Hamburg. Das Gedenken an Millionen Menschen, die in den KZ ermordet worden sind, bewegen. Und wir Nachkommen der Mörder sind in der Pflicht.
Der Leiden der vielen Millionen Menschen, die in den Konzentrationslagern ermordet worden sind, wird Jahr für Jahr auch in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme gedacht. Allein dort brachten die Nationalsozialisten 55.000 Menschen um. Mich bewegen diese Gedenkfeiern sehr. Allein das Betreten des weitläufigen Geländes am Jean-Dolidier-Weg, auf dem sich vor 80 Jahren Unfassbares ereignet hat, ist beklemmend.
Am Volkstrauertag am 19. November wurde in Neuengamme zuletzt der Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Zu diesen zentralen Gedenkfeiern der Hansestadt erscheinen auch hochkarätige Mitglieder von Senat und Bürgerschaft. Erneut sprach Carola Veit (SPD), Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, in der Gedenkstätte klare Worte: „Alle anständigen Deutschen sollten sich auch 80 Jahre danach noch schämen.“ Richtig. Denn 80 Jahre sind nichts. Die Massenmorde waren gestern. Wir Nachkommen der Mörder haben die moralische Pflicht, das Andenken an die vielen Opfer zu ehren. Gerade in Zeiten, in denen Juden auch in Deutschland (wieder) Hass, Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt sind, bedarf es einer klaren Abgrenzug nach extrem Rechts.
Wir Deutschen haben Grund, uns zu schämen
„Der Schoß ist noch fruchtbar“, sagte Carola Veit. Denn Antisemitismus ist auch nach Kriegsende nie ganz aus Deutschland verschwunden. Das macht sich spätestens dann bemerkbar, wenn sich die rechtsextremen Angriffe auf Gedenkstätten –Vandalismus, Schmierereien, Angriffe im Internet – häufen, so wie es leider in diesem Jahr der Fall war. Rechtsradikale filmten die Gedenkstätte vom Jean-Dolidier-Weg aus, um die Aufnahmen für Nazi-Propaganda im Internet zu missbrauchen.
„Rechte Diskurse sind gesellschaftsfähiger geworden. Die Menschen trauen sich, Sachen zu sagen und zu tun, die vor einigen Jahren stärker geächtet worden wären“, sagte Prof. Dr. Oliver von Wrochem, Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte und Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, am Volkstrauertag gegenüber unserer Zeitung.
Die Reichen besitzen 67,3 Prozent des Gesamtvermögens
Die Gesellschaft müsse sich diesem Trend entgegenstellen „und zeigen, dass sie wehrhaft ist“, betonte von Wrochem. Dazu gehöre etwa auch, dass einer starken AfD weiterhin von den anderen Parteien die Zusammenarbeit verweigert wird, „auch wenn sie wie in Thüringen möglicherweise um die 35 Prozent holt“, betonte der renommierte Historiker. Darauf sei in Zeiten, in denen die AfD auf kommunaler Ebene geduldet wird, besonders genau zu achten.
Ihn erstaune es, dass viele Menschen bereit sind, AfD zu wählen, „obwohl diese Partei zumindest in Teilen rechtsextrem ist“. Auch mich erstaunt das. Wieso glauben viele Menschen, dass in Deutschland lebende Ausländer ein Problem sind? Erst vor einigen Wochen hörte ich einen Gast am Nachbartisch in einem Restaurant in den Marschlanden darüber wettern, dass die Flüchtlinge zu viel Geld bekämen.
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Aber die Flüchtlinge sind nicht das Problem. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander, weil ein sehr, sehr kleiner Anteil der Bevölkerung immer mehr Geld hat und sehr viele Menschen immer weniger. Laut Oxfam, eines internationalen Verbundes verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, besitzen 50 Prozent der deutschen Bevölkerung gerade einmal 1,3 Prozent des deutschen Gesamtvermögens.
Die reichsten zehn Prozent besitzen hingegen 67,3 Prozent. Und: Die Superreichen (0,1 Prozent) besitzen 20,4 Prozent des gesamtdeutschen Vermögens. Vielleicht finden die Rechtssympathisanten und AfD-Wähler zwischen den Jahren ja die Zeit, darüber einmal in Ruhe nachzudenken.