Harburg. Veranstaltungen erinnern an Nazi-Terror und junge Widerstandskämpfer. Spaziergang am 9. November will Heimfeld zum Leuchten bringen.
- Bei den Reichspogromen im November 1938 wurden mehrere Hundert Juden im damaligen Dritten Reich ermordet, viele nahmen sich das Leben
- Geschäfte jüdischer Kaufleute wurden geplündert, Synagogen angezündet
- Eine Veranstaltungsreihe widmet sich den vielen Verbrechen, die im November 1938 in Harburg begangen wurden
Seit 1998 gedenken Harburger Bürger rund um das Datum der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 der Verfolgung und Vernichtung von jüdischen Mitbürgern in Harburg und darüber hinaus. Längst nimmt der Veranstaltungsreigen den gesamten Monat ein. Und erhält in diesem Jahr – durch den Überfall der Hamas auf Israel – grausame Aktualität.
„Erinnern für die Zukunft“ heißt das Motto der Harburger Gedenktage. Die Zukunft ist jetzt. 23 Veranstaltungen umfasst das diesjährige Programm. Es wird organisiert von der „Initiative Gedenken in Harburg“, die gerade im September für ihre ehrenamtliche Arbeit von der Bezirksversammlung und dem Bezirksamt mit dem Harburg-Teller ausgezeichnet wurde. „Wir sind ein kleiner Haufen Leute mit um die zehn Aktiven“, sagt Initiativen-Sprecher Klaus Barnick.
Holocaust in Harburg: Wie ein 16-Jähriger im Untergrund gegen Hitler kämpfte
Zum Auftakt der Gedenktage wird es am Mittwoch, 1. November, musikalisch: Nach einem Grußwort des stellvertretenden Bezirksamtsleiters Dierk Trispel wird die Klezmer Band Mischpoke die Fischhalle Harburg rocken (19 Uhr, Kanalplatz 16). Die Festmusik, welche einst in den jüdischen Gemeinschaften Osteuropas gespielt wurde, wird durch kurze Blöcke unterbrochen, in denen das Programm der Gedenktage vorgestellt wird.
Die große Rolle des Internets bei der Vernetzung von Rechtsextremisten und deren Struktur ist Thema eines Vortrags mit anschließender Diskussion am 2. November (Donnerstag). Sie startet um 18 Uhr und findet – passend zum Thema – online statt. Veranstalter ist der Arbeitskreis gegen Rechts der SPD Hamburg. Er bittet um Anmeldung unter janwillem@vandeloo-online.eu.
Judenverfolgung in Harburg: Kampf gegen Rechts, Rundgang zu Stolpersteinen
Auch der Vortrag am 3. November befasst sich mit dem Kampf gegen Rechts, aus politisch linker Perspektive: Um 19 Uhr geht es in der Sauerkrautfabrik (Kleiner Schippsee 22) um die Geschichte der antifaschistischen Bewegung (Antifa). Der Vortrag wendet sich explizit „an Neulinge und Interessierte“.
Einen Rundgang zu Gedenkorten mit Stolpersteinen für Harburger Opfer des Nationalsozialismus startet die Initiative Gedenken am 5. November (Sonntag). Er beginnt um 15 Uhr vor dem Harburger Rathaus und wird etwa 45 Minuten dauern.
Am 6. November (Montag, 19 Uhr) zeigt das JoLa im Kulturhaus Süderelbe (Am Johannisland 2, Neugraben) den Dokumentarfilm „Vier gegen Hitler – auf den Spuren der Helmuth-Hübener-Gruppe“. Das Quartett hörte in der Nazizeit ausländische Radiosender ab und verteilte Flugblätter in verschiedenen Stadtteilen. Hübener wurde 1942 als 17-Jähriger zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Reden am jüdischen Friedhof mit anschließendem Schweigemarsch
Den Höhepunkt des Gedenkmonats bilden nach wie vor die Veranstaltungen rund um die Reichspogromnacht am 9. auf den 10. November 1938. Am 9. November (Donnerstag) startet ein Spaziergang entlang von Heimfelder Stolpersteinen unter dem Motto „Heimfeld leuchtet“. Die Teilnehmenden werden gebeten, Laternen oder andere Lichter mitzubringen. Treffpunkt ist um 18 Uhr die Pauluskirche an der S-Bahn-Station Heimfeld. Dort wird der Spaziergang um 19 Uhr übergehen in ein Konzert in der Kirche.
