Eiszeit im Herzen der Stadt: Die Polizei spricht von einem „total friedlichen“ Fest. Auch die Feuerwehr will sich nicht beklagen.
Hamburg. Hamburg in Eispartylaune: 15 Jahre nach dem letzten offiziellen Alstereisvergnügen haben am Sonnabend Zehntausende Einheimische und Touristen den zugefrorenen See in der Innenstadt zu Deutschlands größter Wintersause gemacht. Nach Schätzungen der Polizei tummelten sich rund 500 000 Menschen auf der 164 Hektar großen Außenalster. Bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt und wolkenverhangenem Himmel versuchten sie sich als Eiskunstläufer, spielten Eishockey oder zogen einfach ihre Kinder auf Schlitten über die Eisfläche. Auch ein Heißluftballon nutzte das Alstereisvergnügen für einen kurzen Zwischenstopp.
Nach Angaben der Polizei hatten sich zu Spitzenzeiten etwa 80.000 Menschen gleichzeitig auf dem Eis versammelt. Bis zum Nachmittag seien nur 30 Rettungsdiensteinsätze gefahren worden, sagte ein Sprecher. „Das hält sich in Grenzen.“ Bis Sonntag werden mehr als eine Million Besucher beim dem am Freitagmittag eröffneten Alstereisvergnügen erwartet. Anders als beim letzten offiziellen Fest 1997 dürfen aber in diesem Jahr keine Stände auf dem Eis stehen. Dafür locken am Ufer 60 Buden mit Glühwein, Punsch, Kakao, Würstchen und Waffeln. Auch eine mobile Sauna, Kinderschminken und viel Musik werden geboten. Das Betreten der Außenalster erfolgt auf eigene Gefahr, auf die Binnenalster darf niemand gehen.
Neben den Freizeitsportlern nutzten auch die Eishockeyprofis von den Hamburg-Freezers das Alstereisvergnügen für eine Show-Trainingsrunde. Anschließend stellten sich Serge Aubin, Rob Collins, Brett Engelhardt, John Curry, Kevin Schmidt und Patrick Traverse nach Angaben des Clubs den Autogrammjägern. Aber auch die Golfer präsentierten ihren Sport. Mit roten Bällen – damit man sie auch wiederfindet – veranstaltete der Golfclub auf der Alster mit rund 60 Teilnehmern die zweiten Alster Ice Golf Masters 2012.
Das erste durch eine Postkarte belegte Alstereisvergnügen gab es 1899. Die jüngsten offiziellen Feste gab es 1986, 1991, 1996 und 1997 mit rund einer Million Besucher. Im Winter 2009/2010 vergnügten sich rund 80 000 Menschen auch ohne offizielle Freigabe auf dem Eis. Um den Segen von der Umweltbehörde für ein offizielles Alstereisvergnügen zu bekommen, muss das Eis auf dem See durchgehend 20 Zentimeter dick und blasenfrei sein.
Lokale und Buden sind geöffnet, die Freezers kommen auch
Frau Umma bekommt ein Gespür für Eis
Ob die Alster auch in der kommenden Woche noch begeh- und befahrbar sein wird, ist unklar. „Wenn wir weiterhin blasenfreies Kerneis und Dauerfrost haben, stehen die Chancen gut“, sagt Frank Krippner, Pressesprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Am Freitag wurde an zehn verschiedenen Stellen eine Eisdicke von 20 bis 22 Zentimetern gemessen. Trotzdem gilt weiterhin: Betreten auf eigene Gefahr.
Und dennoch: Das Altereisvergnügen ist das Ereignis des Winters. Das Hamburger Abendblatt hat die besten Tipps zusammengetragen - so wird die Party garantiert ein (eisiges) Vergnügen.
Was bieten die Buden an?
Am nördlichen Ende der Alsterwiesen gibt es Ingwertee, indische Spezialitäten, Punsch, Wildgulasch oder vegetarische Speisen. Nur wenige Hundert Meter weiter südlich locken weitere 25 Stände mit Apfelpunsch aus dem Alten Land, Hochzeitssuppe oder dem Klassiker, der Bratwurst. Gegenüber dem Hotel Atlantic befinden sich zehn Buden: Es gibt heiße Caipirinhas, Suppe und Bratwurst. Am Schwanenwik schenken gleich vier Stände Glühwein aus. Neben einem Schlittschuhverleih werden auf den Alsterwiesen auch Handschuhe, Schals und Mützen angeboten. Außerdem gibt es dort eine mobile Sauna plus Eistauchbecken.
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Besonders geschäftstüchtige Hamburger waren übrigens klar im Vorteil, weil die Standflächen diesmal nicht öffentlich ausgeschrieben waren. Grund: Die Bezirke Eimsbüttel, Mitte und Nord hatten für eine "reibungslose Organisation" zuvor drei private Veranstalter - die düsselburger GmbH, die Veranstaltungsfirma Uba und den Catering-Service "Kochlust - mit der Vergabe der Plätze beauftragt. Unmittelbar nach Freigabe der Alster am Mittwoch meldeten sich die ersten Interessenten - die 20 Plätze in den Bezirken Mitte und Nord waren im Nu vergeben. Eine geringe, aber faire Chance hatten die 400 Bewerber um die 40 Stände im Bezirk Eimsbüttel: Hier lief die Antragsfrist erst am Donnerstagabend ab - die Betreiber wurden ausgelost.
