Dutzende Bürger haben sich gemeldet und wollen Gewalt-Opfer Marcel F. unterstützen. Nicht nur mit Geld.
Hamburg. Es gibt doch noch angenehme Überraschungen im Leben des Marcel F. "Ich kann es gar nicht glauben", sagte der 19 Jahre alte Auszubildende zu zahlreichen Hilfsangeboten aus der Bevölkerung. Als Reaktion auf den Leidensweg des jungen Mannes aus Lurup hatten viele Leser spontan Unterstützung angeboten - finanziell, aber auch mit Rat und ganz praktischer Tat.
In der Dienstag-Ausgabe des Hamburger Abendblatts hatte Marcel seine Probleme als Betroffener von Jugendgewalt geschildert und freimütig von Schwierigkeiten gesprochen, wieder im Alltag Tritt zu fassen. Am frühen Morgen des 13. Februar 2010 war er in einem Bus der Linie 2 Opfer einer Prügelattacke geworden. Unschuldig. Nur mit viel Glück überlebte er den Angriff. Die beiden Täter sitzen in Untersuchungshaft, verweigern jedoch die Aussage. Ängste, Albträume, Kopfschmerzen und Schlafstörungen sind nur äußere Indizien seelischer Folgen.
Ein großes, wirtschaftliches Problem ist dagegen wohl gelöst: Die durch das Verbrechen erforderliche, rund 1900 Eure teure Zahnbehandlung wird von der Krankenkasse nun doch fast komplett übernommen. Marcel hatte sich große Sorgen gemacht, den Eigenanteil in Höhe von 1300 Euro persönlich tragen zu müssen. Viel zu viel Geld für einen Lehrling, dem nach Abzug der Mietkosten gerade einmal fünf Euro täglich zum Leben bleiben. "Ich bin knapp dran", sagt Marcel über seine finanzielle Schieflage. Sein Konto sei, auch als Konsequenz des Verbrechens, überzogen.
Umso glücklicher reagierte er auf die Hilfsangebote: "Das macht stark." Wer mit den Folgen des Angriffs alleine klarkommen muss und gut ein Jahr nach seinem Umzug nach Hamburg einsam dasteht, begreift die aktuelle Solidarität als moralische Rückenstärkung. "Mir ist das alles fast peinlich", sagte Marcel, "ich weiß gar nicht, ob ich diese Angebote annehmen kann." Seine Erziehung und eine recht bodenständige Lebensweise stehen im Kontrast zu ganz konkreten Sorgen.
Und wie sich jetzt sehr beeindruckend beweist, stehen viele Hamburger nicht passiv im Abseits, wenn Not am Mann ist. "Marcel kann sich gerne bei mir melden", schrieb ein Zahnarzt aus dem Norden Hamburgs. Auch Kollege Dr. Benno Gassmann aus Eidelstedt war rasch zur Stelle: "Wir haben den Artikel mit Betroffenheit gelesen und möchten hiermit unsere schnelle, kostenlose medizinische Hilfe anbieten.
"So ein Drama geht einem doch sehr nahe", sagte Gassmann auf Nachfrage. "Ich halte es für ganz normal, einen jungen Menschen nicht im Regen stehen zu lassen." Während die Täter meist mit einem blauen Auge davonkämen, leide das Opfer oft lebenslänglich. Videoaufnahmen an Plätzen, in Bussen oder Bahnen könnten bei der Verbrechensaufklärung helfen, abschreckende Wirkung indes hätten sie leider kaum.
Auch das Ehepaar Petra und Michael Lienow aus Kaltenkirchen wird aktiv: "Wir möchten die anfallenden Zahnheilbehandlungskosten in Höhe von 1300 Euro übernehmen." Nach einem gemeinsamen Telefonat und der guten Nachricht, dass Marcel zumindest dieses Problem los ist, wollen die Lienows dennoch zahlen. "Der junge Mann kann doch jeden Euro gebrauchen", sagte Michael Lienow. Und Geld sei ja nur ein Aspekt dieser traurigen Geschichte.
Diese Meinung teilen viele andere Hamburger - in einer Welle hanseatischer Hilfsbereitschaft. In sämtlichen Fällen wurde der direkte Kontakt hergestellt. Eine ältere Dame aus dem Westen der Stadt berichtete von etwas Geld auf ihrem Sparbuch, von dem sie einen Teil zur Verfügung stellen würde. Ein Student aus Niendorf versprach, die Erlöse seines Wochenendjobs als Türsteher vor einer Diskothek zu spenden. "Jeder von uns kann urplötzlich in eine solche Misere geraten", sagte er. Nur wenn einer dem anderen die Hand reiche, würde das Recht siegen. "Das Wort Mitbürger ist doch keine Floskel", formulierte eine Frau aus dem niedersächsischen Umland. Sie alle wollten ihren Namen nicht genannt wissen - aus Diskretion oder Bescheidenheit. Die namentlich genannten Helfer waren nur auf ausdrückliche Bitte dazu bereit.
"Das Schicksal von Marcel hat uns sehr berührt, weil auch bei uns junge Menschen ausgebildet werden. Deshalb haben wir uns spontan entschlossen, Marcel zu unterstützen, damit er sich wieder mehr auf seine Ausbildung konzentrieren kann", sagte Thies Hansen, Betriebsratsvorsitzender von E.On Hanse. Mehr als 1000 Euro seien bereits gesammelt worden.
Weitere Hamburger offerierten handfeste Hilfe bei Behördenproblemen oder boten sich als eine Art "Pate" an. Hat Marcel F. seine Ausbildung bestanden (die ersten Ergebnisse deuten darauf hin), will er zügig eine Festanstellung suchen. Auch um auf eigenen Füßen stehen zu können.
Wer spenden möchte: Abendblatt-Aktion "Von Mensch zu Mensch". Konto 12 80 20 20 01 bei der Haspa (BLZ 200 505 50). Stichwort: "Marcel und ähnlich schwere Fälle".