Berlin. Mehr Beschäftigte, aber so viel Teilzeit wie noch nie, dazu viele Ältere: Eine Studie zeigt die Herausforderungen im öffentlichen Dienst.
Erzieherinnen und Erzieher in Kitas, Lehrerinnen und Lehrer in Schulen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen der Landkreise und der Städte – sie alle zählen zum öffentlichen Dienst in Deutschland. Und viele von ihnen fühlen sich offenbar verstärkt durch ihr eigenes Arbeitsumfeld belastet. Das legen neue Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) nahe, die unserer Redaktion exklusiv vorliegen.
Auch interessant
Dem noch unveröffentlichten DGB-Personalreport zufolge arbeiteten zum Stichtag 30. Juni 2023 gut 5,27 Millionen Menschen für den öffentlichen Dienst von Bund, Ländern und Kommunen. Das waren zwar etwa 64.000 Beschäftigte mehr als im Vorjahr. Doch gleichzeitig stieg der Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit 35,1 Prozent weiter an und liegt nun auf einem neuen Rekordhoch.
Öffentlicher Dienst: mehr Beschäftigte, aber keine Entspannung der Personallage
Die gestiegene Beschäftigtenzahl führe daher laut DGB dennoch nicht zu einer Entspannung der Personallage. Laut noch unveröffentlichten Daten aus der repräsentativen Umfrage „DGB-Index Gute Arbeit“ geben 53 Prozent der Befragten aus dem öffentlichen Dienst an, von Personalmangel in (sehr) hohem Maße betroffen zu sein. Der Engpass an Kolleginnen und Kollegen ist der Befragung zufolge vielfach zudem ein Dauerzustand: Gut zwei Drittel der Beschäftigten (66 Prozent) geben an, dass der Personalmangel länger als ein Jahr andauert.
Der DGB kritisierte mit Blick auf die Zahlen, dass „überall“ Personal fehle. „Bei den Beschäftigten steigt die Frustration – und im schlechtesten Fall verlassen sie den öffentlichen Dienst. Die Bürgerinnen und Bürger verlieren immer mehr Vertrauen in den Staat, weil sie überall im Land immer schlechter funktionierende öffentliche Dienstleistungen erleben müssen“, sagte die Vizechefin des Gewerkschaftsbunds, Elke Hannack, unserer Redaktion. Gleichzeitig erteilte Hannack einzelnen Forderungen von CDU und Grünen eine Absage, im öffentlichen Dienst zu sparen und Personal abbauen zu wollen.
- Karriere: Frauen im Job – Diese Körperhaltungen signalisieren Schwäche und Nachgiebigkeit
- Arbeitsrecht: Diensthandy privat nutzen: In diesen Fällen droht die Kündigung
- Job & Treue: Affäre: Wer geht häufiger fremd? Bei diesem Beruf ist das Risiko besonders hoch
- Psychologie: Erfolg im Job – Diese Körpersprache killt in Sekunden Ihre Karriere
Öffentlicher Dienst: Personalzuwachs zuletzt vor allem bei den kommunalen Kitas
„Die aktuelle Finanzlage von Bund, Ländern und Kommunen ist zum Großteil selbst verschuldet, weil immer noch an der überkommenen Schuldenbremse festgehalten wird. Dabei braucht es jetzt dringend mehr Investitionen, um den Staat handlungsfähig zu halten. Wir brauchen mehr Geld für unsere Infrastruktur, aber auch für die Ausstattung und das Personal des öffentlichen Dienstes“, erklärte die Gewerkschafterin weiter. Hannack warb erneut für eine langfristige Personalstrategie.
Nach der Wiedervereinigung war im öffentlichen Dienst massiv Personal abgebaut worden: Zwischen 1991 und 2008 sank die Zahl der Beschäftigten von über 6,7 Millionen auf 4,5 Millionen – auch wegen der Privatisierung staatlicher Unternehmen wie Bahn und Post. Seit 2009 steigt das Personal von Bund, Ländern und Kommunen wieder an. Zuletzt ging vor allem die Zahl der Beschäftigten bei der Kinderbetreuung wieder nach oben. Ein knappes Fünftel des Personalzuwachses im öffentlichen Dienst des vergangenen Jahres fand nur in diesem einzelnen Bereich statt. Insgesamt wuchs die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher in den kommunalen Kitas um gut 11.500.
