Netphen. Zeit für lange Diskussionen gibt es nicht mehr, warnt die Stadtverwaltung. Schon gar nicht über den umstrittenen Katastrophenschutzkeller.
Die Zeit drängt. „Wunderschön“, sagt Schulleiter Eckhard Göbel, wäre es, wenn das Gymnasium nach den Sommerferien 2026 seinen Erweiterungsbau nutzen könnte. Sonst nämlich müsste der „Ersatzbau“, die mit Beginn dieses Schuljahres entstandene Containerlandschaft über dem Schulparkplatz, um eine komplette zweite Etage erweitert werden – das Gymnasium hat dann auf einen Schlag vier Klassen mehr und wieder neun Jahrgänge. Die erste Jahrgangsstufe 13 wird 2027 Abitur machen.
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Katastrophenkeller soll nicht viel kosten
„Jede Umplanung wirft den Zeitplan total um“, warnt dann auch Stadt-Architekt Christian Vogt beim Besuch der SPD-Fraktion im Gymnasium, als es um das Thema geht, mit dem die Schule am wenigsten zu tun hat und über das der Rat am meisten diskutiert: um den Keller. Den will die Stadt größer bauen, um ihn als Lagerraum für Katastrophenschutzzwecke zu nutzen. Die Feuerwehr braucht den Platz für Hilfsmittel, die Stadt für Betten und Matratzen und die Technik, um oben von der Haardt aus eine Not-Verwaltung zu betreiben. Beigeordneter Andreas Fresen verweist auf den entwaldeten Hügel in Sichtweite des Rathauses: „Wenn der Bernstein in die Sieg reinflutscht, hätten wir die Überschwemmung.“
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Etwa die Hälfte des Kellergeschosses, in dem nun auch die ganze Gebäudetechnik untergebracht wird, soll für den Katastrophenschutz genutzt werden. Der Schulbau, der insgesamt rund 13,5 Millionen Euro kosten wird, werde durch die zusätzliche Kellerfläche um etwa 300.000 Euro teurer, einerseits, rechnet Beigeordneter Andreas Fresen vor. Andererseits müssten, wegen der Hanglage, sonst Stützwände und verlorenes Mauerwerk und zusätzliche Technikbauwerke gebaut werden, die das Ganze um 200.000 Euro teurer machten. Kurzum: Am Ende blieben Mehrkosten von 100.000 Euro. Christian Vogt verweist darauf, dass die Bauaufträge Anfang 2024 ausgeschrieben werden müssen, teilweise EU-weit, und deshalb weitere sechs Monate bis zur Auftragsvergabe ins Land ziehen. „Puffer für lange Diskussionen haben wir nicht mehr.“
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Rechtzeitige Förderung erspart späteres Scheitern
Manfred Heinz erinnert daran, dass die Stadt schon seit vier Jahren über die erforderliche Erweiterung des Gymnasiums spricht – anfangs sollten 4,5 Millionen Euro dafür ausreichen. Schulleiter Eckhard Göbel verweist auf rasant steigende Schülerzahlen: Das 1990 dreizügig gestartete Gymnasium bildet seit 2019 durchgehend jedes Jahr vier neue 5. Klassen, bis 2030/31 wird die Schülerzahl auf fast 1000 gestiegen sein. „Die Quote der Kinder mit Gymnasialempfehlung ist deutlich hochgegangen“, sagt Eckhard Göbel. Was dazu führt, dass nur sehr wenige Kinder die Schulform nach der Erprobungsstufe Richtung Sekundarschule wechseln müssen: jeweils drei waren es in den beiden letzten Schuljahren.
