Neue Serie: Der Vorstandssprecher der Vereins- und Westbank zeigt seinen Lieblingsplatz in Hamburg
Bänke sind nicht einfach nur Sitzmöbel. Sie laden ein zum Entspannen und Nachdenken. Priester und Politiker, Manager und Moderatoren - bekannte Hamburger zeigen uns ihre Favoriten, berichten, was ihnen dort durch den Kopf geht. Der Journalist Günter Fink hat die Gespräche geführt und aufgezeichnet. Maria von Welser, NDR-Landesfunkhausdirektorin, verrät ihr Bankgeheimnis ebenso wie Thalia-Intendant Ulrich Khuon oder Hauptpastor Ferdinand Ahuis.
"Einen Banker nach seiner Lieblingsbank zu fragen provoziert eine Antwort, die sich auf die ,eigene Bank' bezieht. Und natürlich war auch ich versucht, die Vereins- und Westbank und meine Aufgabe in diesem Haus aufzugreifen. Doch dann schoß es mir durch den Kopf: Neben dieser Bank, die mein berufliches Leben bestimmt, gibt es hier tatsächlich noch eine andere Bank, der ich mich verbunden fühle: Es ist die Bank auf dem Geestrücken über den St.-Pauli-Landungsbrücken. Mich hat an dieser Bank die idyllische Lage mitten in der Großstadt fasziniert: Während unter einem Schiffe seewärts ziehen, Touristen den Hafen bestaunen und in den Docks von Blohm + Voss die maritime Tradition der Stadt fortgeschrieben wird; während hinter einem im Tropenkrankenhaus um den medizinischen Fortschritt gerungen wird und die Reeperbahn mit ihren Verlockungen nur wenige Schritte entfernt ist, sitzt man ruhig unter alten Bäumen und genießt die herbstliche Sonne. Von der Elbe meint man ein wenig frische Seeluft zu spüren, und es fällt leicht, die Gedanken ziehen zu lassen. Auch wenn sich der Hafen zu einem modernen Dienstleistungszentrum entwickelt hat und Reisen selbstverständlich geworden sind: An dieser Stelle erinnert man sich gern an die Bücher, die einen vor vielen Jahren mit in die weite Welt genommen haben.
Doch es sind nicht nur Jules Verne und Joseph Conrad, die einem an diesem Ort einfallen. Hier wird einem auch die Globalisierung, mit der wir fast alle täglich konfrontiert werden, vor Augen geführt. Wenn Container mit Waren aus aller Herren Länder an den Haken der Containerbrücken hängen und in schneller Folge gelöscht werden, erhalten wir eine Ahnung von dem Schwungrad, das die Weltwirtschaft bewegt und dem wir uns stellen müssen, wenn wir unsere Zukunft erfolgreich gestalten wollen.
So steht diese Bank in einem Mikrokosmos: Wie unter einem Brennglas sind hier die Vergangenheit und die Herausforderungen der Gegenwart sichtbar. Freizeitvergnügen mischt sich mit Arbeitswelt; Krankheit und moderne Wissenschaft sind ebenso vertreten wie Großstadtleben und die Ruhe einer Parkanlage. Die sozialen Probleme winken in Form eines Obdachlosen von der nächsten Bank herüber, und die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft schlendert als ein eng umschlungenes euroasiatisches Paar an der Bank vorbei. Es ist wohl diese Mischung, die für mich die Faszination dieses Ortes ausmacht. Abstrakte Fragen werden hier real bebildert, und der Geist findet eine Vielzahl von Anregungen, um sich in einer stillen Stunde auf der Bank zu beschäftigen. Ich kehre zu jeder Jahreszeit auf diese Bank zurück. Hier lassen sich Frühlingssonne oder eine laue Sommernacht genießen. Hier ist der Blick auf die vom Herbstwind gepeitschte Elbe besonders eindrucksvoll. Und hier werde ich in wenigen Wochen das Silvesterfeuerwerk bestaunen und ein - hoffentlich - fröhliches neues Jahr begrüßen."
Nächste Folge : Maria von Welser