Berlin. Das Leben in Deutschland hat sich im abgelaufenen Jahr erneut deutlich verteuert. Was Ökonomen und Verbraucherschützer jetzt fordern.
Deutschlands Verbraucher zahlen im Vergleich zum Vorjahr weiter viel mehr Geld für Dienstleistungen und Produkte: Die Inflation legte im Jahresdurchschnitt 2023 um 5,9 Prozent zu. Das ist die zweithöchste Teuerungsrate seit der Wiedervereinigung. Wichtige Fragen und Antworten.
Was treibt die Teuerung an?
Vor allem die Folgen des . Schon direkt nach dem Überfall im Februar 2022 verteuerten sich vor allem Energie und Lebensmittel sprunghaft. Bis auf 8,8 Prozent kletterte die Teuerungsrate in Deutschland im Herbst 2022, das war der höchste Stand seit der Wiedervereinigung. Neuesten Zahlen zufolge zog die Inflation im Dezember des vergangenen Jahres nach fünf Monaten mit rückläufigen Werten wieder auf 3,7 Prozent an. Im November war mit 3,2 Prozent der niedrigste Stand seit Juni 2021 erreicht worden. Volkswirte hatten mit der Umkehr des Trends im Dezember gerechnet: Denn ein Jahr zuvor hatte der Staat in dem Monat einmalig die Kosten für den Abschlag der Gas- und Fernwärmekunden übernommen. Dieser preisdämpfende Effekt entfällt in der Berechnung für Dezember 2023.
Was bedeutet das für Verbraucher?
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, diese können sich für einen Euro weniger leisten. Der finanzielle Spielraum der Menschen schrumpft, Einkommenszuwächse werden von der Inflation aufgezehrt.
Was bedeutet hohe Inflation für meine Ersparnisse?
Dank der gestiegenen EU-Leitzinsen gibt es für Tages- und Festgeld auch wieder höhere Zinsen. Allerdings liegt der Ertrag nicht in jedem Fall über der Inflation. Häufig ist der Realzins, also der Zins für Spareinlagen nach Abzug der Teuerungsrate, noch negativ.
Was fordern Verbraucherschützer?
Die Vorsitzende der Bundesverbraucherzentrale (vzbv) blickt mit Sorge auf die Inflation in Deutschland. „Eine sinkende Inflation bedeutet keineswegs, dass die Preise fallen, sie steigen nur weniger schnell“, sagte Ramona Pop dieser Redaktion. Pop verwies in dem Zusammenhang auf die noch immer hohen Lebensmittelpreise im Supermarkt, die zu oft einer „Blackbox“ glichen. „Hier ist mehr Transparenz vonnöten“, sagte sie. Und forderte: „Die Bundesregierung sollte nach dem Beispiel Frankreichs eine Preisbeobachtungsstelle einrichten, um für mehr Transparenz bei den Lebensmittelpreisen zu sorgen.“
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Die vzbv-Chefin sagte weiter, noch immer seien viele Verbraucher wegen der steigenden Netzentgelte beim Strom, dem Ende der abgesenkten Mehrwertsteuer bei Gas und Fernwärme und wegen der zum 1. Januar gestiegenen CO₂-Bepreisung finanziell stark belastet. In Richtung Bundesregierung sagte Pop: „Die Menschen erwarten hier zu Recht den versprochenen Ausgleich über das Klimageld.“
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Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, nannte die hohen Inflationsraten für den Monat Dezember 2023 sowie für das gesamte zurückliegende Jahr „besorgniserregend“. „Die Verbraucherpreise sind noch weiter gestiegen und die hohe Inflation seit 2022 bleibt somit ein Armutsrisiko. Dadurch vergrößern sich nun noch die Sorgen der Millionen mit kleinem Geldbeutel. Gering verdienende, Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind oder eine sehr kleine Rente haben, leiden ganz besonders unter den Preisentwicklungen des letzten Jahres. Denn sie geben prozentual viel mehr ihres Budgets für Lebensmittel und Energie aus, bei denen die Inflation besonders hoch war“, so Engelmeier gegenüber dieser Redaktion. Der SoVD forderte die Politik auf, zu handeln: Der Mindestlohn müsse auf 15,02 Euro angehoben werden. Zudem müsse endlich der dringend erforderliche Inflationsausgleich für Rentnerinnen und Rentner kommen.
Wie geht es weiter mit der Inflation?
Volkswirte gehen davon aus, dass die Inflation sowohl in Deutschland als auch im Euroraum insgesamt weiter sinken wird. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) rechnet für 2024 etwa mit einer Teuerungsrate von 2,4 Prozent. Dessen Chef Marcel Fratzscher warnte aber vor den weiteren Folgen von Konflikten auf der Welt auf die Preise: „Gleichzeitig ist eine solche Prognose mit viel Unsicherheit behaftet, denn eine Eskalation der Kriege in der Ukraine und im Mittleren Osten, zunehmende Handelskonflikte oder Naturkatastrophen können schnell wieder zu stark steigenden Preisen führen“, sagte er dieser Redaktion. 2024 dürfte die Inflation wiederum sehr unsozial sein und Menschen mit geringen Einkommen deutlich härter treffen. „Vor allem die Mieten könnten weiter deutlich steigen. Und auch die Energiekosten könnten wieder steigen, da steuerliche Entlastungen wegfallen und der CO₂-Preis weiter zunehmen wird“, erklärte der Ökonom.
Wie sorgt der Staat für Entlastung?
Mit Preisbremsen für Strom und Gas hat die Bundesregierung versucht, Folgen der gestiegenen Kosten für Verbraucher und Unternehmen abzufedern. Die Bremsen für Strom und Gas waren im März 2023 eingeführt worden und galten rückwirkend auch für Januar und Februar. Geplant war eine Verlängerung bis Ende März 2024, doch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November machte der Bundesregierung einen Strich durch die Rechnung: Die Preisbremsen liefen daher zum Jahresende 2023 aus. Inzwischen sind überall in Deutschland ohnehin wieder Strom- und Gastarife verfügbar, die deutlich unter den Obergrenzen der Preisbremsen liegen.
Noch bis Ende 2024 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten bis zu 3000 Euro zusätzlich steuer- und sozialversicherungsfrei als sogenannte Inflationsausgleichsprämie auszahlen, als Hilfe angesichts allgemein gestiegener Preise.
Ökonom Marcel Fratzscher hält die Inflation für von der Politik nicht kontrollierbar. Aber die Politik könne besonders hart betroffene Menschen finanziell gezielt entlasten. “Die Bundesregierung sollte daher 2024 ihr Hauptaugenmerk auf eine stärkere Erhöhung des Mindestlohns und die Umsetzung des Klimageldes legen. Dies sind die effektivsten Instrumente, um vor allem Menschen mit geringen Einkommen zu entlasten und ihre Einkommen zu stärken“, sagte Fratzscher.