Legende der jüdischen Weltverschwörung“ lautet ein Vortrag von Michael Hagemeister am 27. November am Friedrich-Ebert-Gymnasium (18 Uhr, Pausenmehrzweckhalle, Zugang vom Petersweg 2). Der Historiker arbeitet zu den „Protokollen der Weisen von Zion“, eine anonyme Schrift, die von Antisemiten benutzt wurde, um „die Juden“ zu bezichtigen, nach der Weltherrschaft zu streben.
Film im Harburger Cinemaxx: „Why should I care?“ – Wilhelmsburger treffen israelische Jugendliche
Auch das Cinemaxx Harburg beteiligt sich an den Gedenkwochen. Am 29. November zeigt es den Film „Why should I care? Der erste und zweite Akt“: In Tel Aviv geraten Jugendliche aus Sderot und Hamburg-Wilhelmsburhg auf der Bühne aneinander und stellen sich gegenseitig die Frage: Was geht mich eure Geschichte an? (19 Uhr, Moorstraße 1, Eintritt: 5 Euro).
Den Schlusspunkt setzt die aktuell ins Programm genommene Veranstaltung „Was tun gegen Antisemitismus in Harburg?“ Von 18.30 bis 20 Uhr wird am 30. November im JoLa (Johannisland 2-4) darüber diskutiert werden. Die Veranstalter bitten um Anmeldung unter https://forms.office.com/e/dskgbZqHaQ. Zudem gibt bis Ende des Monats Sonderaktionen der Bücherhallen Harburg und Neugraben. Diese und weitere Details zu den Veranstaltungen sind unter gedenken-in-harburg.de nachzulesen.