Bankgeheimnisse
Bänke sind nicht einfach nur Sitzmöbel. Sie laden ein zum Entspannen und Nachdenken. Priester und Politiker, Manager und Moderatoren - bekannte Hamburger zeigen uns ihre Favoriten, berichten, was ihnen dort durch den Kopf geht. Der Journalist Günter Fink hat die Gespräche geführt und aufgezeichnet. Heute: Susanne Holst.
"Meine Lieblingsbank steht an der Außenalster, an der Straße Schöne Aussicht, am Fuß der Feenteichbrücke. Vom Wanderweg aus muß man nur ein paar Schritte übers Gras laufen, einen kleinen Abhang hinunter. Und da steht sie dann: solide, direkt am Wasser mit Blick auf Hamburgs schöne Skyline. Rechts eine alte Weide, in der Ferne: Rathaus, Kirchtürme, Congresszentrum - die Wahrzeichen unserer Innenstadt. Wie schön und besonders, daß kaum Hochhäuser dieses Panorama stören. Davor die Alster mit ihren verschiedenen Besuchern: Segelboote, Schwäne, hin und wieder ein Alsterdampfer. Da ist eigentlich ständig etwas los.
Herrlich: Hier kann der Blick so richtig schweifen und auf Wanderschaft gehen: Je nach Jahres-, Tageszeit und Wetterlage findet er ein anderes Bild. Mal wilde Wellen, die Sicht grau und diesig. Mal ein blitzeblauer Himmel mit einer strahlenden Fernsicht. Immer wenn ich an der Alster bin, muß ich mich dort niederlassen, um die Atmosphäre in mich aufzunehmen, manchmal nur für einen Augenblick. Ein kleiner Ort der Ruhe ist dieser Uferfleck für mich, denn das Treiben hinter mir, Menschen, Autos, Fahrradfahrer nehme ich nicht wahr. Dies ist ein Ort, an dem ich automatisch tief Luft hole und mich zurücklehne. Auch innerlich. Weg von all den Alltagsgeschäftigkeiten, von Computer, Schreibtisch, Telefon. Zugegeben, so ganz klappt das nicht immer. Ich erinnere mich noch an die Zeit, wo die Bank der Ort so mancher kreativen Ideen für die Entwicklung meiner neuen NDR-Gesundheitssendung "Visite persönlich" war, deren Folgen inzwischen jeden Donnerstag um 18.15 Uhr im Norddeutschen Fernsehen zu sehen sind.
Aber zur Hauptsache ist hier schauen und nachdenken angesagt. Weite und Natur - das sind die Zutaten, die auch den eigenen Gedanken Freiheit geben: Ausgetretene Trampelpfade verlassen, neue Blickwinkel finden. Sinnen und nachsinnen. Oft ist die Bank besetzt. Kein Wunder, denn der Platz ist wirklich anziehend. Direkt am Puls der Großstadt und doch in gesunder Distanz zu alledem, das tut hin und wieder richtig gut. Etwas neidisch bin ich schon, wenn andere die Bank belegen, dazusetzen mag ich mich aber auch nicht. Einfach von hinten ankommen und die gedankenvolle Zwei- oder Einsamkeit stören? Kommt nicht in Frage. Nächstes Mal habe ich bestimmt wieder mehr Glück.
Die Bank ist übrigens einer Frau gewidmet, sagt ein kleine, dort angebrachte Tafel. "Als Erinnerung an Bärbel Madarasz und ihr Lachen". Das hat mich sehr bewegt und neugierig gemacht, und ich habe - ich bin ja nun mal Journalistin - recherchiert und erfahren, daß ein Vater auf die Idee seiner Tochter hin, seiner verstorbenen Frau, die immer so gerne hier an der Außenalster spazieren ging, diese Bank gekauft und sie ihr gewidmet hat.
Ja, ich weiß. Die Wahrscheinlichkeit, daß ich diese Bank jetzt noch seltener unbesetzt vorfinde, ist groß. Aber das nehme ich in Kauf. Schöne Plätze sind für alle da. Vielleicht rücken Sie einfach ein wenig zusammen, so daß ich mich doch zu Ihnen setzen kann . . .?"