Danial Ilkhanipour bringt die SPD-Hochburg Eimsbüttel ins Wanken. GAL und CDU wittern neue Möglichkeiten.
Hamburg. Über Putschversuche in Japan sprechen die Gäste auf dem Podium, über verklüngelte Berliner Ausschüsse und Gefahren der Demokratie überhaupt. Und während sich die Debatte weiter um das eigentliche Thema herumschlängelt, dauert es nicht lange, bis dem ersten Zuhörer der Kragen platzt. "Geht das hier nun um Glaubwürdigkeit in der Politik oder um innerparteiliche Querelen", poltert es. Das Schweigen in der Runde beantwortet die Frage. Es kommt ja selten vor, dass der Ortsverband einer Partei zu einer Diskussion gegen den eigenen Kandidaten lädt, mitten im Wahlkampf, so wie kürzlich in Eimsbüttel-Nord. Noch immer sind viele SPDler sauer auf Danial Ilkhanipour, der nach einer verschwiegenen Kandidatur aus dem Schatten sprang und Niels Annen die Direktkandidatur abluchste. Gegen die Veranstalterin, Distriktchefin Carola Ensslen, läuft sogar ein Ausschlussverfahren aus der Partei, weil sie zur Wahl des Gegners aufgerufen hatte.
Egal, wie man dazu stehen will: Der 27-jährige Ilkhanipour, der auf den Straßen ausdauernd Kontakt zu seinen Wählern sucht, artig für die "sozialdemokratische Sache" wirbt und nun auch von Ex-Bürgermeister Henning Voscherau unterstützt wird, hat die SPD-Hochburg Eimsbüttel in den spannendsten Wahlkreis der Stadt verwandelt. Während Niels Annen wohl gewonnen hätte, haben zum ersten Mal sowohl GAL als auch die Union im Wahlkreis Eimsbüttel eine Chance auf ein Direktmandat. Auch sie würden dann aus dem Schatten treten.
Die Arena: Der Fanny-Mendelssohn-Platz an der Osterstraße. Zwar stehen hier Kaufhäuser aus Waschbeton, doch die Passanten sind von jener Mischung, von der Stadtplaner nur träumen können. Rentner und Kinder, Fahrräder und Kinderwagen, Bioladengänger, Anzugträger und Modepunks in Röhrenjeans. In Nachbarstraßen hier wählen 40 Prozent grün. Doch der Wahlkreis 21, so der offizielle Name,ist weit entfernt von einer grünen Mehrheit; ein politischer Flickenteppich aus Harvestehude und Niendorf, wo die CDU bei 30 Prozent liegt, Lokstedt und Schnelsen (SPD mehr als 40 Prozent) und den rot-grünen Kerngebieten.
Direktkandidatin Krista Sager, Grünen-Bundesfraktionsvize, weiß das. Zum zweiten Mal in Folge hat sie ihren Wahlkreis gewechselt, aus taktischen Gründen. Erst Nord, dann Mitte, jetzt Eimsbüttel. Ob sie in ihrem Wahlkreis schon angekommen sei? "Schon ist gut", sagt Sager, "wir sind hier ja schon seit April unterwegs." Abgesichert über die Zweitstimme, will die prominenteste Eimsbüttler Kandidatin grünes Salz in die Ilkhanipour-Wunden streuen. Wo der SPD-Kandidat die eigene Partei spalte, sagt sie, würden viele Sozialdemokraten ihre Kandidatur begrüßen. Die ehemalige Hamburger Bildungssenatorin profiliert sich über Bundesthemen. Wird sie nach Fördermitteln für einen Sportverein in Eidelstedt gefragt, lässt sie Parteikollegen Horst Becker aus der Bürgerschaft antworten, der sie begleitet.
Krista Sager ist die einzige Kandidatin im Wahlkreis, und wenn man so will, dann buhlen zwei Volkspartei-Prinzen derzeit vergeblich um ihre Gunst.
