Bankgeheimnisse
Bänke sind nicht einfach nur Sitzmöbel. Sie laden ein zum Entspannen und Nachdenken. Priester und Politiker, Manager und Moderatoren - bekannte Hamburger zeigen uns ihre Favoriten, berichten, was ihnen dort durch den Kopf geht. Der Journalist Günter Fink hat die Gespräche geführt und aufgezeichnet. Heute: Ulrich Pleitgen.
"Ich bin jemand, der sehr aktiv ist, beruflich wie privat. Eigentlich ein Bewegungsmensch. Aber wenn ich mal auf einer Bank sitze, was nicht allzu häufig ist, dann am liebsten auf der, die direkt am Ufer der Außenalster, auf Höhe der Straße Schöne Aussicht, Ecke Auguststraße steht.
Normalerweise lerne ich ja meine Rollen mit dem Drehbuch vor der Nase, gehend. Bei Wind und Wetter. Zur Zeit für einen Weihnachtsfilm, der in ein paar Wochen in Dresden gedreht und erst während der Festtage des Jahres 2005 gezeigt wird.
Manchmal aber lege ich auch ganz bewußt eine Pause ein, klappe das Drehbuch für ein paar Momente zu und genieße die Zeit auf meiner Lieblingsbank.
Sie steht etwas vorgeschoben, wie auf einer kleinen Landzunge fast direkt am Wasser, so daß ich die Menschen hinter mir lasse. Das ist das Geheimnis an dieser, "meiner" Bank: Das wichtige ist für mich, daß sie mich herausnimmt aus dem Getümmel. Ich habe das Wasser gegenüber, und alles andere versackt hinter mir, das ist das entscheidende. Also, nicht daß die Realität versinkt, aber ich sehe keine Menschen mehr. Ich sehe nur noch Wasser. Es spricht mich niemand mehr an, was mir sonst ja nicht unangenehm ist, aber wenn ich lerne oder meinen eigenen Gedanken nachhänge, möchte ich auch mal für mich sein. Ich fühle mich dann wie auf einer Insel. Vor mir Wasser und das herrliche Panorama von Hamburg. Ich kann dort lernen, mich ausruhen und nachdenken. Worüber? Eigentlich über alles was mich berührt, was mich bewegt. Und das ist eine ganze Menge, das ist mein Leben. Die Politiker kommen da ganz weit hinten. Über Politik denke ich im Moment nicht mehr so viel nach, weil ich ziemlich enttäuscht bin von den Leuten, wie auch von den deutschen Wirtschaftsleuten. Ich mache mir da im Moment etwas wärmere Gedanken. Ich philosophiere mit mir selbst. Ich denke über vieles nach, über den Tod, das Leben, wie andere Menschen auch, über Dinge, die uns am intensivsten bewegen. Über Dinge, über die ich gesprochen, die ich gelesen habe.
Manchmal denke ich auf "meiner" Bank auch einfach nichts und denke an gar nichts. Das ist ja dann das wunderbare, daß ich auch spüre, wenn man plötzlich einmal alleine ist, ohne Umgebung, ohne Menschen, ohne jemanden, der einen betrachtet, der was von einem will, der einen was fragt, der einen irgendwo hinschickt. Da habe ich Zeit für mich selbst. Und dann kommen einem die Gedanken. Ich setze mich hin, mach' mich sozusagen leer, und dann beginnt das, was ich diesen manchmal merkwürdigen Dialog mit mir selber nenne, ein inneres Selbstgespräch. Das Sitzen auf dieser Bank ist für mich so etwas wie meine kleine unscheinbare Art von Meditation. Das kann man, wenn man auf's Wasser blickt. Wasser inspiriert zum Nachdenken. Ja, auch das der Außenalster . . ."