Bankgeheimnisse
Bänke sind nicht einfach nur Sitzmöbel. Sie laden ein zum Entspannen und Nachdenken. Priester, Politiker, Schauspieler, Moderatoren - bekannte Hamburger zeigen uns ihre Favoriten, berichten, was ihnen dort durch den Kopf geht. Der Journalist Günter Fink hat die Gespräche aufgezeichnet. Heute: Bettina Tietjen.
Meine Bank liegt im Süden, jenseits der Elbe. Und doch ist sie ganz nah dran am Herzen der Stadt. Ich liebe dieses Fleckchen, denn wenn ich dort sitze, habe ich alles im Blick.
Schon die Anreise ist jedes Mal ein Erlebnis. Es gibt drei Möglichkeiten, ans andere Ufer zu kommen: Man kann den Fluß per Schiff überqueren. Man kann ihn zu Fuß unterwandern. Oder lässig hinterm Steuer überbrücken. Selbstverständlich entscheide ich mich immer wieder für letzteres, obwohl diese Variante die bei weitem komplizierteste ist. Wer sich nämlich nicht wirklich gut auskennt im Labyrinth des Hamburger Freihafens, verfährt sich. Doch für mich gibt es nichts Aufregenderes, als inmitten von Brücken, Containerstapeln, Kränen, Schrotthaufen und qualmenden Schornsteinen vom Wege abzukommen. "Können Sie mir sagen, wie ich zum Alten Elbtunnel komme?" schreie ich eiligen Lkw-Fahrern zu, die hupen, mir den Vogel zeigen, und mich links liegen lassen. Es kommt vor, daß ich auf meiner vergnügt-verzweifelten Suche (ist der Weg nicht das Ziel?) mehrfach die Köhlbrandbrücke überquere - atemberaubender kann doch eine Irrfahrt gar nicht sein.
Endstation Sehnsucht: eine schlichte Holzbank in Steinwerder, nur wenige Schritte vom Alten Elbtunnel entfernt. Zwischen Bank und Fluß nur eine Mauer, bemalt mit Graffiti. "Entledige dich, millionenfach gehäutete Seele, all deiner Wünsche", hat da jemand bedeutungsschwanger hingepinselt. Bestimmt war er inspiriert von dem, was er sah. Genau wie ich, wenn ich mich endlich niederlasse, erschöpft, aber glücklich. Ein Bild von einer Stadt. Direkt gegenüber ist das Hotel Hafen Hamburg, meine zweite Heimat, Sie wissen schon. Immer wieder Freitags sitze ich dort zusammen mit meiner Kollegin Eva Herman und netten Gästen in gesprächiger Runde.
Zu Füßen des Hotels liegen die Landungsbrücken mit ihren historischen kupfergrünen Kuppeln, daneben ragen Bismarck-Denkmal, Michel, Nikolaikirche und Fernsehturm dekorativ zwischen den Häusern empor. Ganz vorn ist ein grüner Fleck: Hamburgs einziger Weinberg am Stintfang. Geheimtip oder Chateau Migräne? Die Weinprobe steht noch aus . . . Linksaußen ein Stück bunte Vergangenheit, die Hafenstraße.
Ganz rechts hat die Zukunft schon begonnen: Kehrwiederspitze, Kaispeicher, HafenCity. Was für eine Skyline wird das sein, wenn erst das Luftschloß Philharmonie über allem thront! Besonders romantisch ist es auf meiner Bank, wenn die Sonne tiefer steht. "Cap San Diego" und "Rickmer Rickmers" leuchten dann im Abendlicht.
Und all die Boote, die vollbeladen mit Touristen über die Elbe flitzen. Blau-weiße, rote, grüne und viele gelbe mit der Aufschrift "König der Löwen". Denn nur einen Steinwurf entfernt von mir steht das Musicaltheater, das abends die Menschen in Massen über die Elbe lockt. Tagsüber verirren sich nicht viele hierher. Ein paar Insider, ein paar Schaulustige. Manchmal setzt sich auch jemand zu mir auf die Bank. So wie neulich Ragnar und Rüdiger, zwei gutgelaunte Zimmermänner aus Ottensen. Wir kamen ins Gespräch. Die beiden wollen ganz groß ins Hausboot-Geschäft einsteigen und waren auf Suche nach idealen Liegeplätzen. Steinwerder wäre ein idealer Ort, um vor Anker zu gehen, sagte ich. Sie wollen drüber nachdenken.