Siegen. . Schauplatz Amtsgericht Siegen, Saal 183: Schöffenrichter Uwe Stark hat das Urteil gegen den Siegerländer E. (32) verkündet: ein Jahr und neun Monate mit Bewährung für eine Diebstahlserie. Ein Rentner kommentiert das Strafmaß hämisch. Richter Stark rechtfertigt sich und erklärt den Kritikern sein Handeln.

Es ist zehn vor zehn an diesem Morgen im Saal 183 des Amtsgerichts Siegen. Soeben hat Schöffenrichter Uwe Stark das Urteil gegen den Siegerländer E. (32) verkündet, der von Herbst 2013 bis Anfang 2014 eine Diebstahlserie hingelegt hat: ein Jahr und neun Monate mit Bewährung. Der Richter erntet für das verhängte Strafmaß einen heftigen Kommentar aus dem Publikum. „Das gibt es doch nicht“, grantelt ein ewiger Nörgler im Gerichtssaal.

Der Rentner äußert sich regelmäßig in dieser Form, immer unkommentiert von den Justizvertretern. Diesmal nicht. „Ich habe mir das nun schon zum fünften Mal angehört. Beim nächsten Mal werde ich den Ausschluss des Herrn beantragen. Ich finde das einfach nur unverschämt“, raunzt Verteidiger Christoph Rühlmann Richtung Zuschauerbank.

Was folgt, ist eine Diskussion des Vorsitzenden mit einem weiteren unzufriedenen Zuschauer, dessen Nachbar den Saal verärgert verlassen hat. „Das ist die Realität“, sagt Stark und gibt zu, „vor 29 Jahren, als ich anfing, hätte ich die Sache auch anders gesehen“. Heute aber sei er mit seinen Schöffen überzeugt, „dass eine Gefängnisstrafe überhaupt nichts bringt.“

Schuhgeschäft mit Waffenattrappe überfallen?

Was war geschehen? Was hat die Diskussionen im Gerichtssaal ausgelöst? Der Angeklagte ist im Siegerland geboren, hat die marokkanische Staatsbürgerschaft. Er soll am 23. November in Dahlbruch ein Schuhgeschäft überfallen und dabei mit einer Waffenattrappe 248 Euro erbeutet haben. Die Angestellte musste sich auf den Boden knien, wurde mit dem „Abknallen“ bedroht.

Auch interessant

Sie kann den Angeklagten nicht identifizieren, der Täter war maskiert. E. streitet die Tat ab. Er sei mit einem Bekannten unterwegs gewesen, um Diebstähle zu begehen. E. ist seit Jahren drogenabhängig, brauchte drei Gramm Heroin täglich, dafür etwa 70 Euro. Einen Raub habe er nicht mitmachen wollen, sein Bekannter sei allein ins Geschäft gegangen.

Er habe nur in einem Optikgeschäft gebeten, ihm ein Taxi zu rufen. Das wird von zwei Zeuginnen aus dem Geschäft bestätigt. Sie beschreiben E. als „freundlich“. Wie ein Mann, der gerade einen Überfall begangen hat, ist er den Frauen nicht vorgekommen.

Bewährungsstrafe letzte Chance für Angeklagten 

Der 32-jährige Angeklagte streitet auch ab, in die Turnhalle des FJM-Gymnasiums eingedrungen zu sein, wo Mobiltelefone und Geld abhanden kamen. Er räumt aber ein, Laptops und iPads im Gymnasium Evau mitgenommen zu haben und gibt zu, Patienten in einem Siegener Krankenhaus die Geldbörsen gestohlen zu haben. „Er hat immer zu dem gestanden, was er getan hat“, sagt Verteidiger Rühlmann.

Auch interessant

Zwischendurch habe es sein Mandant immer wieder geschafft, sich anders zu verhalten. Auch jetzt sei er selbstständig in eine Therapie gegangen. „Wenn er einmal funktioniert, dann richtig gut.“ Staatsanwalt Markus Rau hat die Geschichte über den Raub als unglaubwürdig abgetan, aber „ich kann ihm nichts nachweisen“. Der Verteidiger glaubt seinem Mandanten und wünscht sich eine Bewährungsstrafe. E. selbst versichert, sein Leben ändern zu wollen. „Ich bin jetzt 32. Viel Zeit habe ich nicht mehr…“

Der Richter nimmt ihn beim Wort. „Sie haben Recht. Das ist Ihre letzte Chance. Bleiben Sie straffrei.“ Gefängnis bringe einfach nichts, erklärt Stark Richtung Publikum. Dort sei der Angeklagte garantiert nicht vor Drogen geschützt. „Den sehen Sie bestimmt nicht zum letzten Mal“, kommt Kontra aus dem Zuschauerraum. Stark zuckt mit den Schultern. „Aber ich hoffe es“, sagt er.