Harburg. Erst fuhr Ramona Erich-Geerdts nur Gabelstapler. Heute ist die dreifache Mutter Herrin der Kräne im Harburger Binnenhafen.

  • Im Harburger Binnenhafen prägen zwei alte Hafenkräne das maritime Ambiente.
  • Sie stammen aus den Jahren 1960 und 1971.
  • Eine Hausfrau aus Mölln ist nun zur Spezialistin dieser Harburger Institution geworden.

Eigentlich ist sie Hausfrau und Mutter von drei Kindern. Doch in ihrer Freizeit wird Ramona Erich-Geerdts zur Kranführerin. Zusammen mit ihrem Mann Marcus betreut sie die beiden Kräne des Museumshafens Harburg (MuHaHar) am Lotsekai im Harburger Binnenhafen. „Ich interessiere mich für Technik, das habe ich aus meinem Elternhaus mitbekommen. Mein Vater hatte eine Kfz-Werkstatt“, sagt die 47-Jährige.

Zunächst machte Erich-Geerdts einen Gabelstapler-Führerschein. Als ihr Mann vor zehn Jahren eine Ausbildung zum Hafenlogistiker absolvierte, entdeckte das in Mölln lebende Paar die Welt des Hafens und war von ihr fasziniert. Ramona und Marcus engagierten sich – und engagieren sich bis heute – im Verein Hafenkultur, dem gemeinnützigen Förderverein des Hafenmuseums Hamburg am Hansahafen.

Bis 2006 war der Gelbe Kran im Binnenhafen für Schüttgüter wie Baustoffe, Salz und Getreide zuständig

„Eines Tages nahm Peter mich mal mit hinauf in einen Kran des Hafenmuseums. Ich war fasziniert von dem Ausblick und begann, mit ihm über die Krantechnik zu sprechen. Er fragte mich, ob ich Lust habe, mich zur Kranführerin ausbilden zu lassen.“ Sie willigte ein, bestand die theoretische und praktische Prüfungen, wurde Kranführerin.

Zwei Jahre später stolperten die beiden Möllner über die Harburger Kräne, die damals noch von der Kulturwerkstatt Harburg betrieben wurden: den Gelben Kran (Baujahr 1972) und den Blauen Kran (Baujahr 1960). Der gelbe gehörte einst der Firma Mulch, die bis zum März 2006, als ein Tornado den Hafen verwüstete, noch Schüttgüter wie Baustoffe, Salz und Getreide im Harburger Hafen umschlug. Der blaue wurde 2016 für die Kaisanierung abgebaut, selbst saniert und, frisch restauriert, 2019 am östliche Ende des Veritaskai wieder aufgebaut.

Der blaue ehemalige Werftkran steht neben dem Liegeplatz des Veranstaltungsschiffs „Koi“. Er ist nicht mehr funktionstüchtig.
Der blaue ehemalige Werftkran steht neben dem Liegeplatz des Veranstaltungsschiffs „Koi“. Er ist nicht mehr funktionstüchtig. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Eineinhalb Stunden dauert es, bis Ramona Ericht-Geerdts bei ihren Kränen ist

2018 kamen die Kräne unter die Fittiche des MuHaHar. Ramona Erich-Geerdts und Marcus Erich traten in den Harburger Verein ein, obwohl die Bahnfahrt von Mölln nach Harburg jedes Mal eineinhalb Stunden dauert. 2021 hat die Kranführerin zusätzlich die Lizenz zum Ausbilden erworben. „Wir brauchen einige Leute, die den Gelben Kran bedienen können“, sagt sie. „Durch Corona haben wir bis jetzt erst einen Ausbildungsgang machen können. Fünf Vereinsmitglieder haben dabei den Führerschein erworben.“

Im Moment beschränkt sich die Tätigkeit der ehrenamtlichen Kranführer auf Wartungs- und Pflegearbeiten. Der Blaue Kran ist zwar restauriert worden, aber nicht funktionsfähig. Ihm fehlt beispielsweise die gesamte Elektrik. 2019, vor der Pandemie, gab es das Angebot einer Firma, den Werftkran Typ Peiner W40 mobil zu machen. Doch inzwischen steht das nicht mehr zur Diskussion. „Der Verein kann es sich nicht leisten, einen zweiten Kran betriebsfähig zu halten“, sagt Erich-Geerdts, die auch Zweite Vorsitzende und Schriftführerin vom MuHaHar ist.

