Netphen. Während die Deuzer protestieren, rollt am Bühlgarten schon der Bagger. Grund zur Sorge haben die Anwohner nicht, versichert der Bürgermeister.

Die Wohncontainer für 22 Geflüchtete werden auf dem Gelände des ehemaligen Lokschuppens in Deuz aufgestellt. Daran ändert der Protest von rund 100 Demonstrierenden auf dem Rathausplatz ebenso wenig wie Unterschriftensammlung und Online-Petition, der sich auf 1000 Unterstützer angeschlossen haben. Längst bereiten Baumaschinen und Bagger den Stellplatz vor, Leitungen und Kanal werden gelegt.

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„Wir haben in Deuz keine Probleme mit Ausländern“, versichert Frank Kretschmer, der zu der Versammlung aufgerufen hat, „wir haben nichts gegen Geflüchtete.“ Der Standort sei allerdings nicht geeignet. „Die Anwohner sind besorgt. Wir hoffen, dass der Spielplatz Spielplatz bleibt.“ Sorgen werden auf dem Rathausplatz laut, dass die Container auf Dauer neben dem als Mehrgenerationen-Spiel- und Begegnungsplatz gestalteten Bühlgarten stehen bleiben.

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Anders als im November, als Bürgerinnen und Bürger aus Hainchen mit Erfolg gegen Wohncontainer in ihrem Ortsteil protestierten, tritt diesmal nur ein Ratsmitglied ans Mikrofon: Olaf Althaus (FDP) berichtet über den Vorschlag seiner Fraktion, die Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte so umzuverteilen, dass nach Deuz vor allem Familien mit Kindern kommen. Die Errichtung der Unterkunft sei aber unvermeidbar: „Die Leute kommen, daran können wir nichts ändern.“

Wie hätten wir es denn anders machen sollen?
Paul Wagener, Bürgermeister

Rat will nicht über Bürgereingabe abstimmen

Vor einer Woche hat der Hauptausschuss die Eingabe an den Rat überwiesen; der solle darüber entscheiden und den Menschen erklären, warum der Standort ausgewählt worden ist. Das geschieht dann in der knappsten Form innerhalb von wenigen Minuten. „Wie hätten wir es denn anders machen sollen?“, fragt Bürgermeister Paul Wagener und wendet sich auch an die in den Ratssaal mitgekommenen Deuzer. „Wir können Ihre Besorgnis verstehen.“ Befürchtungen, dass Frauen und Kinder durch die neue Umgebung gefährdet seien, hätten aber keine Grundlage. Paul Wagener, der diesmal auf Kritik an der Entscheidung des Rates verzichtet, weist auch darauf hin, dass das Lokschuppengelände dafür saniert wurde, dass dort Wohnungen im sozialen Wohnungsbau errichtet werden. „Wenn wir dort ein Haus gebaut hätten, hätte niemand etwas gesagt.“

Altwiese statt Schmellenbach?

In nicht öffentlicher Sitzung hat der Rat die Entscheidung über einen Wohncontainer-Standort in der Altwiese vertagt. Der Stadt war ein Grundstück in der Nachbarschaft des Baubetriebshofs am Ortsausgang nach Eschenbach zur Pacht angeboten worden. Über den Standort will der Rat in seiner April-Sitzung öffentlich beraten.

Die Altwiese ist nach den Beschlüssen im November nachträglich in die Diskussion gekommen. Sie könnte den aufwändiger zu erschließenden Standort in der Schmellenbach unterhalb des Netphener Sportplatzes zumindest auf Zeit ersetzen. Der Rat hatte die Schmellenbach, den Bühlgarten in Deuz und die Braas in Netphen als Standorte für Wohncontainer beschlossen. 40 Personen sollten in der Schellenbach Unterkunft finden, jeweils bis zu 22 an den anderen Standorten.

