Siegen/Emmerich. Neben einem Feldweg an der niederländischen Grenze wird eine Frauenleiche entdeckt. Erschütternde Schilderungen der Finder und der Ermittler.

Abnehmender Halbmond, weit und breit keine Straßenbeleuchtung, 10 bis 12 Grad. Die junge Mutter aus Dreis-Tiefenbach wurde in einer trockenen, sehr dunklen Augustnacht an der deutsch-niederländischen Grenze ermordet. Das zeigen später die Daten des Deutschen Wetterdienstes rund um den Fundort der Frauenleiche in Emmerich-Elten. Hier entdeckt am Morgen des 14. August ein Landwirt auf seinem Feldweg eine Babymütze und wenig später den toten Körper. Nahezu gleichzeitig beginnt im Siegerland die Suche nach der 23-Jährigen. Noch am selben Tag steht fest: Die Tote ist die Vermisste.

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Ihr Ex-Partner muss sich seit Anfang Februar vor dem Siegener Landgericht wegen Mordes verantworten: Er soll die Mutter seiner Kinder in dieser Nacht, an dieser Stelle, zu Oralsex mit einem anderen Mann gezwungen, ihr dann von hinten die Kehle durchgeschnitten haben. Bislang schweigt der zur Tatzeit 23-Jährige zu den Vorwürfen. Am Dienstag, 6. März, sagen neben den Ermittlern die Menschen aus, die die Tote fanden.

Die Leiche der jungen Mutter aus dem Siegerland wird in Emmerich-Elten gefunden

Der Abend dämmerte bereits, als er mit dem Fahrrad auf dem Feldweg entlangfuhr, berichtet der Landwirt aus Emmerich. Das ist sein Land, er hat den Feldweg, der schräg gegenüber des Autobahn-Anschlusses von der Beeker Straße abzweigt, selbst angelegt. „Meine Allee“, sagt er im Zeugenstand. Die unbefestigte Straße macht einen Knick, führt dann parallel zur A 3, die oberhalb einer steilen Böschung entlangführt. Alles wie immer. Am nächsten Morgen kommt er wieder hier entlang, gleich hinter den Bäumen ist sein Hof. Auf dem Weg liegt ein Kindermützchen, erzählt er. „Und ein Stück weiter lag sie.“ Links in der Böschung, in Unterwäsche, blutverschmiert. „Nichts mehr zu machen“, das habe er sofort gesehen. „Das war schon hammermäßig. Nicht mehr normal.“ Ihm fallen Reifenspuren auf, dachte zuerst noch, die „Enkel hätten mal richtig Gas gegeben“. Er fährt nach Hause, erzählt es seiner Frau, die direkt nach der Enkelin fragt, die da morgens immer herfährt: „Das ist sie doch nicht?“ Der Holzbauer ruft eine ihm bekannte Bundespolizistin an. Sie ist nicht im Dienst, zufällig in der Nähe, kommt sofort, sie habe den Weg abgesperrt, um Spuren zu erhalten. Und dann seien alle trotzdem da durch, sagt er noch.

Ein Stück weiter lag sie. Nichts mehr zu machen.
Landwirt - der den Frauenleichnam auf seinem Feldweg entdeckte

Auch für die Beamtin war sofort klar, dass die Frau tot ist. Ihr T-Shirt sei hochgezogen gewesen, das Gras unter ihrem Hals nicht grün, sondern rot. Im Körper habe sie die Einstiche gesehen. Sie ruft die Polizei, setzt die Rettungskette in Gang. Die Notfallsanitäter hätten ein EKG machen müssen, um den Tod der Frau zweifelsfrei festzustellen, sagt sie. „Der Rettungsdienst musste sie anfassen, um sicherzugehen“, sagt sie noch. Sie würden doch nicht herumlaufen und den Tatort verunreinigen.

Die Rettungskräfte stellen den Tod der getöteten jungen Frau aus dem Siegerland fest

Die Frau, die als erste die Leiche berührt, stellt das etwas anders dar. Vermutlich hätten sie anders gehandelt mit dem Wissen, dass es sich um einen Tatort handelt, sagt die Notfallsanitäterin beim Kreis Kleve. Sie hätten den Rettungswagen an der Einmündung des Feldwegs stehen lassen. Es habe keine entsprechende Vorwarnung gegeben, lediglich eine tote Person sei gemeldet worden, und dass sie eine Bundespolizistin einweisen würde. Offenkundig sei die Frau schon länger tot gewesen, Intimbereich und Brüste seien zum Teil entblößt gewesen, Verletzungen an Bauch und Brust offensichtlich. Um sicherzugehen, hätten sie Klebeelektroden angebracht, um etwaigen Herzschlag zu messen. Dabei habe sie die Kleidung der Toten verändern müssen, den BH durchtrennt, dabei sahen sie den tiefen Schnitt durch die Kehle des Opfers. „Man trägt das ein paar Tage mit sich“, sagt sie. Der starre, tote Blick aus den offenen Augen, der sei ihr besonders in Erinnerung geblieben.

