Anastasia sitzt im Rollstuhl - ein behindertes Mädchen, das von einem netten Jungen träumt. Ganz normal

Schule Tegelweg. Ich bin 15, und ich sitze im Rollstuhl, denn ich leide an Muskelatrophie, einer fortschreitenden Muskelerkrankung. Trotzdem dachte ich früher, jeder muss mich akzeptieren, und jeder tut es auch. Doch seit ungefähr einem Jahr ist mir klar, dass das längst nicht so ist.

Vor allem im Internet habe ich negative Erfahrungen gesammelt. In den Chat-Rooms ist das ein besonderes Problem mit der Behinderung. Am Anfang läuft alles gut, sogar perfekt. Also müssen die Leute schon irgendwie nett sein, wenn sie nicht zu aufdringlich sind, denke ich immer.

Wenn die Gespräche immer intimer werden, kriege ich ein komisches Gefühl im Bauch, denn ich weiß, dass der "nette" Junge bald erfahren muss, was ich wirklich bin: ein normal-behindertes Mädchen. Verheimlichen kann ich das ja wohl schlecht, weil er das sowieso spätestens beim Date sieht und erfährt.

Irgendwann ist das grässliche Wort "Rollstuhl" dann raus, und mir bleibt nichts, als ungeduldig auf die Reaktion zu warten . Keiner hat bis jetzt so richtig klar gesagt: "Mit dir will ich nichts mehr zu tun haben." Aber spüren ließen sie mich das schon.

Der eine wollte sich zum Beispiel mit mir zu Hause treffen, weil er sich mit einer Rollstuhlfahrerin nicht auf der Straße blicken lassen mochte. Ein paar andere haben locker reagiert, und wir tauschten Handynummern aus. Ich dachte, es sei ernst gemeint und freute mich riesig, aber diese Typen meldeten sich einfach nie wieder.

Irgendwann hatte ich es satt mit den ganzen Enttäuschungen und habe mir was ausgedacht: Ich hab nie wieder das Wort "Rollstuhl" im Chat erwähnt, sondern einfach nur "Muskelatrophie". Das hat alle sogar noch mehr neugierig gemacht, und der Kontakt hielt länger. Doch nicht ewig, denn immer wieder kam es zu vertrauten Gesprächen, und der Junge erzählte mir alles. Und ich dann auch - und wieder ging alles von vorne los.

Obwohl ich alles sehr eigenartig finde. Am Telefon halten sie mich für intelligent und frech. Aber plötzlich bin ich dann Luft für sie. Das tut weh!

Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, gucken mich viele an, suchen Blickkontakt. Manchmal sind das Jungs in meinem Alter. Ich finde es schade, dass sie meist zu schüchtern sind, um mich anzusprechen. Ich selber bin auch zu unsicher. Wenn ich aber von Freunden jemandem vorgestellt werde, dann akzeptieren mich die Jungs eher.

Über Mädchen habe ich nicht so viel zu berichten. Meine Efahrung: Die beste Freundin muss man nicht suchen, sie kommt irgendwann von alleine.

Vielleicht ist es bei der großen Liebe ja auch so?

"Am Telefon halten mich alle für intelligent und frech. Aber plötzlich bin ich dann Luft für sie."