Vor der zweiten Verhandlungsrunde am Freitag scheinen die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern der Schulreform verhärtet.

Hamburg. Hamburg droht ein langer und harter Kampf um die Schulen. Nach einer Verhandlungsrunde über die Einführung der sechsjährigen Primarschule zwischen Vertretern des Senats und der GAL/CDU Koalition auf der einen und der Initiative „Wir wollen lernen“ auf der anderen Seite, ist eine Lösung nicht in Sicht. „Meine Hoffnung hat einen deutlichen Dämpfer bekommen“, sagt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. „Wir haben zwei Drittel der Forderungen erfüllt. Zu allem Nein sagen geht nicht.“ Die Initiative müsse jetzt klären, ob sie bereit ist, sich auch zu bewegen, fordert der Politiker.

Nach Überzeugung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Frank Schira stehen beide Seiten in einer großen Verantwortung. Sollte es zu einem Volksentscheid kommen, würde es seiner Ansicht nach eine knappe Entscheidung geben. Gleichzeitig würde langfristiger Schaden entstehen. Schira hofft auf Bewegung bei der Initiative. „Es muss möglich sein, sich zu einigen.“ Denn die Menschen in Hamburg wünschen sich einen dauerhaften Schulfrieden, ist der Fraktionschef sicher.

Was ist das Grundproblem?

Die Koalition hat eine Reform beschlossen, die neben kleineren Klassen zwei Hauptpunkte umfasst, die von der Initiative abgelehnt werden: Alle Kinder sollen sechs Jahre gemeinsam in einer Primarschule unterrichtet werden. Ob die Schullaufbahn danach auf dem Gymnasium, das nach der zwölften Klasse mit dem Abitur endet, oder einer Stadtteilschule, die alle Abschlüsse bis zum Abitur nach Klasse 13 ermöglicht, fortgesetzt wird, entscheidet die Lehrerkonferenz. Das Elternwahlrecht wird abgeschafft. Dagegen hat die Initiative in einem Volksbegehren 184000 Unterschriften gesammelt, mehr als genug für einen Volksentscheid, dessen Ergebnis für die Landespolitik verbindlich wäre.

Warum wird verhandelt?

Alle Beteiligten betonen den Wert des Schulfriedens und wollen einen „Wahlkampf“ um die Stimmen beim Volksentscheid vermeiden. Der renommierte Unternehmer und Stifter Michael Otto hat die Rolle eines Vermittlers und Moderators übernommen und in Gesprächen mit beiden Lagern Kompromissmöglichkeiten ausgelotet. Was ist der Stand nach dem ersten Treffen? Bürgermeister Ole von Beust (CDU), Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) und die beiden Fraktionen haben angeboten, den Eltern nach Klasse sechs ein eingeschränktes Mitspracherecht einzuräumen und die Primarschule langsamer als geplant in Stufen einzuführen.

Beides lehnt die Initiative um den Sprecher Walter Scheuerl als nicht ausreichend ab. „Wir haben ausdrücklich klargestellt, dass eine flächendeckende und verbindliche Einführung der Primarschule bis 6 – auch in Stufen – als Zwangsmodell für uns keine Option ist, da wir eine große Verantwortung für das Votum der 184500 Hamburgerinnen und Hamburger haben, die beim Volksbegehren gegen die Primarschule unterschrieben haben.“

Wie geht es weiter?

An diesem Freitag treffen sich die Verhandlungsgruppen ein zweites Mal. Für einen Erfolg muss sich nach Kerstans Überzeugung auf Seiten der Initiative etwas tun. „Sie müssen von sich von ihren Maximalforderungen wegbewegen.“ Scheuerl hatte dagegen der Koalition bereits am Freitag vorgeworfen, zu wenig konkret in ihren Vorschlägen zu sein. Nach zwei Monaten Beratungen hätte er mehr erwartet.

Für Goetsch steht viel auf dem Spiel, die Schulreform ist das Kernstück ihrer Politik. „Wir gehen in die Gespräche mit dem Ziel, den Volksentscheid zu vermeiden, allerdings nicht um jeden Preis“, hatte sie in einem dpa-Gespräch gesagt. Die Schmerzgrenze scheint nicht nur für sie, sondern auch für Beust erreicht zu sein, wenn die Primarschule an sich infrage gestellt wird. Da dieser Punkt den Äußerungen zufolge für beide Seiten praktisch unverhandelbar ist, steht Vermittler Otto vor einer kaum zu lösenden Aufgabe.

Zunächst gehen beide Seiten trotz Verhandlungen ihren Weg weiter. Die Initiative bereitet die Anmeldung des Volksentscheids vor, die Schulbehörde verfolgt den Aufbau der Primarschulen. „Wir sind im Zeitplan. Die Schulen sind vorbereitet. Die neuen Bildungspläne sind im Internet“, sagte Goetsch. Sollte sich kein Kompromiss finden, steht Hamburg im Sommer ein schulpolitischer Showdown bevor – mit Wahlkampf und gehöriger Verunsicherung bei Schülern, Eltern und Lehrern.