Das war der böseste Ort in meinem ganzen Leben
Rettungssanitäter - Kreis Kleve

Auch die Polizei sei dann zunächst auf den Feldweg gefahren – im Sinne der Spurensicherung nicht ideal. „Hätten wir gewusst, dass wir mitten im Tatort stehen, wären wir nicht so weit reingefahren. Wir hätten das gerne eher gewusst.“ Ihr Kollege bestätigt, ihre Darstellung, berichtet von Schnitten an Hand und Unterarm, die ein Ermittler später als typische Abwehrverletzungen bezeichnen wird. Er habe hier zum ersten Mal einen Menschen mit so massiven Verletzungen gesehen, sagt der Sanitäter. „Das war der böseste Ort in meinem ganzen Leben.“

Ermittlungen in Emmerich-Elten beginnen - im Siegerland Hinweise auf Vater als Tatverdächtigen

Der Leiter der Mordkommission trifft gegen Mittag vor Ort ein, schildert er im Zeugenstand. Dann kommt die Info, dass zeitgleich im Siegerland eine großangelegte Suche nach einer Vermissten läuft. Die Behörden tauschen Fotos aus, der Verdacht wird zur Gewissheit: Bei dem Leichnam handelt es sich um die Vermisste. Leichenspürhunde werden angefordert, eine Tatwaffe ist dennoch nicht auffindbar. Auch am nächsten Tag nicht, als der Bereich großflächig gerodet und systematisch abgesucht wird, auch mit Metallsonden.

Die Polizei macht sich an die Arbeit: Vermessung mit 3D-Laserscan, Fotos, Videos, auch per Drohne. Blut finden die Ermittler auffallend wenig: Ist der Fundort wirklich der Tatort? Laut Rechtsmedizin sei der Körper blutleer gewesen, sagt der Polizist – vor Ort war aber keine größere Lache. Auch nicht in größeren Mengen versickert, wie akribische Umgrabungen und Bodenproben demnach später zeigen – und geregnet hatte es nicht. „Bei so massiven Verletzungen hätten erhebliche Blutspuren vorhanden sein müssen“, sagt ein anderer Ermittler vor Gericht; ein Körper laufe dann geradezu aus.

Bei so massiven Verletzungen hätten erhebliche Blutspuren vorhanden sein müssen.
Ermittler - der Mordkommission Polizei Krefeld

Reifenspuren vor Ort stammen demnach vorwiegend von Einsatzfahrzeugen; die Kriminaltechniker können eine weitere Spur finden, die auf ein Wendemanöver hindeutet, aber keinem Auto eindeutig zuordnen. Mantrailer-Hunde führen lediglich Richtung Autobahn. Die Videoüberwachung der Tankstelle, schräg gegenüber der Einfahrt zum Feldweg, bringt immerhin den Hinweis, dass um 4.31 Uhr ein BMW dort entlanggefahren sein könnte. Aus Datenschutzgründen wird hier alles außerhalb des Tankstellengeländes unkenntlich gemacht – aber die Rücklichter deuteten demnach auf einen Mietwagen hin, der später in Berlin aufgefunden und mit der Tat in Zusammenhang gebracht wird. Sicher, sagt der Ermittlungsleiter, sei das aber nicht.

Was sie aber nahe des Leichnams finden: Drei Zigarettenkippen. An zweien davon stellt das Landeskriminalamt die DNA des Angeklagten und des Opfers fest; an der dritten die DNA eines „Zeugen“, der bei der Tat dabei gewesen sein soll: Der Beschuldigte soll seine Ex-Partnerin zu Sex mit ihm genötigt haben. Die Kleidung des Opfers wird getrocknet und analysiert, aber keine weiteren Spuren. Besonders von Interesse: Ihre Schuhe, weiße Sneaker. Die Ermittler wollen wissen: Hat das Opfer hier noch gestanden? Oder wurde es doch woanders ermordet?

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Dazu soll es im weiteren Verlauf des Prozesses noch Informationen geben – ebenso wie zum Zeugen, der ein paar Tage später den Ermittlern bei einer Tatortbegehung eine mögliche Tatwaffe gezeigt haben soll.

4-jähriges Kind erzählt der Tante im Siegerland: Vater hat Mutter mit Messer verletzt

Bislang bekannt: Am Morgen nach der Tat wurden die Kinder der Ermordeten, damals einen Monat und vier Jahre alt, bei ihrer Tante in Dreis-Tiefenbach geradezu „abgeladen“: Vor die Tür gestellt. Das ältere Kind erzählte der Schwester des Opfers und später wohl auch der alarmierten Polizei, dass der Vater die Mutter mit einem Messer verletzt habe. Dazu habe das Kind Stichbewegungen zum Bauch imitiert.

Wir berichten noch.