Netphen. Allein könnte Netphen nicht einen Bruchteil dessen finanzieren, was die Stadt investiert - es gibt Fördermittel. Das wird aber nicht einfacher...
Auf einer Länge von 1,5 Kilometern wird im Jahr 2024 Jahr der Rad- und Gehweg von Obernetphen zur Talsperre ausgebaut. Er erschließt Kita, das Gelände des Reitvereins, das Haus St. Anna und den Freizeitpark mit Bewegungspark, Trampolinhalle und Freizeitbad. „Der wird richtig gut frequentiert“, sagt Rüdiger Bradtka (CDU), der den Vergleich mit der Promenade zwischen den Kaiserbädern auf der Insel Usedom wagt: Die sei allerdings vier Meter breit. Alfred Oehm (CDU) regt an, auch die Beleuchtung und die Hinweisschilder zu erneuern.
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Annette Scholl (SPD) fragt nach einer Fortsetzung von der Straße Zur Talsperre, wo der Weg jetzt endet, hinauf an die Staumauer. Da fehlen Trasse und Grundstücke, wendet Tiefbau-Fachbereichsleiter Rainer Schild ein: „Das wird sehr schwierig.“ Markus Sting (Grüne) schlägt eine Verkehrsinsel im Einmündungsbereich der Straße Zur Talsperre vor, damit bergab fahrende Radfahrer die Kurve auf den Radweg beim Linksabbiegen nicht mehr schneiden können. „Das ist eine heikle Geschichte an der Ecke.“
Radweg ist nicht gleich Radweg
Finanzieren will die Stadt den Radweg über die „Förderrichtlinien Nahmobilität“, etwas liebevoll „FöRi Nah“ abgekürzt. Die Stadt kann mit 80 oder 90 Prozent Zuschuss zu den veranschlagten 650.000 Euro rechnen, darf den Weg dafür aber auch höchstens drei Meter breit bauen. „Wir müssen uns an die Förderrichtlinien halten“, erklärt Rainer Schild. Man kann auch vier Meter breite Radwege bauen. Dann käme die „FöRL (Förderrichtlinie) Wirtschaftswege“ in Frage, der Zuschuss beträgt dann aber nur 60 Prozent. Diese nimmt die Stadt beim Bau des Radweges von Deuz nach Beienbach in Anspruch – bei der Mattenbachstraße in Werthenbach allerdings nicht. Das wäre dort wegen der entstehenden Böschungen zu teuer geworden. „Am liebsten sind uns die Bürgerradwege“, sagte Rainer Schild. Die entstehen entlang von Landesstraßen und werden vom Land bezahlt, die Stadt muss lediglich die Planung beisteuern.
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„FöRL“ und „FöRi“ sind Abkürzungen, die zum Arbeitsalltag von Kristina Wertebach und Sebastian Geßner gehören. Sie bilden eine neu geschaffene Stabsstelle, die außer für Wirtschaftsförderung für das „Fördermittelmanagement“ zuständig sind. Ihr Auftrag: Sie sollen für alle Fachbereiche der Verwaltung die Geldquellen vor allem bei Land und Bund im Auge behalten, schnell zuschlagen und dafür sorgen, dass das bewilligte Geld rechtzeitig und korrekt von der Stadt ausgegeben wird – wozu auch Details wie die richtige Breite eines Geh- und Radweges gehören.
