Berlin. Das KI-Start-up DeepSeek stellt Gewissheiten der Branche infrage. Was die ganze Aufregung soll – und wie sich Anleger verhalten sollen.
Ein chinesisches KI-Start-up sorgt für einen weltweiten Abverkauf bei Tech-Aktien. Experten über DeepSeek, die Börsenreaktionen und was sie für Anleger bedeuten sowie die Frage nach KI-Antworten aus Europa.
Was ist DeepSeek?
DeepSeek macht im Grunde nicht so viel anders als bestehende KI-Modelle von OpenAI und Google oder Meta. Nutzer können diese Anwendungen wie zum Beispiel ChatGPT als Chatbot in einer eigenständigen App nutzen oder auch über eine Schnittstelle in eigene andere Anwendungen einbinden. Bei DeepSeek allerdings sei die Entwicklung offenbar deutlich kostengünstiger als bei den bislang führenden KI-Modellen gewesen, sagt Eva-Maria Weiß, KI-Expertin des Computermagazins „heise online“ dieser Redaktion.
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„DeepSeek hat damit gezeigt, dass man vielleicht doch nicht ganz so viel Rechenpower braucht, wie bisher gedacht – wie zum Beispiel das Projekt Stargate. Dadurch bringt DeepSeek den Markt und die Börse ins Wanken“, so Weiß weiter. Stargate war erst in der vergangenen Woche vom neuen US-Präsidenten Donald Trump verkündet worden. Dabei sollen in den nächsten Jahren rund 500 Milliarden US-Dollar investiert werden – vor allem in KI-Rechenzentren. Zweifel daran, ob eine Summe in dieser Größenordnung noch nötig ist, zogen zunächst auch Energiewerte wie Siemens Energy, die auf Partnerschaften mit den großen Tech-Konzernen bei Rechenzentren setzen, an der Börse in den Keller. Aber auch Chipkonzerne wie Nvidia und ASML sowie Zulieferer wie Marvell Technology mussten Kursverluste im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen.
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Warum bringt DeepSeek Gewissheiten ins Wanken?
Experten sehen DeepSeek vor allem als Beweis dafür, dass es auch im KI-Bereich noch technologischen Spielraum nach oben gibt. Vor allem durch methodische Innovationen im Bereich der generativen KI sind augenscheinlich weiterhin große Effizienzgewinne möglich, sagt der stellvertretende Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Hannes Ulrich, dieser Redaktion. „Für einige Investoren ist diese Erkenntnis kurzfristig erschütternd, da führende Industrieexperten die Bedeutung von immens teuren und begrenzten Rechenkapazitäten größer als die zukünftiger technologischer Fortschritte hielten – zumindest für die nächsten Jahre“, erklärt er.
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Wer steckt hinter DeepSeek?
Die Firma wurde 2023 vom Hedge-Fonds-Manager Liang Wenfeng gegründet – und soll sich ein Paket von Nvidia-Chips gesichert haben. Deepseek setzt auf Open-Source-Modelle, bei denen der Quellcode öffentlich einsehbar ist. Die Daten werden auf Servern in China gespeichert. Der chinesischen Regierung nicht genehme Informationen, etwa zum Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989, werden vom Chatbot unterschlagen.
Warum reagierten die Börsen derart massiv?
Ulrich Stephan, Chefanlagestratege Deutschland für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, hält die zuletzt gesehene Korrektur für gesund. „Da ist ein bisschen Luft herausgelassen worden aus der Spekulation um Künstliche Intelligenz und das vor allen Dingen im Bereich Hardware und Chips“, so Stephan im Gespräch mit dieser Redaktion. Stephan zufolge habe der Markt aber sehr differenziert reagiert und das in einer Woche, die geprägt sein dürfte von Nachrichten. Neben den Finanzberichten von vier US-Tech-Unternehmen werden auch Zinsentscheidungen der Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks erwartet.
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Wie gut DeepSeek sei, werde sich erst noch zeigen, sagt der Börsenexperte Christian Röhl dieser Redaktion. Nicht auszuschließen sei aber, dass der KI-Hype in diesen Tagen in eine neue Phase eintrete: „Falls Rechenleistung doch nicht so lange so knapp und teuer bleibt wie bislang gedacht, sollte das die Marktdurchdringung beschleunigen, sodass sich die bislang vor allem auf die Hardware-Hersteller konzentrierte Wertschöpfung in Richtung der Anwendungen verschiebt“, vermutet Röhl. Erste Anzeichen dafür sehe er bereits. „Denn während Nvidia & Co. zurechtgestutzt wurden, standen bei den Plattform-Giganten Apple, Meta und Amazon sogar Kursgewinne zu Buche, genau wie beim Consulting-Riesen Accenture oder zahlreichen spezialisierten Software- und Cloud-Aktien“, so Röhl.
Wie sollten sich Anleger jetzt verhalten?
Nicht in Panik verfallen, sondern breit streuen, empfiehlt Röhl, der Chefökonom bei der Investmentplattform Scalable Capital ist. „Diversifikation entlang der KI-Wertschöpfungskette sollte sich auch langfristig auszahlen. Wobei aus der Perspektive passiver Investoren noch hinzukommt: Künstliche Intelligenz wird Wirtschaft und Gesellschaft so nachhaltig beeinflussen und umwälzen, dass auch ein breit gestreuter Weltportfolio-ETF in letzter Konsequenz ein KI-Investment ist“, sagt er weiter.
Die KI-Entwicklung sei nicht am Ende, sagt auch Ulrich Stephan. „Wenn Künstliche Intelligenz einfacher und preiswerter wird, dann werden sich mehr Teilnehmer darauf stürzen, was die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität erhöht. Insgesamt ist das ein gutes Signal für die Volkswirtschaften“, so der Ökonom. Anleger, die neu einsteigen wollen, könnten aber noch abwarten, „bis sich der Nebel gelichtet“ habe und man wisse, was genau die chinesische KI könne.
Was bedeutet DeepSeek für europäische KI-Bemühungen?
DIW-Forscher Hannes Ulrich hält die Entwicklung für Europa, wo KI-Modelle eher angewandt als entwickelt werden, für positiv. „Denn in kurzer Zeit könnten nun deutliche günstigere KI-Lösungen möglich sein“, sagt Ulrich. US-Unternehmen hätten allerdings weiterhin entscheidende Wettbewerbsvorteile, da sie ihre KI-Lösungen in bestehende Software integriert anbieten können.
Der Digitalverband Bitkom sieht in DeepSeek auch ein Anzeichen dafür, dass Deutschland und Europa hätten den KI-Wettlauf noch nicht verloren hätten. Nun aber müsse man das „Warmmachen beenden und mit dem Rennen beginnen“, sagt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung, dieser Redaktion. „DeepSeek zeigt, dass der KI-Markt noch viel dynamischer ist als angenommen und dass weder die Sieger noch die Verlierer schon feststehen – und es noch lange kein KI-Monopol in den USA gibt“, so Dehmel weiter. Nun seien hierzulande aber mehr Geld und mehr Unterstützung für europäische KI-Unternehmen nötig.
Anita Wölfl, KI-Expertin vom ifo Institut, sieht durch DeepSeek das Thema „vertrauenswürdige und verlässliche KI“ stärker im Vordergrund. „Hier ist die EU mit dem AI-Act in Führung gegangen; diesen gilt es nun schnell und bürokratiearm umzusetzen“, fordert sie.
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