Weil Wagener den Rat anschließend nur noch fragt, ob jemand Argumente gegen den Standort vorbringen wolle, werden Wortmeldungen zurückgezogen. Seinem Vorschlag, zu beschließen, dass der Rat „nach eingehender Beratung“ seinen Beschluss bestätige, wollen die Stadtverordneten allerdings auch nicht folgen. „Das ist doch beschlossen“, erinnert Alexandra Wunderlich (CDU) an die Entscheidung im November, die überhaupt erst Anlass für den Deuzer Protest war. Die Eingabe bleibt ohne Antwort, der Auftrag aus der NRW-Gemeindeordnung („Der Antragsteller ist über die Stellungnahme zu den Anregungen und Beschwerden zu unterrichten“) wohl unerfüllt. „Dann beende ich den Tagesordnungspunkt“, verabschiedet Paul Wagener die Deuzer.

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Noch 36 freie Plätze in den Unterkünften

41 Asylsuchende muss die Stadt noch aufnehmen, außerdem 143 Geflüchtete mit dreijähriger Wohnsitzauflage. In den Gemeinschaftsunterkünften sind derzeit 342 Plätze belegt und noch 36 frei. „Wir mussten die Unterkünfte recht stramm belegen“, sagt Fachbereichsleiter Thorsten Vitt, der am Vortag den Sozialausschuss informiert, „das hat auch dazu geführt, dass die Konflikte mehr werden.“

Frank Kretschmer (links) hat die Petition initiiert, FDP-Stadtverordneter Olaf Althaus spricht zu den Versammmelten.
Frank Kretschmer (links) hat die Petition initiiert, FDP-Stadtverordneter Olaf Althaus spricht zu den Versammmelten. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Die meisten Geflüchteten kommen aus der Ukraine, aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. 155 Personen sind in Netphen-Mitte in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, 53 in Dreis-Tiefenbach, 40 in Hainchen, 33 in Deuz, 24 in Werthenbach, 18 in Salchendorf, 16 in Unglinghausen und drei in Afholderbach. Nach wie vor steige die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine, berichtet Thorsten Vitt, „und das bleibt auch so.“ Jeder Woche kommen sechs bis zehn Personen dazu, die aufgenommen werden müssen.

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Ab April müssen Container belegt werden

Harald Boch (CDU) fragt, ob die Georg-Heimann-Halle nicht erneut als Unterkunft genutzt werden könne, statt die Aufstellung von Containern „übers Knie zu zerbrechen“. Bürgermeister Paul Wagener widerspricht: „Vorrangig“ sei, dass das Gymnasium wieder Hallenkapazität für den Sportunterricht bekommt. „Auf Zeit zu spielen und nichts zu tun, ist die schlechteste Lösung“, sagt Thorsten Vitt. Anfang April, schätzt der Fachbereichsleiter, werden die ersten Container belegt werden müssen.

Wenn wir bei jedem Standort umfallen, haben wir keine Standorte mehr.
Lothar Kämpfer, SPD

„Wenn wir bei jedem Standort umfallen, haben wir keine Standorte mehr“, warnt Lothar Kämpfer (SPD), „es wäre verkehrt, wenn wir die Verwaltung im Regen stehen lassen“. Konflikte, deren Schilderung „stark strapaziert“ werde, spielten sich nicht im Umfeld der Einrichtungen, sondern in den Häusern selbst und damit unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Die Zahlen zur Verteilung auf die Ortsteile allerdings „spiegeln nicht die Realität“. Viele Geflüchtete wohnen nicht in Gemeinschaftsunterkünften, sondern in selbst angemieteten Wohnungen, zum Beispiel auf dem Dreis-Tiefenbacher Heckersberg. Die Verteilung, bestätigt Torsten Vitt, würde bei der Berücksichtigung aller Zugewanderten „komplett anders aussehen“.

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Wenn erst nach 36 statt schon nach 18 Monaten Bürgergeld an die Geflüchteten ausgezahlt werde, bedeute das für die Stadt eine „erhebliche Ersparnis“, antwortet Torsten Vitt auf die Frage von Lothar Kämpfer (SPD): pro alleinstehenden Erwachsenen und Monat nicht 563, sondern 460 Euro. Tobias Glomski (Grüne) kann solchen Überlegungen so wenig abgewinnen wie den Bezahlkarten anstelle von Bargeld, die den Aufenthalt unattraktiv machen sollen. „Eine Lösung werden wir nicht finden. Wir müssen uns darauf einstellen, dass sie bleiben.“

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