Welche Cafés sind geöffnet?
Alle Cafés an der Alster haben geöffnet. Es gibt Glühwein, Apfelpunsch und heiße Schokolade, die Preise liegen zwischen 2,20 und 3,60 Euro. Zum Essen gibt es in den verschiedenen Lokalen Bratwürste, Erbsensuppe und Crêpes für 2,50 bis 4 Euro.
Wie wird das Wetter?
Der kalte Ostwind ist schwächer geworden, die Temperaturen liegen am Sonnabend zwischen minus zwei und minus acht Grad, dazu gibt es einen "freundlichen Mix aus Sonne und Wolken", sagt Meteorologe Alexander Hübener. Am Sonntag nehme bei milderen Temperaturen die Bewölkung zu und bringe Schnee mit sich.
+++ Der schnellste Weg aufs Eis +++
+++ Eine Million Besucher zur Winterparty erwartet +++
Wie schütze ich mich vor Erfrierungen?
"Ziehen Sie sich warm an, mit dicksohligen Schuhen, Mütze, Handschuhen und vor allem langer Unterwäsche - Jeans reichen nicht", rät Hautärztin Wiebke Petzold. Um sich im Gesicht vor Erfrierungen zu schützen, sollte man eine Creme mit hohem Fettanteil verwenden. Wichtig: nicht zu lange draußen bleiben, nicht zu viel Glühwein trinken. Alkohol erweitert die Gefäße, was der Kälte mehr Angriffsfläche bietet. Schmerzen können auf beginnende Erfrierungen hinweisen. "Dann sofort aufwärmen", sagt die Ärztin. Am besten mit warmen Bädern, heißen Getränken und Wärmesalbe.
Gibt es noch Betten in den Alster-Hotels?
Richtig eng wird es offenbar nicht. "Unsere Gäste freuen sich auf das Alstereisvergnügen, gestiegene Buchungszahlen gibt es aber nicht", heißt es aus den Hotels Atlantic, Vier Jahreszeiten und Bellevue. Lediglich Jennifer Hauber, Reservierungsleiterin vom Le Royal Méridien, sagt: "Das Alstereisvergnügen macht sich bemerkbar. Im Vergleich zum Vorjahresmonat verzeichnen wir einen Zuwachs." Die Hamburg Tourismus GmbH rechnet indes damit, dass das Gros der Besucher aus der Metropolregion und dem Umland kommt. Allerdings habe man auch Pressemitteilungen an Medien in Österreich, der Schweiz und Dänemark verschickt. Die Tourismus GmbH geht davon aus, dass diesmal mindestens so viele Besucher kommen wie 1997 - also mehr als eine Million Menschen.
Gibt es noch warme Schuhe?
"Warme und rutschfeste Schuhe sind unverzichtbares Rüstzeug für einen Alstereisspaziergang", sagt ein Feuerwehrsprecher. Wer noch kein vernünftiges Schuhwerk hat, muss sich ranhalten. In manchen Hamburger Schuhgeschäften werden Winterschuhe bereits knapp. Auch bei Taschenwärmern gibt es nach einer Abendblatt-Umfrage Engpässe in den Geschäften.
Was ist erlaubt, was nicht?
Gestattet sind natürlich ein Spaziergang auf dem Eis, Schlittschuhlaufen, Schlitten- und Fahrradfahren - aber ohne Spikes an Reifen oder Schuhen. Lebensgefährlich ist das Betreten der Binnenalster, tabu sind Menschenansammlungen jeder Art sowie Tanzen und Hüpfen, da das Eis an manchen Stellen nur 15 Zentimeter dick ist. Entsprechend energisch reagierte die Umweltbehörde, als NDR 2 gestern Morgen seine Zuhörer zu einem gemeinschaftlichen Schneewalzer auf dem Alstereis mit den Moderatoren Ilka Petersen und Holger Ponik aufrief. Auf Bitten der Behörde sagte der NDR darauf die Veranstaltung ab.
Um die Verbote einzuhalten, sind am Wochenende zahlreiche Mitarbeiter der Umweltbehörde und die bezirklichen Ordnungsdienste im Einsatz. Außerdem untersagt: das Zelten, Grillen und das Wegwerfen von Müll, offiziell verboten sind auch Schlitten als "mobile Verkaufsstände" für Glühwein.
Und so kurios es klingt: Auch das Landen mit einem Flugzeug ist verboten: Beim letzten Alstereisvergnügen 1997 setzten ein paar Norweger mit einem Flugzeug auf der Alster auf, spielten Golf - und flogen wieder ab.
