Die Debatte über die Unterbringung krimineller Jugendlicher im Ausland führe nicht weiter, so die GAL. CDU stützt indes Senator Wersich.
Der Vorstoß von Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU), jugendliche Gewalttäter aus pädagogischen Gründen gegebenenfalls wieder im Ausland unterzubringen - was die CDU früher als "Erlebnis-Pädagogik" gebrandmarkt und nach dem Regierungswechsel 2001 abgeschafft hatte -, hat eine Kontroverse innerhalb der schwarz-grünen Koalition ausgelöst. "Eine öffentliche Diskussion von Einzelvorschlägen bringt uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter", sagte GAL-Jugendexpertin Christiane Blömeke auf Abendblatt-Anfrage. Sie erwarte, dass die mit vier Senatoren besetzte Kommission, die nach den tödlichen Messerstichen von Elias A. (16) auf Mel D. (19) im S-Bahnhof Jungfernstieg gegründet worden war, "ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt im öffentlichen Raum vorlegt".
Auch Wersichs zweiten Gedanken, gewalttätigen Empfängern staatlicher Leistungen diese zu kürzen, wenn sie sich zum Beispiel einem Anti-Aggressionstraining verweigern, sieht die GAL kritisch. Blömeke: "Eine Kürzung von Hartz-IV-Sätzen für jugendliche Gewalttäter ist nicht zielführend." Es fehle eine Rechtsgrundlage, außerdem bräuchten Jugendliche keine "Verschärfung ihrer Perspektivlosigkeit durch Leistungskürzungen".
Unterstützung erhält der Sozialsenator hingegen vom CDU-Innenexperten Kai Voet van Vormizeele. "Viele jugendliche Intensivtäter leben in ihrem festen Milieu, die sind für staatliche Stellen gar nicht mehr erreichbar." Daher müsse man sich fragen, ob man durch eine Unterbringung im Ausland zumindest einen Zugang zu ihnen bekommen kann. Van Vormizeele: "Wir wollen ja gerade, dass die jungen Leute noch eine Chance bekommen, damit sie nicht im Knast landen und danach zu 99 Prozent wieder straffällig werden." Eine "Kuschelpädagogik", bei der ein Täter mit einem Betreuer Segeln geht, lehne er hingegen ab. "Das haben wir 2001 aus gutem Grund abgeschafft."
Ähnlich sieht es der Innenausschuss-Vorsitzende Karl-Heinz Warnholz (CDU). Wenn schon eine Unterbringung außerhalb Hamburgs nötig sei, dann lieber in der Lüneburger Heide oder in Mecklenburg-Vorpommern. Warnholz: "Die Dienstaufsicht muss rund um die Uhr gewährleistet sein. Und es muss etwas dabei herauskommen, sonst kann man das den Steuerzahlern nicht erklären."
Mit Erstaunen verfolgt die SPD, die einst von CDU und Schill-Partei massiv für die "Erlebnis-Pädagogik" angefeindet worden war, die Debatte. Die Unterbringung Jugendlicher im Ausland könne im Einzelfall sinnvoll sein, sagte Innenexperte Andreas Dressel. Diese Diskussion sei aber schon der zweite Schritt. Im ersten Schritt müsse der Senat prüfen, wie groß überhaupt der Bedarf dafür sei und in welchen Fällen eine Einrichtung in Norddeutschland sinnvoller wäre als eine im Ausland.
Erlebnispädagogische Auslandsreisen gibt es für Hamburger Jugendliche bereits seit acht Jahren nicht mehr. Bis dahin waren delinquente Jugendliche wie "Crash Kid" Dennis zum Beispiel ins finnische Kuttula oder in Einrichtungen in Polen geschickt worden. Für Schlagzeilen sorgten bis zu sechsmonatige Segelreisen Hamburger Kinder und Jugendlicher, unter anderem nach St. Petersburg. Das Segelschiff "Undine", auf dem derartige Reisen gemacht wurden, liegt aber weiterhin in Hamburg. Der Träger "Gangway" veranstaltet mit Problemjugendlichen kleinere Törns. Ziele unter anderem: die Vermittlung von Teamfähigkeit und Selbstvertrauen.