Um Kinder zu halten, bekommen sie Förderunterricht, „sobald wir sehen, dass sie wackeln“, sagt Eckhard Göbel. Etwa zehn Prozent der Schülerschaft nehmen diese zusätzlichen Stunden in Anspruch. Mit einem sechsköpfigen Beratungsteam, darunter ein Schulsozialarbeiter und eine -sozialarbeiterin, hat die Schule ihre Kinder und Jugendlichen gut im Blick, erst recht nach Corona: „Das Distanzlernen hat einiges verändert. Die Folgen der sozialen Isolation sind unübersehbar“, berichtet Eckhard Göbel und nennt die Konsequenz: „Wir haben wieder angefangen zu klettern“ – dabei können Jugendliche üben, Verantwortung füreinander zu übernehmen.
Kiss and go
1000 Schülerinnen und Schüler müssen in Zukunft die Haardt erreichen. „Wenn die hoffentlich hoch laufen, ist da viel Verkehr“, warnt Schulleiter Eckhard Göbel und erinnert an seinen Vorschlag, Haardt- und Uhlandstraße zu Einbahnstraßen zu machen. Über das Halteverbot im Eingangsbereich sei er „heilfroh“, sagt stellvertretender Schulleiter Marc-Alexander Heilmann. Dafür stünden die Autos nun weiter unten in der Haardtstraße, „das macht es nicht einfacher.“
Langfristig werde eine zweite Zufahrt über das demnächst entstehende Neubaugebiet Burggraben helfen, glaubt Eckhard Göbel. „Das ist in weiter Ferne, weil wir das nicht finanzieren können“, winkt Manfred Heinz ab.
Für eine Kiss-and-Go-Zone kommt als nächstgelegener Standort der Parkstreifen an der Anton-Gabriel-Straße unweit der Georg-Heimann-Halle in Frage. Von dort sind es 600 Meter Fußweg bergauf zur Schule. Der Petersplatz als Haltepunkt für Elterntaxis wird von den Verkehrsfachleuten für zu klein gehalten.
Selbstlernzentrum und Berufsberatung
Im Erweiterungsbau, der den offenen Gebäuderiegel am Hang unter der Sporthalle schließt und dabei einen Innenhof entstehen lässt, gibt es auf zwei Etagen nicht nur elf Klassen- und sechs Beratungsräume. Sondern auch eine Küche, die auch für den Hauswirtschaftsunterricht der Inklusionsschüler gebraucht wird. Und ein Selbstlernzentrum, in dem Freistunden – im Schnitt fünf pro Woche und Oberstufenschüler – überbrückt werden können. 75 Prozent der Gymnasiasten sind Fahrschüler und haben entsprechende Wartezeiten, die sie dort sinnvoll nutzen können. „Wir wollen auch eine Anbindung an die Unibibliothek hinkriegen“, kündigt Eckhard Göbel an.
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Schließlich die „Stubos“, die Studien- und Berufsorientierungsbüros, von denen eins direkt unübersehbar im Eingangsbereich eingerichtet wird. Aus gegebenem Anlass: Beobachtet wird, dass Jugendliche nach dem Schulabschluss „verloren“ gehen, also weder an einer Uni noch bei einem Arbeitgeber auftauchen. Ob es da zusätzlicher Angebote bedürfe, fragt SPD-Fraktionschef Lothar Kämpfer. Eckhard Göbel ist gelassen: „Vielleicht möchten sie auch erstmal leben.“ „Sie sind ja auch noch sehr jung“, sagt Annette Scholl – zumindest so lange noch, wie das Gymnasium schon nach acht Jahren vorbei ist.
Unübersichtlich wird die Schule nicht: Im erweiterten Gebäude oben auf dem Berg sind die Jugendlichen am Ziel – vor allem die höheren Klassen finden dort Platz. Den Anfang in der 5. Klasse machen sie unten in den ersten Etagen. „Die Idee ist, dass die Klassen sich so langsam den Berg hocharbeiten“, erklärt Marc-Alexander Heilmann, der stellvertretende Schulleiter. Eckhard Göbel freut sich: „Das wird ein Leuchtturm für Netphen.“ Und Lothar Kämpfer auch: „Wir sind stolz, dass wir so ein erfolgreiches Gymnasium haben.“
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