Faszination Harburger Binnenhafen: Auch Marcus Erich hat einen Kranführerschein

Blick ins Innere des Gelben Krans. Hier sind umfangreiche Reparaturarbeiten fällig.
Blick ins Innere des Gelben Krans. Hier sind umfangreiche Reparaturarbeiten fällig. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Der gelbe „Kulturkran“ macht Arbeit genug. Seit zwei Jahren darf er nichts Schweres mehr heben, nicht bewegt werden. „Er hat Zahnausfall“, sagt die Kranexpertin und meint damit ein defektes Zahnrad im Getriebe für den Ausleger. Trotz technischen Stillstands fällt in der „Kranwerkstatt“, zu der sich ehrenamtliche Helfer ein- bis zweimal im Monat treffen, genug Arbeit an. Die nächste findet im Rahmen des regelmäßigen Hafenarbeitstags am kommenden Sonnabend statt. Dieses Mal unter der Regie von Marcus Erich, der ebenfalls einen Kranführerschein hat.

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Regelmäßig wird der Gelbe Kran gewartet und abgeschmiert. „Ich drehe dann mal eine Runde, lasse das Seil rauf und runter“, sagt Marcus Erich. Gerade wurde ein zusätzliches Gitter installiert, zum Schutz von Besuchern an Besichtigungstagen. Langfristig soll der Gelbe wieder einsatzfähig gemacht werden, etwa um Kaffeesäcke vom Frachtsegler „Avontuur“ zu entladen oder beim Schwimmenden Nikolausmarkt den Sack voller Süßigkeiten an Land zu hieven.

Historische Hafenkräne: Die nächste Generation steht schon am Start

Allerdings ist eine umfangreiche Reparatur nötig, die einen sechsstelligen Betrag verschlingen wird. Das Geld steht zur Verfügung, dank Unterstützung des Denkmalamts, des Bezirks und des Einsatzes des SPD-Bundestagsabgeordneten Metin Hakverdi. „Aber die Arbeiten müssen aufgrund ihres Umfangs EU-weit ausgeschrieben werden, und dafür müssen wir erst einmal einen Projektmanager beauftragen“, sagt Erich-Geerdts.

Ramona Erich-Geerdts und Marcus Erich posieren am Lotsekai mit ihren Söhnen John (12) und Jamie (6) vor dem Gelben und (im Hintergrund) Blauen Kran.
Ramona Erich-Geerdts und Marcus Erich posieren am Lotsekai mit ihren Söhnen John (12) und Jamie (6) vor dem Gelben und (im Hintergrund) Blauen Kran. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Als sie für das Abendblatt-Foto den Gelben Kran besteigt, wollen die Söhne John und Jamie unbedingt mit nach oben kommen. Sie sind bereits von ihren Eltern infiziert. „Wenn wir einen arbeitenden Kran sehen, unter dem jemand ohne Schutzhelm steht, sagen sie sofort: Der muss einen Helm tragen“, erzählt die Kranführerin und freut sich offensichtlich über die Begeisterung des Nachwuchses. Nur Tochter Josephine (10) ist noch etwas zurückhaltend.

Ramona Erich-Geerdts schaut aus dem Führerhaus des Gelben Krans auf den Museumshafen, auf die im Lotsekanal liegenden Segel- und Motorschiffe: „Bei Schiffen bin ich überfragt“, sagt sie. „Aber mit Kranen kenne ich mich aus.“