Hamburgs Eisgang
Die ersten Schritte sind noch vorsichtig. Hält das wirklich? Wie plötzlich erstarrt sind der Steg, kleine Tampen, ein Ruderboot hier am Ufer am Alsterglacis im Eis gefangen. Brüchig erscheinen die Schollen, die sich dort übereinandergeschoben haben: Noch vor wenigen Tagen muss hier jemand durch eine dünne eisige Schicht gepaddelt sein. Tiefe weiße Risse sind zu sehen, doch nichts knackt, knirscht oder gurgelt gar. Auch nicht, wenn man hüpft, natürlich noch in Sprungweite zum Land. Das Eis - es hält tatsächlich, selbst hier am Ufer, wo es doch noch so bewegt aussieht. Mit festem Schritt gehen wir weiter raus aufs Wasser, wenn man so will - ein Eisvergnügen-Test am Vortag des großen kalten Volksfests an diesem Wochenende auf Hamburgs großem Innenstadtsee.
Jetzt zeigt er sich vor allem weiß: Dunkle Eisflecken wechseln sich mit Schneefeldern ab. Spaziergänger, vereinzelte Schlittschuhläufer, haben diesen plötzlichen Landgewinn mitten in der Stadt für sich schon gestern okkupiert. Erstaunlich griffig, manchmal sogar rau ist der Untergrund. Mehr Wanderweg als Eisbahn. Dann sind da wieder freie dunkle, glatte Flächen. Ideal für den spontanen Straßenschuhrutscher. Anlauf nehmen auf dem harschen Schnee - dann rutschen auf der Eisbahn: So geht's flott vorwärts. Laufen, rutschen, laufen.
Schneller sind Schlittschuhläufer: Die Kufen schaffen durch Reibung ein kurzes hauchdünnes Auftauen - und darauf gleitet es sich nicht schlecht, sagt Michael Vitzthum. Der Mann aus der Medienbranche macht die Pflicht hier zur Kür: Er fährt von Winterhude zur Straße Alsterglacis mit Schlittschuhen zur Arbeit. "Zwölf Minuten nur, es geht, auch, wenn es ein bisschen holprig ist", sagt er.
Einige Meter weiter zieht ein Skilangläufer seine Bahn quer über seine persönliche hamburgische Loipe. Drei U-Bahn-Stationen ist Alf-Tomas Epstein mit der U-Bahn hierhergefahren, und er dürfte mit den Skiern einige neugierige Blicke auf sich gezogen haben auf dem Weg zu seinem ungewöhnlichen Wintersportgebiet. "Vielleicht ist es nicht so gut wie im Harz, aber es bringt Spaß", sagt er und gleitet wieder dahin. Nebenan ziehen weitere einsame Schlittschuhläufer ihre Bahnen. Dick in Mäntel verpackt, kämpfen sich Spaziergänger von der Innenstadt Richtung Winterhude. Irritierte Hunde sind zu sehen, die mit dem teilweise glatten Untergrund wenig anfangen können und eher vorsichtig übers ungewohnte Terrain stapfen und immer wieder seitwärts wegdriften, was ganz witzig aussieht.
Kalt weht der Nordostwind über die weite freie weiße Fläche, sonst treibt er Segelboote an, jetzt Fußgänger, denen es zu kalt wird, wenn man nur steht und guckt. Feine Schneenebel fegt er dicht über den Boden. Mit jeder Minute kühlt der eisige Wind mehr - und mancher derjenigen, die sich weit aufs Eis gewagt haben, wirkt eher wie 1812 ein geschlagener Soldat der Napoleon-Armee auf dem Rückzug aus Russland.
Das Alstereisvergnügen kann eben auch zur Alstereisexpedition werden. Wir drehen daher um, Kurs Innenstadt: Nun ist alles wieder wunderbar: Die Sonne scheint ins Gesicht, der Wind pustet nur noch in den Rücken: Vor einem die riesige weiße Fläche, dahinter die Kirchturmsilhouette der Stadt. Und wieder geht es weiter im winterlichen Alsterzweikampf: Anlauf nehmen, rutschen, Anlauf nehmen, rutschen. Dann in der Mitte ein plötzliches Hindernis: Ein breite sägezahnartige Schollenschneise führt quer durch die Außenalster - hier muss vor Kurzem noch ein Alsterdampfer durchgepflügt sein. Ob auch hier das Eis hält? Vorsichtig tapsen sich die ersten Eisbesucher heran an das Hindernis: Risse sind zu sehen, die tief und weiß und wohl schon wieder zusammengefroren sind. Auch hier knirscht nix. Fünf Zentimeter sollen schon reichen, um eine einzelne Person zu tragen. Ab 18 Zentimeter Eisdicke könnten Autos laut offizieller Eis-Tragfähigkeitsformel drüberfahren. Die berechnet sich aus den Anteilen von "Blaueis" und "Weißeis", wie es in den Beschreibungen heißt. Doch wer weiß das schon so genau? Verlassen wir uns also auf die Hamburger Behörden, die an etlichen Stellen sogar eine Stärke von 22 Zentimetern gemessen hatten. Das sollte sogar die Million Menschen tragen, die an diesem Wochenende kommen sollen. "Deutschlands größte Winterparty auf dem Eis", verspricht die Hamburg Tourismus GmbH vollmundig und führt jetzt sogar schnell noch mit Pauschalangeboten Touristen auf Eis. Na denn: Guten Rutsch.