Netphen. Die Bevölkerung wird zur Kasse gebeten: Die Stadt Netphen dreht maximal an der Steuerschraube, investiert aber gleichzeitig auch wie nie.
Den Lesestoff für die Osterferien hat Kämmerer Christian Walde in aller Stille auf der Homepage der Stadt Netphen veröffentlicht. Wenn der Rat am Donnerstag, 11. April, über den Haushaltsplan für dieses Jahr beschließt, muss er sich nicht nur mit der drastischsten Steuererhöhung in der Geschichte der Stadt seit der Gebietsreform von 1969 auseinandersetzen, sondern auch mit einer außergewöhnlichen Neuverschuldung.
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Schulden und Steuern in Netphen
Allein für die Investitionen müssen 16,5 Millionen Euro an Krediten aufgenommen werden, zehn Millionen mehr als im Vorjahr. Nach Abzug der Tilgung verbleibt eine Nettoneuverschuldung von 14,4 Millionen Euro, die Gesamtverschuldung für Investitionen erreicht einen Höchststand von 54 Millionen Euro, gegenüber 2019 ist das eine Verdoppelung. Insgesamt rund eine Million Euro wird die Stadt in diesem Jahr an Zinsen für Kredite bezahlen, noch einmal 176.000 Euro mehr als voriges Jahr.
Für die laufenden Ausgaben fehlen im Haushalt 8,3 Millionen Euro – genug, um die Stadt für die nächsten zehn Jahre in ein neues Haushaltssicherungskonzept zu stürzen. Dass am Ende nur 5,4 Millionen Euro Defizit übrig bleiben, gelingt nach zwei Kunstgriffen: Rund 636.000 Euro sollen durch eine „globale Minderausgabe“ erwirtschaftet werden. Und 2,4 Millionen Euro bringt die Erhöhung der Steuern: Mit einem Hebesatz von 785 Prozent bei der Grundsteuer hebt sich Netphen auf Platz 2 im Kreisgebiet, vorausgesetzt, der Kreuztaler Rat beschließt am selben Tag die dort vorgeschlagenen 790 Prozent. Die Anhebung um 250 Prozentpunkte bedeutet für den Durchschnittseinwohner die Erhöhung der jährlichen Grundsteuer-Belastung von 191,50 auf 281,09 Euro. Wer Gewerbesteuer bezahlen muss, hat dann einen Hebesatz von 495 statt bisher 475 Prozent auf dem Steuerzettel.
2022 hat die Stadt mit rund 6,7 Millionen Überschuss abschließen können. 2023 wird das ursprünglich erwartete Defizit von rund 300.000 Euro nicht eintreten; der Kämmerer rechnet dank guter Gewerbesteuereinnahmen mit einer Verbesserung um 1,5 bis 2 Millionen Euro. Möglich wurde das aber auch, weil Kostenbelastungen durch Corona und den Krieg in der Ukraine „isoliert“ werden konnten; die Beträge werden erst nach 2026 abzuzahlen sein. Diese Möglichkeit gibt es 2024 nicht mehr, was das Defizit allein rund sechs Millionen Euro in die Höhe treibt. Andererseits: 66 Prozent ihrer Ausgaben bestreitet die Stadt aus eigenen Steuereinnahmen, 2018 waren es nur 58 Prozent.
Die Millionen-Investitionen in Netphen
985,74 Euro investiert die Stadt in diesem Jahr durchschnittlich für jeden Einwohner, so viel wie seit Jahren nicht mehr. Die Stadt hat große Brocken vor sich:
Mit insgesamt 14,7 Millionen Euro veranschlagt wird die Erweiterung des Gymnasiums, die über mehrere Jahre finanziert wird. Der Bau hat begonnen, die von den Arbeiten betroffenen Klassen sind in Container umgezogen. 2026 soll der Einzug sein. Längst ist die Schule, die für drei Klassen je Jahrgang gebaut wurde, auf vierzügigen Betrieb gewachsen; nach den Sommerferien werden erstmals sogar fünf 5. Klassen gebildet, und ab 2026 wird es erstmals wieder neun Jahrgänge an der Schule geben
Mit 14,6 Millionen Euro veranschlagt ist die Erweiterung der Kläranlage Netphen in Dreis-Tiefenbach. Ein Teil wurde bereits 2023 finanziert. In diesem Jahr werden 6,5 Millionen, im nächsten Jahr noch einmal 2,3 Millionen Euro bereitgestellt. Die Kapazität der Anlage wird um eine zweite „Straße“ mit Belebungs- und Nachklärbecken erweitert. Dadurch sollen auch die von der Anlage ausgehenden Geruchsprobleme beseitigt werden. Weitere 2,15 Millionen Euro wird die Anbindung der Kläranlagen Afholderbach und Sohlbach kosten, die nach der Erweiterung der Kapazität in Dreis-Tiefenbach stillgelegt werden.