Die Sonne scheint am Marktplatz an der Osterstraße, heute ist Rüdiger Kruse dran, er darf CDU-Kugelschreiber verteilen. Kruse sagt: "Früher war das hier eine Pflichtveranstaltung, ohne dass man etwas hätte gewinnen können, das hat sich geändert." Tatsächlich, das Interesse der Passanten ist zwar mäßig, die Blicke auf die CDU-Sonnenschirme sind jedoch nicht feindlich.
Rüdiger Kruses Lebenslauf ist schwarz-grün. "Immer schon CDU-Mitglied, immer schon an Umweltfragen interessiert", was in seiner Partei eher ungewöhnlich ist. Er gilt als eigenständiger Denker, der für ein Abschalten von Krümmel plädiert und die Abwrackprämie für "Aktionismus" hält. Als Geschäftsführer der "Schutzgemeinschaft Deutscher Wald" steht er in seinem Wahlreis in Kritik, Tausende Niendorfer wollen das "Haus des Waldes" verhindern, ein Schulungszentrum im Gehege. Kruse zuckt mit den Schultern. Er geht damit um, wie er hier auch den Wahlkampf bestreitet. Unaufgeregt, kaum Seitenhiebe auf seine Gegner. Der Schlagabtausch läuft ja bereits zwischen Rot und Grün, da wäre es unklug, zwischen die Räder zu geraten.
Andererseits: Als Verbündete spielt sich Sager ebenfalls nicht auf. Sie halte Schwarz-Grün im Bund für problematisch, weil dann ja auch noch die CSU dabei sei. "Vergleichen Sie die mal mit der Hamburger CDU", sagt sie.
Um die Ecke biegt Danial Ilkhanipour, "zufällig" schaut er mal am CDU-Stand vorbei. "Eigentlich wollten wir ja zusammen mit Frau Sager ein Wahlmobil mieten", sagt der SPD-Mann zum CDU-Mann, "und abends darin zusammen Karten spielen." Kruse antwortet: "Ja, wollten wir, aber Frau Sager will ja nicht." Hier funktioniert die Große Koalition ganz offensichtlich.
Im Sonnenlicht glänzen graue Strähnchen, die Ilkhanipour etwas älter wirken lassen als seine 27 Jahre. Krista Sager nannte ihn "Witzbold", was nicht nett war, vor allem aber politische Abfuhr ist, schließlich wünscht sich Ilkhanipour nichts so sehr wie Rot-Grün - mit ihm als Abgeordneten.
Es ist Ilkhanipours erster Wahlkampf, gleich gegen Politprofis. Seine Anzüge wirken maßgeschneidert, seine roten Krawatten sitzen. Es kommt vor, dass seine Freundin im Publikum sitzt und ihm sagen muss, was auf seinem Terminkalender steht. Doch unter der Hand hört man, man solle ihn nicht unterschätzen, er werde seinen Weg schon machen. Sein "Alleinstellungsmerkmal": Bildungspolitik gehöre nur nach Berlin, damit sich Landesregierungen nicht über "gut gemeinte, aber grausig umgesetzte" Schulreformen profilieren müssten.
Wenn Ilkhanipour das während einer Diskussion mit seinen Gegenspielern sagt, liefert er das Stichwort für den FDP-Bundespolitiker Burkhardt Müller-Sönksen. Der wirbt in Eimsbüttel für die Zweitstimme, weil er als Direktkandidat keine Chancen hat. "Ich prophezeie, die Schulreform wird Hamburg mehr als eine Milliarde Euro kosten", sagt er. In der Kritik der Schulreform ist sich die Hamburger Opposition einig. Überhaupt, man solle ja "mit allen demokratischen Parteien Gespräche führen" können.
Nur mit Herbert Schulz, der neben ihnen sitzt, wollen sie nicht reden. Gegen den Kandidaten der Linken wirkt sogar Ilkhanipour wie jedermanns Liebling. Aber vielleicht tritt er ja auch noch aus dem Schatten.