Vom Dorfplatz bis zum Feuerwehrgerätehaus
„Den Dschungel ordnen“, beschreibt Kristina Wertebach ihre Aufgabe; die Diplom-Kauffrau ist seit Mai bei der Stadt und hat vorher bei der Wirtschaftsförderung der Kreisverwaltung gearbeitet. Strategie gehört zum Job dazu, erzählt sie: Oft öffnen Bund oder Land ihre Kassen nur für wenige Wochen, die sie den Städten und Gemeinden Zeit lassen, die begehrten Zuschüsse zu beantragen. „Wenn man da die Schublade mit Plänen nicht aufmachen kann, wird man das niemals schaffen.“
Aktuell betreut die Stabsstelle unter anderem die Sanierung des Freizeitbades (100 Prozent Zuschuss zu 725.000 Euro), die noch abgerechnet werden muss, die beginnende Sanierung der Johannlandhalle (90 Prozent auf 652.580 Euro), den Neubau des noch abzurechnenden Bewegungsparks (90 Prozent auf 972.000 Euro), die Dorfplätze Walpersdorf (65 Prozent auf 171.050 Euro, wird gerade abgerechnet) und Werthenbach (65 Prozent auf 150.377 Euro, da fehlt noch die Lohschäler-Skulptur), die laufende Sanierung des Bürgerhauses Unglinghausen („gar nicht mehr so einfach, Gasheizung gegen Gasheizung zu tauschen“, 65 Prozent auf 101.140 Euro), die gerade fertig gewordene Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses Unglinghausen (50 Prozent auf 198.700 Euro), die Erweiterung des Erlebnispfades an der Wasserburg Hainchen (90 Prozent auf 10.000 Euro). Und schließlich den Dreis-Tiefenbacher Bahndamm-Weg „Sieg verbindet“ (90 Prozent auf 485.100 Euro). „Damit sollte im Dezember 2019 gestartet werden.“ Nach wie vor steht eine wasserrechtliche Genehmigung aus, angepeilt wird jetzt eine Fertigstellung im Dezember 2025.
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Fördermittel-Spezialisten machen sich bezahlt
Das ist längst nicht alles. Viele weitere Programme betreffen den Bereich Soziales. Als Geldquellen im Blick hat die Stabsstelle das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, den Stärkungspakt, „Heimat 2.0.“, „Progress NRW“ – und so weiter. Geld hätte die Stadt gern für die kommunale Wärmeplanung, die Verwirklichung des Stadtmitte-Rahmenplans, Mobilitäts- und Klimaschutzkonzept – und so weiter.
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„Das Ziel ist, möglichst viele Fördermittel zu bekommen“, erklärt Kristina Wertebach. „Wir wünschen viel Erfolg“, sagt Alfred Oehm (CDU). Annette Scholl (SPD) kann auf Zeiten zurückblicken, in denen Landeszuschüsse fast eher nebenbei beantragt wurden. „Mittlerweile ist das so kompliziert geworden, dass man dafür besondere Mitarbeiter braucht.“ „Die anderthalb Stellen machen sich bezahlt“, versichert Beigeordneter Andreas Fresen. Selbst dann, wenn die Stabsstelle personell noch ausgebaut würde, glaubt Paul Legge (CDU). „Mit Sicherheit rechnet sich das.“ Was ihn von der Grundsatzkritik am „ausufernden Bürokratismus“ nicht abbringt. „Du hast ja Recht“, erwidert Rüdiger Bradtka, „aber das wissen wir ja alle.“
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„Heimatgedöns“, aber kein Geld für Schulbau
Manfred Heinz (SPD) sieht das ähnlich. „Das ganze System“, insbesondere das „Heimatgedöns“ des NRW-Kommunalministeriums, „geht völlig an der Gesamtentwicklung der Kommunen vorbei.“ Denn für den zweistelligen Millionenbetrag, den die Erweiterung des Gymnasiums mittlerweile kostet, haben Kristina Wertebach und Sebastian Geßner kein Förderprogramm gefunden. Bei Pflichtaufgaben sei das auch nicht zu erwarten, weiß Kristina Wertebach. Sie hat aber Förderprogramme gefunden, aus denen sich zumindest für Schulhof und Photovoltaikanlage noch ein paar tausend Euro herausschlagen lassen.
Schließlich schlägt die Stunde der praktischen Tipps. Manfred Heinz (SPD) empfiehlt, persönliche Kontakte zu den Personen und Stellen zu pflegen, die an den Geldtöpfen sitzen. „Kreuztal ist sehr geübt damit, daran kann man sich ein Beispiel nehmen.“ Paul Legge (CDU) rät, Entdeckungen im Förder-„Dschungel“ im Hause zu lassen, um nicht zu viel Konkurrenz munter zu machen – schließlich haben mittlerweile viele Rathäuser Fördermittel-Manager. „Man dürfte sich normalerweise gar nicht mit den anderen Kommunen austauschen.“ Wie grässlich das alles schief gehen kann, wird in diesen Tagen offensichtlich: Nacheinander haben Kreuztal und Hilchenbach Geld für ihre Freibäder, Siegen für den Neubau des Weidenauer Hallenbades beantragt. Und dann ist das Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ der Haushaltssperre zum Opfer gefallen.
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