Zeitgleich mit dem Konzert stellt ein Schülerteam vom Gymnasium Süderelbe im JoLa/Kulturhaus Süderelbe seine Projektarbeiten zum KZ-Außenlager und zum Lager für italienische Militärinternierte vor; beide lagen am Falkenbergsweg.
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Die zentrale Gedenkveranstaltung wird am 10. November (Fr., 17 Uhr) am jüdischen Friedhof auf dem Schwarzenberg starten. Sophie Fredenhagen (Bezirksamtsleiterin), Jürgen Heimath (Vorsitzender der Bezirksversammlung), ein Vertreter des Kirchenkreises Hamburg-Ost und Klaus Barnick werden zur Erinnerung an die in der Reichskristallnacht wütende Hetze, die gewalttätigen Angriffe auf Juden und die Zerstörung ihrer Geschäfte und Synagogen sprechen. Im Anschluss geht es in einem Schweigemarsch zum Standort der ehemaligen Synagoge an der Eißendorfer Straße/Ecke Knoopstraße.
Preisgekrönte Schüler präsentieren Hörcollage über Holocaust-Überlebende
Schülerinnen und Schüler des Friedrich-Ebert-Gymnasium (FEG) in Heimfeld dokumentieren seit 2016 die Erzählungen der Holocaust-Überlebenden Marione Ingram. Sie war durch die Bombenangriffe auf Hamburg (Operation Gomorrha) der Deportation entkommen. Am 7. November (Dienstag) präsentiert das FEG eine neue, mit Bildern unterlegte Hörcollage, an der die Musikerin Stelle Jürgensen mitgewirkt hat: um 18 Uhr in der Pausenmehrzweckhalle, Zugang Petersweg 2.
Der Albert-Schäfer-Saal ist der größte Konferenzraum der Handelskammer Hamburg. Doch war der Harburger Unternehmer tatsächlich ein ehrbarer Kaufmann? Diese Frage wird am 8. November (Mittwoch, 18 Uhr) in der Elisabeth-Lange-Schule, Ehestorfer Weg 14, diskutiert. Der promovierte Historiker Sebastian Justke, Mitarbeiter des Staatsarchivs Hamburg, berichtet über seine Forschung zum Wirken des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Phoenix-Gummiwerke in der Zeit von 1933 bis 1956.
Krieg in Nahost: Bislang wurden Gedenktage ohne politische Störfeuer abgehalten
Bedenken, dass die Veranstaltung womöglich gestört werden könnte, hat Mitorganisator Klaus Barnick nicht. „Bislang hatten wir noch nie Probleme gehabt, obwohl meine und andere Kontaktdaten, etwa zu den Veranstaltungen, an vielen Stellen veröffentlicht sind. Wir wollen dennoch Kontakt mit der Polizei aufnehmen. Schließlich haben wir ohnehin einige Polizisten vor Ort, die den Verkehr sichern. Möglicherweise wird die Polizeipräsenz etwas verstärkt.“
Am Wochenende 11./12. November startet die Sauerkrautfabrik am Sonnabend eine Exkursion zur Euthanasie-Gedenkstätte Lüneburg (Anmeldefrist bereits abgelaufen). Am Sonntag zeigt die Kulturkneipe Zur Stumpfen Ecke um 17 Uhr den Film „Komm und sieh“ (Rieckhoffstraße 14). Er erzählt von Florja, einem weißrussischen Jungen, der sich 1943 entgegen dem Flehen seiner Mutter einer Partisanengruppe anschließt. Zugang haben nur Zuschauer ab 18 Jahren, weil der mit deutschen Untertiteln unterlegte Film bedrückende Szenen physischer und psychischer Gewalt zeigt.
Gedenken an den Holocaust in Harburg: Auch die Omas gegen Rechts sind dabei
Am Dienstag, 14. November, laden die „Omas gegen rechts“ und die Kino AG der Technischen Universität ins Audimax 1 der TU am Schwarzenberg ein. Es geht um das Thema: „Nazi-Ideologie nach 1945 – und auch heute?“ Nähere Informationen zu dieser und den acht folgenden Veranstaltungen, zu den Sonderaktionen der Bücherhallen Harburg und Neugraben sowie zu den Gedenktagen und anderen Erinnerungsaktivitäten in Harburg finden sich auf der Website der Organisatoren unter gedenken-in-harburg.de.