- Altersvorsorge: Ruhestand mit 30, 40 oder 50? So viel Geld brauchen Sie dafür
- Arbeit & Ausbildung: 5000 Euro für Azubis – Deutschlands bestbezahlte Berufe
- Arbeitsplatz: Abfindung im Job kassieren? Diese Tipps sind bares Geld wert
- Ruhestand: Drei Banker verraten, was sie für ihre Altersvorsorge tun
- Wohnen und Mieten: Reich werden mit Airbnb – Zwei Brüder verraten, wie es geht
- Geldanlage: Goldpreis auf Rekordhoch: Lohnt sich der Einstieg noch?
Öffentlicher Dienst: In welchen Bereichen am meisten in Teilzeit gearbeitet wird
Gleichzeitig sind die Kindertagesstätten der Bereich, in dem die Beschäftigten am häufigsten in Teilzeit arbeiten. Bei der Nachwuchsbetreuung liegt die Teilzeitquote bei 61,7 Prozent – ein Rekord innerhalb des öffentlichen Dienstes. Es folgen Schulen (Teilzeitquote 46,6 Prozent) und das Gesundheitswesen (44,8 Prozent). Gering ist der Teilzeitanteil bei der Polizei, wo nur 11,2 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeitszeit reduziert haben. Grundsätzlich wird vor allem in den Berufen stärker in Teilzeit gearbeitet, in denen vielen Frauen tätig sind. Über den gesamten öffentlichen Dienst hinweg arbeitet jede zweite Frau weniger.
Als Gründe nannten die Beschäftigten schon in der Vergangenheit, vor allem mehr Zeit für die Familie (45 Prozent) und mehr Freizeit (39,6 Prozent) haben zu wollen. Aber auch Arbeitsbelastung und Personalmangel sind Gründe für viele Beschäftigte, reduziert zu arbeiten. Knapp 40 Prozent der Teilzeitbeschäftigten hatten in einer Arbeitszeitbefragung von Verdi 2024 erklärt, dass Vollzeit sie zu sehr belasten würde. Konfrontiert mit den Ergebnissen antwortete das Bundesinnenministerium auf Nachfrage: „Die Höhe der Arbeitsbelastung kann im öffentlichen Dienst je nach Aufgabe und Behörde unterschiedlich ausfallen.“
- Finanzielle Absicherung: Ausgesorgt mit 50 – Vermögensprofi erklärt Erfolgstipps für direkten Weg
- ADHS und Geld: Sechs Tipps gegen das Finanzchaos im Kopf
- Ohne Job: So hab ich als Alleinerziehende trotzdem fürs Alter vorgesorgt
- Rente: So gelingt die Altersvorsorge ab 50 – Experten nennen fünf einfache Schritte
Öffentlicher Dienst: Teilzeit beschneiden?
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte für den öffentlichen Dienst zuletzt verschärfte Teilzeitregeln ins Spiel gebracht. In Baden-Württemberg gelten für Lehrkräfte bereits sei diesem Schuljahr strengere Teilzeitregeln – der falsche Weg, findet der DGB. Vizechefin Hannack nannte das Schließen von Personallücken durch das Einschränken von Teilzeitmöglichkeiten gegenüber unserer Redaktion eine „absurde Idee“. „Die Aktivierung von Teilzeitkräften hin zu mehr Stunden wird nur möglich sein, wenn sich die Arbeitsbedingungen spürbar verbessern“, so Hannack. Bund, Länder und Kommunen müssten also für attraktive Arbeitsbedingungen sorgen, für eine bessere Ausstattung der Dienststellen und Behörden und für mehr Personal.
Vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), der auch für die Kommunen spricht, hieß es mit Blick auf das Rekordhoch bei der Teilzeit im öffentlichen Dienst, die Corona-Pandemie und die Flüchtlingsmigration hätten Beschäftigte „erheblich gefordert“. „Wir dürfen perspektivisch keinen Zweifel daran lassen, dass der öffentliche Dienst als attraktiver Arbeitgeber auch bei den Arbeitszeitmodellen auf die jeweilige Situation der Beschäftigten eingeht“, erklärte DStGB-Hauptgeschäftsführer André Berghegger gegenüber unserer Redaktion. Bei der Ausgestaltung der Arbeitszeitmodelle sei aber ebenso „die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung in den Städten und Gemeinden zu berücksichtigen“.
Doch nicht nur das Teilzeithoch ist problematisch für die Arbeitgeber, auch der demografische Wandel setzt den öffentlichen Dienst unter Druck. Im Jahresvergleich ging das Durchschnittsalter zwar leicht zurück, lag 2023 aber noch immer bei vergleichsweise hohen 44,1 Jahren. Die Folgen könnten dramatisch sein: Laut DGB-Report könnten in den nächsten zehn Jahren 27 Prozent und in den nächsten 20 Jahren 50,3 Prozent der Beschäftigten den öffentlichen Dienst altersbedingt verlassen.