Mit sieben Millionen Euro Gesamtkosten schlägt die Sanierung des Freizeitbades zu Buche. 2023 wurde eine Million Euro bereitgestellt, für 2024 und die folgenden Jahre sind je zwei Millionen Euro eingeplant. Ebenfalls im Haushalt steht eine „Kapitaleinlage“ von jährlich 1,645 Millionen Euro, die die Stadt auf das Konto ihrer Freizeitpark Obernautal GmbH (FON) einzahlt, um das jährliche Defizit auszugleichen.
Ebenfalls sieben Millionen Euro werden für die Erweiterung der Grundschulen eingeplant, die Kapazitäten für den offenen Ganztag schaffen müssen, für den ab 2026 ein Rechtsanspruch eingeführt wird. Konkret geht es zunächst um die Erweiterung der Grundschule Dreis-Tiefenbach und um eine Machbarkeitsstudie für die Grundschule Netphen. Dort ist zu entscheiden, ob die Schule am Standort Niedernetphen erweitert wird oder ob doch ein Neubau errichtet wird, an dem die Standorte Nieder- und Obernetphen zusammengeführt werden. Für diesen Fall hat sich die Stadt bereits Vorkaufsrecht auf dem Schulberg neben dem Gymnasium verschafft.
Mit fünf Millionen Euro schlägt der Neubau des Feuerwehrgerätehauses Oberes Siegtal in Nenkersdorf zu Buche, in das die dann zusammengelegten Einheiten Grissenbach und Nenkersdorf mit ihren Fuhrparks einziehen werden. Artenschutz und mögliches Sieg-Hochwasser haben das Vorhaben auch an diesem Standort verzögert, nachdem der erste Bauplatz aus Lärmschutzgründen aufgegeben werden musste. Die Stadt strebt nun einen Einzug im Herbst 2025 an. Mehr als zwei Millionen Euro wird die Stadt in diesem Jahr und in den folgenden Jahren auch für neue Löschfahrzeuge für die Einheiten Deuz, Hainchen, Netphen und Herzhausen investieren.
Eine Million Euro ist für den Neubau einer Flüchtlingsunterkunft eingeplant. Aktuell hat die Stadt drei Standorte für Wohncontainer auf der Liste; das Grundstück des ehemaligen Lokschuppens in Deuz neben dem Bühlgarten, das bereits vorbereitet wird, die Braas in Netphen neben der vorhandenen Unterkunft und die Schmellenbach in Netphen. Im April wird der Rat entscheiden, ob anstelle der Schmellenbach unterhalb des Sportplatzes zunächst ein Standort in der Altwiese am Ortsausgang in Richtung Eschenbach infrage kommt. Dort wurde der Stadt ein Grundstück angeboten.
Die etwas kleineren Beträge in Netphen
Ein paar Sachen werden auch billiger als eine Million Euro: Die Sanierung der Johannlandhalle in Salchendorf, die 2021 wegen mangelnder Tragfähigkeit des Dachs gesperrt wurde, ist in den Vorjahren mit bisher 825.000 Euro finanziert worden; ein Baubeginn steht aber immer noch aus, nachdem eine Auftragsvergabe ins Leere gelaufen ist – das beauftragte Unternehmen hat die Arbeit nicht aufgenommen. 650.000 Euro werden für den Neubau von Radwegen eingeplant; für den Neubau des Radweges von Netphen nach Brauersdorf gibt es einen Landeszuschuss in Höhe von 80 Prozent.
Unter den ganz kleinen Beträgen finden sich 5000 Euro Mehrkosten für ein Wanderwegeleitsystem. Und 11.000 Euro Jahresmiete für das ehemalige Reisebüro im Netphener Einkaufszentrum, in das schon im vorigen Jahr das Kultur- und Tourismusbüro aus dem Rathaus umgezogen ist.
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