Freudenberg. Kurz war die Altstadt in Freudenberg „autofrei“ – jetzt nicht mehr. Ein Rundgang durch den Alten Flecken liefert ein Stimmungsbild.
Autos oder keine Autos in der Altstadt? In Freudenberg hat diese Frage etwas Polarisierendes – es gibt klare Verfechter dafür und dagegen. Kürzlich hat ein „autoarmer“ Modellversuch im Alten Flecken geendet. „Neulich war hier noch alles schön ruhig“, sagt Birgit Wüst. Sie kümmert sich gerade als Mitglied des Heimat- und Verschönerungsvereins Freudenberg um einen Vorgarten im Alten Flecken. „Es herrscht so eine Unruhe, wenn die Autos fahren“, erzählt sie. Andere wiederum sind froh, dass die Testphase des Modellprojekts „Autofreier Alter Flecken“ vorbei ist. „Es macht den Alten Flecken noch toter, als er sowieso schon ist“, sagt Sandra Kinkel, die einen Friseursalon in der Marktstraße hat.
Verkehr im Alten Flecken in Freudenberg: Ampel „sparen“ und lieber nicht länger laufen
Regelmäßig fahren die Autos wieder die Kölner Straße herauf und die Oranienstraße hinunter. Es sind die wohl am meisten frequentierten Straßen im Alten Flecken – so wird eine Ampel „gespart“ und vermeintlich abgekürzt, erzählt Altstadtbeauftragter Richard Flender. Dieses Verhalten sei mit „eines der größten Ärgernisse“ der Anwohnerinnen und Anwohner im Alten Flecken, schildert Inken Daley von der Stabstelle Projektsteuerung und Fördermanagement bei der Stadt Freudenberg auf Nachfrage dieser Zeitung. An das Schritttempo halten sich vor Ort die wenigsten Autofahrerinnen und Autofahrer. Viele Menschen wollen Zeit sparen, keine Minute verlieren – oft ist es selbst gemachter Stress.
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Der Durchgangsverkehr sei mehr geworden, schildert Richard Flender, als er durch den Alten Flecken geht. Wie zum Beweis düst gerade wieder ein Auto vorbei. Der 71-Jährige lebt schon sein ganzes Leben lang in der Freudenberger Altstadt, nur zehn Jahre wohnte er einmal woanders. Er hält sich mit einer persönlichen Meinung zum Modellversuch zurück, möchte auch dadurch ein „breites Meinungsbild“ ermöglichen, damit am Ende die Mehrheit darüber entscheiden kann, was in Freudenberg endgültig gewollt ist.
Andere werden da deutlicher: In Sandra Kinkels Salon haben gerade jüngere Kundinnen und Kunden sich gegen das Projekt ausgesprochen, schildert die Friseurmeisterin: „Sie wollen nicht den Berg hoch laufen und auch nicht längere Wege in Kauf nehmen.“ Die Friseurmeisterin zeigt sich eher weniger begeistert vom Projekt. „Als Anwohner hat man natürlich ganz andere Interessen.“
Ein paar Meter weiter gibt’s wieder Fürsprecher: „Ohne Autos war’s besser“, sagt Reinhard Wüst, der seiner Frau Birgit Wüst an der Kreuzung von Marktstraße zu Kölner Straße im Vorgarten hilft. „Ich könnte mir einen Alten Flecken komplett ohne Autos vorstellen“, betont ein Anwohner.
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Anke Otterbach, Betreiberin des Ladens „Sowohnich“, kann ebenso „nichts Negatives“ über den Modellversuch berichten: „Es ist schöner ohne Autos, aber auch komplizierter.“
Freudenberg: Das Parken im Alten Flecken treibt die Gemüter besonders um
Ein Thema scheint, wie in vielen Städten und Kommunen, die Gemüter besonders umzutreiben: das Parken. Während der sechswöchigen Testphase waren Mittelstraße, Unterstraße, Poststraße sowie Teilbereiche der Kölner Straße für den Durchgangsverkehr gesperrt. Die Marktstraße blieb befahrbar, allerdings in entgegengesetzter Richtung. Parken war ausschließlich auf gekennzeichneten Flächen in der Marktstraße, der Oranienstraße und auf den gekennzeichneten Flächen rund um den Alten Flecken möglich.
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Eine Mitarbeiterin des Friseursalons ist froh, dass sie nun wieder in direkter Nähe zu ihrer Arbeitsstelle parken kann. Während der Testphase wurde auf dem Marktplatz ein Parkplatz für Anwohnerinnen und Anwohner eingerichtet. Mit Autos sei es einfach „bequemer“, sagt Anwohnerin Martina Ermert, die ihr Auto nun wieder vorm Haus abstellen kann. „Ruhiger ist es im Modellversuch auch nicht geworden.“ Durch „ihre“ Straße (Mittelstraße) würden im Regelfall eh kaum Autos durchfahren.
Bei manchen Anwohnern gehört ein Parkplatz am Haus zum Privatbesitz, andere von ihnen parken auf öffentlicher Fläche. Sollte der Alte Flecken tatsächlich einmal autofrei werden, wären demnach nicht alle Anwohnerinnen und Anwohner in der gleichen Situation. Eine „Quartiersgarage“ könnte aber in direkter Nähe entstehen, sagt Richard Flender. Ein „großer Unsicherheitsfaktor“ sei hier, dass man nicht wisse, wie hoch dort eventuelle Parkgebühren würden.
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Für Inken Daley kommt es, sollte sich endgültig für eine autoärmere oder autofreie Zone im Alten Flecken entschieden werden, auf eine klare Regelung an. Mit einem guten Verkehrskonzept hätte man eine „Parkplatzgarantie“, die Suche nach einem Abstellplatz entfalle. Der Konflikt sei zu lösen, wenn die Parkplatzsituation planbar sei. Und auch für Menschen, die gesundheitsbedingt schlecht oder gar nicht laufen könnten, gäbe es Lösungen.
Freudenberg: Testphase des Modellversuchs vorbei – das ist das weitere Vorgehen
Das Feedback der Bevölkerung nach Beendigung der sechswöchigen Testphase sei insgesamt „sehr, sehr gemischt“ ausgefallen, berichtet Inken Daley. Ziel und Zweck des Modellversuchs sei aber auch gewesen, dass die Menschen „ihre Meinung schärfen und ins Überlegen kommen“.
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Die öffentlichen Parkplätze in der Mittel- und Unterstraße wurden während des Modellversuchs durch „Aktionsflächen“ in Szene gesetzt – mit Begrünung, Sitzgelegenheiten und Spielgeräten. Kinder hätten auf den Kunstrasenflächen gerne gespielt, berichtet Inken Daley.
Sie war im „Mobilbüro“ in Freudenberg während des Projekts vor Ort, hat dort viele Meinungen und Stimmungen gehört. Ihr „Gefühl“ ist, dass sich eine „Mehrheit für eine Verkehrsberuhigung in irgendeiner Form“ ausspricht.
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Die Ergebnisse von Befragungen, Geschwindigkeits- und Verkehrsmessungen, usw. müssten aber noch ausgewertet und herausgearbeitet werden: „Jetzt wird für ein paar Wochen Ruhe einkehren.“ Anschließend stehe unter anderem eine Auswertung mit den Stadtverordneten und eine Bürgerinformationsveranstaltung an. Ob’s am Ende ein Alter Flecken mit oder ohne Autos wird, ist noch vollkommen offen.
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