Vorwürfe gegen Johannes Kahrs: Er habe junge Mitglieder mit kostenlosem Saufen geworben und die Partei unterwandert.

Jetzt brechen im Streit um die Aufstellung von Danial Ilkhanipour als SPD-Bundestagskandidaten für Eimsbüttel die letzten Dämme. Ausgehend vom Distrikt Stellingen hat - so formulieren es Parteimitglieder - eine regelrechte politische Schlammschlacht begonnen. Zielobjekt der aktuellsten Anschuldigungen ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs aus Mitte. In der jüngsten Ausgabe des Distriktblattes "Wir in Stellingen" wird Kahrs unter anderem vorgeworfen, er habe die Abwahl von Niels Annen und die Wahl von Danial Ilkhanipour von langer Hand geplant. Er sei der Strippenzieher eines regelrechten Komplotts.

Damit nicht genug. Im Text ist von "Unterwanderung der Partei" die Rede, außerdem habe Kahrs vor allem junge und stimmloyale Mitglieder mit "kostenlosem Saufen" geworben. Die von Kahrs angebotenen Busreisen nach Berlin habe er genutzt, um "engere Beziehungen zu den Teilnehmern aufzubauen". In dem drei DIN-A4-Seiten langen und anonym veröffentlichten Aufsatz unter dem Titel "Das System Kahrs" wird dem Bundestagsabgeordneten zudem eine Verbindung zu den Kapp-Putschisten aus dem Jahr 1920 vorgehalten. Der Putsch war ein rechtgerichteter Versuch, die SPD-regierte Republik zu stürzen. Zur Begründung verweist der Autor auf die aktive Mitgliedschaft von Kahrs in der Studentenverbindung Wingolf. Die Verbindung stellte sich selbst in die Tradition der Kapp-Putschisten. Weiter heißt es in dem Text: "Tatsächlich handelt es sich bei der Kahrs-Truppe um einen Loyalitäts- und Karriereverein, der sich an den Regeln anderer Loyalitäts- und Karrierevereine orientiert, an den studentischen Verbindungen."

Es sei zudem auffallend, dass Johannes Kahrs "deutlich häufiger als andere SPD-Bundestagsabgeordnete Praktikanten" beschäftige. Problematisch sei dieses Vorgehen, weil "auffallend viele Praktikanten und andere Kahrs-Angestellte in den letzten Jahren aus dem Kreis Eimsbüttel" kamen. Daraus schließt der Autor, "dass die Nicht-Nominierung von Niels Annen von langer Hand vorbereitet war".

Sämtliche Vorwürfe weist Johannes Kahrs als "Unsinn" zurück. Er nennt das Vorgehen des Distrikts Stellingen einen "gezielt gemachten Rufmord". Kahrs sagte dem Abendblatt: "Ich kann nichts dagegen tun, weil es keine rechtliche Handhabe gibt." Seiner Meinung nach müsse der Landesvorsitzende tätig werden.

Der sieht das anders. Ingo Egloff sagte zwar: "Die Auseinandersetzung hat eine Form angenommen, die nicht zu tolerieren ist", das Vorgehen des Distrikts Stellingen sei "grenzüberschreitend", eingreifen wolle er aber nicht. Der Kreis Eimsbüttel, zu dem der Distrikt Stellingen gehört, sei aufgefordert, das Ganze zu unterbinden, so Egloff. Für die Landesebene sei die Sache mit dem Spruch der Schiedskommission vor rund einer Woche abgeschlossen. Die hatte entschieden, dass die Wahl des Juso-Chefs Danial Ilkhanipour zum Bundestagskandidaten rechtens war.

Eimsbüttels SPD-Kreischef Milan Pein wollte gestern zum Inhalt des Aufsatzes keine Stellung nehmen. Er sehe "die Verantwortung beim Distrikt" und werde die Sache nicht stoppen. "Inhaltlich verantwortlich sind der Autor und der Distrikt. Die sind unabhängig und frei in ihrer Meinungsäußerung. Das können wir nicht unterbinden", sagte Pein.

Wer der Autor ist, wollte der für die Veröffentlichung verantwortliche Burchard Bösche gestern nicht sagen. Der Aufsatz sei ohne Namensnennung erschienen, weil dieser die "Position des ganzen Distrikts" widerspiegele, so Bösche. Stellingens Distriktvorsitzende Heike Baltruweit war gestern nicht zu erreichen. Bösche betonte, alle erhobenen Vorwürfe könne der Distrikt belegen. Er sieht "keine Veranlassung", die Veröffentlichung zurückzunehmen.

Zumindest dieses hat gestern der Landesverband erledigt. Am Nachmittag wurde die Internetseite, auf dem der Text veröffentlicht war, von der SPD-Zentrale gesperrt. Die Partei wolle nicht in den Verdacht geraten, es handele sich bei den verfassten Thesen um die generelle SPD-Linie, sagte Sprecher Bülent Ciftlik.