Bad Berleburg./Berghausen. Die Meinungen in der Bevölkerung gehen auseinander. BLB-Tourismus befürwortet Bau der Talsperre, doch Naturschützer haben erhebliche Bedenken.
Eine dritte Trinkwassertalsperre im Kreis Siegen-Wittgenstein wird dringend gebraucht. So lautet zumindest das Urteil von Umweltdezernent Arno Wied und Landrat Andreas Müller nach der Vorstellung der Machbarkeitsstudie im Umweltausschuss des Kreistags. Als möglichen Standort ziehen die Gutachter das Truftetal bei Bad Berleburg in Betracht (wir berichteten). Doch was sagen Anwohner, Tourismus Berleburg und Naturschützer dazu? Reporterin Nadine Schmidt hat nachgefragt.
Talsperre als Chance für Wittgenstein
„Ich sehe das eigentlich nur positiv“, sagt Charlotte Linde-Reber, Ortsvorsteherin aus Berghausen. „Das kann ja nur gut sein für uns in Berghausen, wenn hier eine Talsperre gebaut wird. Und wenn wir damit auch noch zur Verbesserung der Wassersituation im Kreis beitragen können, dann ist das natürlich toll.“ Sie sieht den Bau einer Talsperre als Möglichkeit, Berghausen als Wohn- und Urlaubsort attraktiver zu gestalten.
Man müsse sich ja nur einmal die Siegerländer Obernau-Talsperre anschauen: „Da gibt es ein Naherholungsgebiet und wunderbare Wanderwege rund um die Talsperre.“ So etwas würde sich nach ihr auch im Truftetal anbieten – gerade wegen der Nähe zum Rothaarsteig. Um die Biotope, die beim Bau einer Talsperre weichen müssten, macht Linde-Reber sich keine Sorgen. Aus einer Talsperre könne man ja auch Nutzen für die Natur ziehen, argumentiert sie.
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Auch Andreas Bernshausen, Geschäftsführer der „BLB-Tourismus GmbH“, äußert sich wohlwollend über das Bauvorhaben. „Eine Talsperre würde auf jeden Fall eine Aufwertung für den Tourismus in Wittgenstein bedeuten.“ Falls das Projekt in der Trufte tatsächlich grünes Licht bekomme, müsse man sich aber auch überlegen, ob man wirklich nur eine Trinkwassertalsperre bauen wolle.
Vor allem eine Bademöglichkeit würde die Lebensqualität im ländlichen Wittgensteiner Raum seiner Meinung nach beträchtlich erhöhen: „Wasser zieht immer.“ Eine nahe gelegene Talsperre würde vielleicht auch jüngere Menschen überzeugen, sich für immer in Wittgenstein niederzulassen. Dass die Natur im Truftetal dafür weichen müsste, sei natürlich schade – „ein weinendes Auge ist immer dabei“, so Bernshausen. Aber manchmal müsse man Opfer bringen: „Ich kann mich nicht waschen, ohne nass zu werden.“
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Heimatforscher sieht keine andere Option
Bernd Stremmel, ehemaliger Grundschullehrer und Heimatforscher aus Berghausen, betrachtet die Sache schon kritischer. „Ich begrüße den Bau einer Talsperre nicht“, sagt er. „Aber man muss sich den veränderten Gegebenheiten stellen. Die Sommer werden immer trockener, die Regenfälle immer seltener. So, wie ich es sehe, haben wir keine andere Wahl.“
Er befürchte seit Jahren, dass das Wasser irgendwann knapp werde. Aber wären die Zukunftsaussichten nicht so prekär, würde er das Truftetal am liebsten so erhalten, wie es ist. Abseits der Wasserversorgung glaubt er nicht daran, dass eine Trinkwassertalsperre Berghausen als Standort im touristischen Sinne deutlich aufwerten würde. „Das Truftetal ist jetzt schon ein Naherholungsgebiet“, erklärt Bernd Stremmel. „Teile davon würden durch den Bau einer Talsperre eher wieder kaputtgemacht.“
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Unberührte Biotope im Truftetal werden zerstört
Den ehemaligen Naturschutzreferenten im Vorstand des NABU-Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein, Michael Düben aus Rinthe, besorgen die Pläne für den Talsperrenbau. Er betont, wie viel Naturfläche durch eine Talsperre versiegelt würde: „Der Mensch verbraucht immer mehr Fläche – wir bauen alles zu.“ Auch die geschützten Biotope im Truftetal, die bei der Realisierung einer Talsperre zerstört würden, lassen ihn an der Richtigkeit des Bauvorhabens zweifeln.
„Es wird immer wieder davon geredet, man wolle Ausgleiche für die zerstörten Biotope schaffen - aber wo denn?“ Um die Artenvielfalt zu erhalten, sei es wichtig, dass Tiere und Pflanzen genügend Raum zum Leben und zum genetischen Austausch haben. Dieser würde ihnen durch eine Talsperre genommen. Natürlich, so Düben, gebe es Schlimmeres für die Natur als den Bau einer Trinkwassertalsperre. Er weist jedoch auch darauf hin, dass im Truftetal ein bisher noch recht unberührter Lebensraum für Flora und Fauna besteht, den man nach Möglichkeit erhalten sollte. „Wir gehen mit der Natur um, als gäbe es nach uns keine Menschen mehr.“ Anstatt eine dritte Talsperre zu bauen, sollte seiner Ansicht nach eher dafür gesorgt werden, dass die Bevölkerung weniger Wasser und weniger Fläche verbraucht.
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Entscheidung im Juni:
Der Wasserbedarf im Kreis Siegen-Wittgenstein steigt. Laut der Machbarkeitsstudie werden trotz sinkender Einwohnerzahlen 2030 17,89 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht. Der Pro-Kopf-Verbrauch steigt laut Prognose von 149 auf 156 Liter.
Zeitgleich nimmt das Wasserangebot der beiden bestehenden Talsperren in Netphen und Hilchenbach ab. Dies liegt einerseits an geringeren Niederschlägen, andererseits an einem größeren Wasserverlust durch Verdunstung in den immer heißer werdenden Sommern.
Die Entscheidung des Kreistags für oder gegen eine Talsperre im Truftetal wird im Juni fallen.
Die Kosten für eine neue Talsperre im Bad Berleburger Truftetal werden auf 150 bis 170 Millionen Euro geschätzt. Dazu kämen die Kosten für eine Anbindung an das Transportleitungsnetz, die sich voraussichtlich auf 40 bis 68 Millionen Euro belaufen.