Ein Kommentar von Berndt Röttger
Es sieht nach einer 180-Grad-Wende in der Jugendpolitik aus: Hamburgs christdemokratischer Sozialsenator will jugendliche Intensivtäter wieder ins Ausland schicken. Noch vor zehn Jahren hatte die CDU die "Erlebnis-Pädagogik" des damaligen SPD-Senats heftig kritisiert.
Zwar fordert Sozialsenator Dietrich Wersich nicht die direkte Rückkehr zu Segeltörns. Er spricht zunächst nur davon, die Jugendlichen in ferne Länder zu schicken, um sie aus dem Milieu herauszuholen. Doch allein darin dürfte für viele Parteifreunde genug Zündstoff liegen. Verbirgt sich nicht am Ende hinter (fast) jedem therapeutischen Ausflug ins Ausland eine Art "Erlebnis-Pädagogik"?
Noch beschränkt sich die Kritik aus den eigenen Reihen auf den Hinweis, die Ferne der Lüneburger Heide würde reichen. Wenn der Vorstoß Wersichs allerdings mehr sein soll als ein Testballon, wird er sich auf einen Kampf mit vielen Fronten einstellen müssen: gegen Widerstand aus den eigenen Reihen und gegen den vom grünen Koalitionspartner.
Es muss aber dringend etwas geschehen: Wenn es schon in Hamburg kein geschlossenes Jugendheim mehr gibt, muss man sich an anderer Stelle intensiv um diese Problemjugendlichen kümmern. Vielleicht waren die einst verschmähten Ansätze, wie etwa Jugendliche in die Einsamkeit Finnlands zu schicken, doch nicht verkehrt. Irren ist menschlich. Und Irrtümer einzugestehen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Größe.