Die Party auf der Außenalster zog am Wochenende wahre Menschenmassen auf das Eis. Die Rettungsdienste waren im Dauereinsatz.
Hamburg. „Meinen Saunagang habe ich diese Woche an die Alster verlegt“, sagt Wolfgang Gleiniger. Der 46-Jährige hatte in der Zeitung von der mobilen Sauna zwischen den Schlemmerbuden beim Alstereisvergnügen gelesen. Der Volksdorfer war deshalb mit seinen beiden Kindern vom Hauptbahnhof aus direkt aufs Eis gegangen und über den zugefrorenen See im Herzen Hamburgs zur anderen Uferseite geschliddert. Dort belohnte er sich verfolgt von neugierigen Blicken der dick eingepackten Besucher mit einem Saunagang. Nur mit einem weißen Handtuch bekleidet ging es in die 70 Grad warme Holzhütte. „Einfach herrlich“, findet Gleiniger.
Zu Deutschlands größter Winterparty kamen 1,1 Millionen Menschen, wie die Polizei am Sonntagabend mitteilte. Damit wurde die erwartete Millionenmarke geknackt. Selbst ein Heißluftballon nutzte das Alstereisvergnügen für einen kurzen Zwischenstopp. Neben der mobilen Outdoor-Sauna, lockten am Ufer rund 60 Buden mit Glühwein, Kakao, Würstchen und Waffeln. Beim letzten offiziellen Alstereisvergnügen 1997 hatten die Buden noch auf dem Wasser gestanden. „Da war es noch viel gemütlicher“, finden die beiden Rentner Karl-Heinz und Christine Paul aus Norderstedt, die schon damals dabei waren. Enttäuscht sind sie aber dennoch nicht. „Es ist trotzdem toll und so bestimmt viel ungefährlicher.“
Die meisten Veranstalter und Budenbesitzer zeigen sich zufrieden mit der Resonanz. „Es ist eine ganz besondere Atmosphäre. Die Besucher kommen aus Hamburg und Umgebung und viele aus Nordrhein-Westfalen“, sagt Bärbel Schuckert, Besitzerin eines Glühweinstandes. „Am Samstag sind wir bei den Bestellungen gar nicht hinterher gekommen.“ Und wenn das Wetter so kalt bleibt, wird am kommenden Wochenende weitergefeiert, wenn sich andernorts beim Fasching und Karneval die Menschen in Kostüme zwängen. Das Betreten der Außenalster erfolgt auf eigene Gefahr, auf die Binnenalster darf niemand gehen.
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+++ Der schnellste Weg aufs Eis +++
Hagen Rothmann ist bereits seit Dienstag mit seinen Schlittschuhen auf der Alster unterwegs. Der 16-jährige Schüler ist schon beinahe Profi. Schließlich steht er seit seinem 5. Lebensjahr auf den Kufen. Jedes Wochenende besucht er die Eisbahn in Planten un Blomen. „Auf der Alster macht es aber besonders viel Spaß, wenn so viel los ist“, sagt er. Mit Schneeschieber und Besen hat er einfach eine Fläche vom Schnee befreit, damit es mit dem Eishockeyspielen besser klappt. Mutter Dorothee findet sogar: „Ohne Schlittschuhe sollte niemand die Eisfläche betreten.“
Was bei Hagen so einfach aussieht, endet für so manchen Amateur wegen des doch recht unebenen Eises jedoch im Krankenhaus. So musste die Feuerwehr mehr als 300 Mal Erste Hilfe leisten. Knochenbrüche, Platzwunden und Prellungen blieben nicht aus, schließlich waren zu Spitzenzeiten etwa 80.000 Menschen gleichzeitig auf dem Eis – viele von ihnen mit Kufen unter den Füßen.
+++ Eine Million Besucher zur Winterparty erwartet +++
In die Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Asklepios Klinik St. Georg wurden bis Sonntagfrüh 43 Verletzte vom Alstervergnügen eingeliefert. Die typischsten Diagnosen waren Prellungen, Kopfplatzwunden oder Knochenbrüche, wie die Klinik mitteilte. Unter anderem habe sich am frühen Sonntagmorgen ein Alsterüberquerer das Sprunggelenk gebrochen.
"Insgesamt erinnert das Patientenaufkommen an die anhaltende Schneeglätte vor einem Jahr", sagte Dr. Nikolaus Kreitz, Oberarzt im Chirurgisch-Traumatologischen Zentrum der Asklepios Klinik, am Sonntag. Zu Spitzenzeiten seien zehn Chirurgen in der Notaufnahme und im OP im Einsatz gewesen. 15 Patienten mussten stationär verbleiben. Sieben Patienten mit Brüchen am Oberschenkel und Oberarm wurden operativ versorgt. Die Klinik hatte vorsorglich bereits seit Freitag eine zusätzliche Krankenstation für Unfallverletzte geöffnet. Insgesamt mussten die Hilfskräfte von Feuerwehr und Rotem Kreuz rund um die Alster von Freitag bis Sonntag 265 mal ausrücken, 120 Personen mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Neben den Freizeitsportlern nutzten auch die Eishockeyprofis von den Hamburg-Freezers das Alstereisvergnügen für eine Show-Trainingsrunde. Anschließend stellten sich Serge Aubin, Rob Collins, Brett Engelhardt, John Curry, Kevin Schmidt und Patrick Traverse nach Angaben des Clubs den Autogrammjägern. Aber auch die Golfer präsentierten ihren Sport. Mit roten Bällen – damit man sie auch wiederfindet – veranstaltete der Golfclub auf der Alster mit rund 60 Teilnehmern die zweiten Alster Ice Golf Masters 2012.
+++ Lokale und Buden sind geöffnet, die Freezers kommen auch +++
+++ Frau Umma bekommt ein Gespür für Eis +++
Das erste durch eine Postkarte belegte Alstereisvergnügen gab es 1899. Die jüngsten offiziellen Feste gab es 1986, 1991, 1996 und 1997 mit rund einer Million Besucher. Ob es diesmal einen neuen Rekord geben wird, steht vermutlich erst am Montagmorgen fest. Im Winter 2009/2010 vergnügten sich rund 80 000 Menschen auch ohne offizielle Freigabe auf dem Eis. Um den Segen von der Umweltbehörde für ein offizielles Alstereisvergnügen zu bekommen, muss das Eis auf dem See durchgehend 20 Zentimeter dick und blasenfrei sein.
Ob die Alster auch in der kommenden Woche noch begeh- und befahrbar sein wird, ist unklar. „Wenn wir weiterhin blasenfreies Kerneis und Dauerfrost haben, stehen die Chancen gut“, sagt Frank Krippner, Pressesprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Am Freitag wurde an zehn verschiedenen Stellen eine Eisdicke von 20 bis 22 Zentimetern gemessen. Trotzdem gilt weiterhin: Betreten auf eigene Gefahr.