Berlin. Beim gemeinsamen Einkauf greift die Expertin zu mehreren Produkten, über die sie sich ärgert. Verbraucher warnt sie vor einer Falle.

Die salzigen Knabbereien bereiten Ramona Pop Sorgen. Eine ganze Wand ist vollgepackt mit unterschiedlichsten Produkten: Chips entweder salzig, scharf oder mit Paprika, Erdnüsse mit und ohne Panade, Cracker in jeglichen Geschmackssorten; große Tüten für die ganze Familie, kleinere für den Snack zwischendurch; bekannte Marken wie No-Name-Produkte. Trotzdem: Deutschlands oberste Verbraucherschützerin interessiert sich weniger für den Geschmack.

Die 46-Jährige fischt zielgenau eine Packung Erdnussflips aus dem Supermarktregal. „Vor kurzem waren in dieser Packung noch 200 Gramm drin, jetzt sind es nur noch 175 Gramm“, erklärt Pop. „Eine echte Mogelpackung.“ Weniger Inhalt, gleicher Preis. 2023, als Deutschland besonders mit der Inflation zu kämpfen hatte, gab es laut Verbraucherzentrale so viele Mogelpackungen wie nie zuvor.

Pop ist an diesem windigen Februartag nicht zum Wocheneinkauf in den Supermarkt in Berlin gekommen. Sie ist wegen der Preise hier.

Ramona Pop, Vorstandsvorsitzende der Verbraucherzentrale, beim Einkaufen in einem Berliner Supermarkt.
Ramona Pop, Vorstandsvorsitzende der Verbraucherzentrale, beim Einkaufen in einem Berliner Supermarkt. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

„25 Gramm weniger ist zwar nicht die Welt“, sagt sie und hält die Erdnussflips-Tüte hoch, „aber wenn der Hersteller den gleichen Preis dafür verlangt, dann ist das schon unverschämt.“ In beinahe jedem Gang sieht die Verbraucherschützerin Produkte, die ihr missfallen: Ob Säfte, Joghurt, Margarine, Mundspülung – überall findet sie Mogelpackungen.

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Verbraucherschützerin: Mogelpackungen überall im Supermarkt

Nicht nur sie kommen Supermarktkunden teuer zu stehen. Die Inflation macht sich bei jedem Einkauf bemerkbar. „Die Inflation bei Lebensmitteln war 2023 etwa doppelt so hoch wie in anderen Bereichen“, erklärt Pop. Und nennt Zahlen: Zucker war beispielsweise 2023 um gut 52 Prozent teurer als noch im Jahr zuvor. Olivenöl hatte sich in dieser Zeit um knapp 28 Prozent verteuert, Brot, Brötchen und Gemüse um rund 13 Prozent. Das Fazit der Verbraucherschützerin: „Lebensmittel sind Preistreiber der Inflation.“

Laut Statistischen Bundesamt lag die Inflationsrate in Deutschland 2023 bei 5,9 Prozent, nachdem 2022 mit 6,9 Prozent ein historischer Höchststand erreicht wurde. Insbesondere Nahrungsmittel verteuerten sich stark; 2023 gegenüber dem Vorjahr im Durchschnitt um gut 12 Prozent.

Was bedeutet das für die Verbraucher? „Wir wissen aus Befragungen, dass die Menschen ihr Kaufverhalten angepasst haben, auf günstigere Alternativen ausweichen oder sich einschränken und weniger kaufen“, sagt Pop. Die 46-Jährige nimmt eine Flasche Saft aus dem Regal. „Hier ist jetzt weniger Fruchtgehalt drin, aber mehr künstliches Aroma.“

Pop: Einmahlzahlung für Familien mit geringem Einkommen

Pop, privat selbst eine passionierte Köchin, fordert seit Langem, die Mehrwertsteuer für gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abzuschaffen. Ihre Sorge: „Die Inflation trifft zwar jeden. Aber Menschen mit geringen Einkommen erwischt es besonders hart – und wir dürfen nicht zulassen, dass diese sich kein gesundes, frisches Essen mehr leisten können.“ Ihre Idee: Verbraucher mit niedrigem Einkommen sollten von der Bundesregierung mit einer Einmalzahlung finanziell entlastet werden.

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Die Chefin der Verbraucherzentrale will auch, dass die Ampel endlich genauer hinschaut, wie sich die Lebensmittelpreise entwickeln – und eben diese Entwicklung transparent zu machen. „Es kann nicht sein, dass das eine Blackbox ist“, ärgert sich Pop.

Als positives Vorbild nennt sie Frankreich, wo nicht nur Mogelpackungen kenntlich gemacht werden müssen. Staat und Hersteller verhandeln dort jedes Jahr die Verkaufspreise für Markenprodukte. Daraus ergeben sich dann die Preise in den Supermarktregalen.

Pop schlägt Gipfel zur Regulierung der Preise vor

Für Deutschland schlägt Pop einen Preisgipfel mit den wichtigen Akteuren vor: Bundesregierung, Landwirte, Hersteller. Denn auch Deutschlands oberste Verbraucherschützerin ist mit ihrem Latein langsam am Ende. „Es ist nicht mehr nachvollziehbar, warum die Lebensmittelpreise weiter steigen, aber die Energiepreise zum Beispiel wieder sinken“, sagt sie. „Die Landwirte sagen, bei ihnen kommen die höheren Preise am Ende nicht an, die Logistiker auch. Die Hersteller, aber auch der Handel haben eine sehr große Marktmacht. Und die Bundesregierung muss genau hinschauen, dass diese Marktmacht nicht ausgenutzt wird“, fordert Pop.

Ramona Pop, Vorstandsvorsitzende der Verbraucherzentrale, rät Angebote und Preise in Supermärkten zu vergleichen. So könnte man sparen.
Ramona Pop, Vorstandsvorsitzende der Verbraucherzentrale, rät Angebote und Preise in Supermärkten zu vergleichen. So könnte man sparen. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Und dann schweift sie nochmals in ein anderes Land ab, um ein positives Beispiel zu nennen. In Israel müssten beispielsweise Supermarktketten, die mehr als 100 Filialen hätten, ihre Preise im Internet ausweisen. So könnten Kunden einfach von zu Hause oder via App die Preise vergleichen. „So konnten in Israel die Lebensmittelpreise tatsächlich etwas gedämpft werden“, sagt Pop.

Verbraucherschützerin: Preise werden weiter steigen

Eine gute Nachricht für das kleine Land am Mittelmeer. Doch trotz aktuell sinkender Inflation sieht es vorerst nicht nach Entspannung an deutschen Supermarktkassen aus. „Die Hersteller haben angekündigt, in die nächste Preiserhöhungsrunde zu gehen; die Preise werden also nochmal steigen“, sagt Pop. Ihr Tipp, wie man trotzdem günstiger einkaufen kann: „Preise vergleichen ist das A und O.“

Es gäbe signifikante Unterschiede für gleiche Produkte verschiedener Hersteller. Als Beispiel nennt sie Fruchtsäfte oder Nudeln. Außerdem sollte man auch auf besondere Angebote der jeweiligen Märkte achten. An der Gemüsetheke greift sie nach einem Brokkoli und erklärt, dass frische Lebensmittel im Vergleich oft günstiger seien. „Verarbeitete Lebensmittel, Fertiggerichte zum Beispiel, sind am Ende immer teurer als frisch gekochte.“

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