Neugraben. Karl-Heinz „Heiner“ Schultz hat in seinem Leben viel bewegt. Bekannt wurde er als Mahner an das Gedenken an NS-Opfer. Ein Nachruf
Dass es in Neugraben eine Erinnerungskultur und ein Gedenken an das ehemalige KZ-Außenlager am Falkenbergsweg gibt, ist Karl-Heinz „Heiner“ Schultz zu verdanken. Der Neugrabener hat sich um seinen Stadtteil und den Bezirk auch in vielen anderen Bereichen verdient gemacht. Jetzt ist Heiner Schultz im Alter von 89 Jahren gestorben.
Schultz, der in den 1940er-Jahren am Falkenbergsweg aufgewachsen war, wollte nicht vergessen.
Er war Schuhmacher, Schlosser, Sozialpädagoge. Vor allem aber ist Heiner Schultz als derjenige bekannt geworden, der die Neugrabener daran erinnerte, dass es am Falkenbergsweg einst ein Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme gegeben hatte. Längst nicht alle wollten daran erinnert werden, sondern diesen dunklen Fleck in der Geschichte des Stadtteils lieber in Vergessenheit geraten lassen. Schultz, der in den 1940er-Jahren am Falkenbergsweg aufgewachsen war, wollte nicht vergessen. Mehr noch: Heiner Schultz wollte das Gedenken auch in den Generationen bewahren, die das Grauen selbst nicht mehr miterlebt oder gar mitgemacht hatten. Für seine Gedenkarbeit mit Schülern des Gymnasiums Süderelbe und als Mitbegründer der Initiative „Gedenken in Harburg“ sowie Vorkämpfer für die Gedenkstätte Neuengamme wurde er vom Senat ausgezeichnet. Das Gymnasium erhielt für Projekte mit Heiner Schultz zweimal den Bertini-Preis.
Heiner Schultz wurde 1934 geboren und wuchs in der Falkenbergsiedlung auf. Er lernte den Beruf des Orthopädieschuhmachers, doch deren Arbeit wurde später knapp. Also sattelte er um, wurde zunächst Rohrschlosser, später Schiffbauer. In den 1970er-Jahren orientierte er sich noch einmal um: Er wechselte in die Jugendarbeit, wurde Leiter des Hauses der Jugend Neugraben. Später leitete er einen Kindergarten.
Einige der Überlebenden wurden regelmäßige Gäste bei Gedenktagen in Neugraben
Bei der Arbeit mit den Jugendlichen fiel ihm auf, dass das Bewusstsein für die Gräueltaten der Nazizeit zu schwinden begann. „Da habe ich gemerkt, dass es Zeit war, etwas für das Gedenken zu tun“, sagte er einmal in einem Gespräch mit dem Abendblatt.
Neben seinem Engagement in der Initiative „Gedenken in Harburg“ und dem „Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Neuengamme“ begann Schultz seine Projekte mit Neugrabener Jugendlichen. Zusammen mit Schülern des Gymnasiums machte er über 500 Zwangsarbeiterinnen ausfindig, die im Neugrabener Lager eingesperrt waren. Einige dieser Überlebenden wurden regelmäßige Gäste bei Gedenktagen in Neugraben, bis sie starben. Andere lehnten es ab, noch einmal hierher zurückzukommen.
Heiner Schultz hat nicht nur Vergangenheit aufgearbeitet, sondern auch Gegenwart gestaltet
Stets an Heiner Schultz‘ Seite bei diesen Projekten war seine Ehefrau Karin. Auch die gelernte Krankenschwester hatte schon als Kind Kenntnis der Gräueltaten, von denen hinterher viele überhaupt nichts gewusst haben wollten. Willkommen war die Gedenkarbeit der Schultz‘ nicht jedem: Mehrmals wurde der Gedenkstein am ehemaligen Barackenlager beschmiert oder beschädigt.
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Außer für das Gedenken an die schlimme Zeit war Heiner Schultz auch an der Gestaltung der Gegenwart aktiv, und zwar in der SPD. Er gehörte dem Harburger Kreisvorstand und dem Fischbeker Distriktsvorstand an und er war Deputierter in der Schulbehörde. Auch in der Arbeiterwohlfahrt war Schultz ein Aktivposten. Es gab kaum eine Ausfahrt, einen Umbüdelabend oder Vortrag, den er nicht mit organisiert hätte.
In den letzten Monaten begann es, Schultz nicht mehr gutzugehen. Er gab bereits Aufgaben ab. Am 25. September verstarb er, 89-jährig. Kurz zuvor war er Urgroßvater geworden.