Siegen. „Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird öfter mitgenommen“: In einer Siegener Klinik wurde ein Hygienemittelspender aus der Wand gerissen
In Krankenhäusern soll eigentlich die Gesundheit der Patienten im Vordergrund stehen, doch in den vergangenen Jahren haben sich die Berichte über Krankenhausdiebstähle bei Patientinnen und Patienten gehäuft. So ist etwa der Fall von Christine Stoltmann, der im Diakonie Klinikum Jung-Stilling ihre Zahnprothesen gestohlen wurden, im Gedächtnis geblieben. Nun gaben die Siegener Krankenhäuser Auskunft über ihre tatsächlichen Diebstahlraten – mit überraschenden Ergebnissen.
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„Ohne Eingangsbeschränkungen ist Tür und Tor geöffnet“, berichtet Dr. Christian Stoffers von einer Häufung an Krankenhausdiebstählen in den letzten Jahren. Der Leiter des Zentralreferats Marketing der Marien Gesellschaft Siegen merkt an, dass es bereits vor der Corona-Krise eine wiederkehrende Problematik im St. Marien-Krankenhaus gegeben habe.
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Erst dank der zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen während der Pandemie sei die Zahl der Vorfälle merklich gesunken, doch mittlerweile bewege sie sich wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Die Ursache: Zu viele Eingänge und dafür zu wenig Überwachung. Im Endeffekt könne bei der hohen Arbeitsbelastung des Personals jeder in die Klinik kommen und sich als eine andere Person ausgeben, so Stoffers weiter.
Siegener Kliniken raten: Schmuck besser gleich zu Hause lassen
Besonders während Operationen sind Wertsachen gefährdet. Das Diakonie Klinikum Jung-Stilling und das Klinikum Siegen bieten daher Safes an, in denen Schmuck oder Geldbeutel gesichert werden können. „Wir informieren und klären unsere Patientinnen und Patienten vor Beginn ihres Aufenthaltes auf – und bitten sie unter anderem darum, nicht zwingend benötigte Wertsachen wie Schmuck oder hohe Geldbeträge doch einfach zu Hause zu lassen. Zudem hat jeder Patient in seinem Zimmer im Kleiderschrank einen abschließbaren Minisafe. Den Schlüssel dafür kann er zum Beispiel vor einer Operation beim Personal hinterlegen. Über die Jahre gesehen werden am häufigsten Portemonnaies gestohlen“, erzählt Stefan Nitz, Pressesprecher des Diakonie-Klinikums.
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Maßnahmen, die sich offenbar auszahlen, denn im Klinikum Siegen gab es – nach dessen Angaben – bislang keinen einzigen Wertsachen-Diebstahl zu beklagen und auch im St. Marien-Krankenhaus hält es sich mit vier Fällen in Grenzen.
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Die DRK-Kinderklinik kann im Kampf gegen Diebstähle auf ein weiteres Konzept bauen. Nur mit einer Code-Karte ist ein Zugang zu einzelnen Stationen möglich. Zudem ist nur engen Verwandten der Zutritt zu den Patienten gestattet. „Zum Glück sind wir hier im Vergleich zu den Erwachsenenklinken weniger von Diebstählen bei den Patienten:innen bzw. den Begleitpersonen betroffen. Außerdem gibt es auf den Zimmern größtenteils abschließbare Fächer, die zur Verfügung stehen. Da sich unsere Pflegekräfte ja um das anvertraute junge Patientenklientel kümmern, können die Begleitpersonen ihre Wertsachen in der Regel bei sich behalten“, fasst Arnd Dickel von der DRK-Kinderklinik zusammen.
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Trotz der durchaus positiven Zahlen lässt das Thema die Kliniken nicht los. Während sich die Diebstahlrate von Patienteneigentum in Grenzen hält, häufen sich Diebstähle von Klinik-Eigentum. „Es ist in unserer Gesellschaft bedauerlicherweise so, dass überall dort, wo es vermeintlich was zu ergaunern gibt, auch gestohlen wird. Leider auch im Krankenhaus“, betont Stefan Nitz.
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Und auch Arnd Dickel merkt an: „Die unberechtigte Mitnahme von Waren und Einrichtungsgegenständen ist tatsächlich ein größeres Problem für uns. Dieser Umstand ist leider seit Jahren zu beobachten. Dabei gibt es auch kuriose Fälle wie etwa die vermehrte Mitnahme von Klopapier und Desinfektionsmitteln in der Pandemiezeit. Aber auch Pamperspackungen, Fieberthermometer und sogar kleinere medizinische Geräte oder Universalfernbedingungen der Patienten-Fernseher sind hier zu nennen.“
Hygiene-Spender im Marien-Krankenhaus Siegen aus der Wand gerissen
Die Dreistigkeit kennt bei den Diebstählen inzwischen offensichtlich kaum noch Grenzen, wie die Tat einer jungen Mutter zeigt. „Bekannt ist beispielsweise ein Fall, wo eine Mutter sich sogar noch Müllsäcke von den Reinigungskräften, angeblich für Schmutzwäsche, hat geben lassen. Darin wollte sie dann die Wickelauflage sowie Windeln mitnehmen“, sagt Arnd Dickel. Christian Stoffers vom Marien-Krankenhaus schildert ähnliche Erfahrungen. „Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird öfter mitgenommen. Leute haben sogar den Hygiene-Spender aus der Wand gerissen.“
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Aus der Sicht des Pressesprechers seien die Fälle „ein Spiegel der Gesellschaft“, der sich besonders in Krankenhäusern zeige, da hier verschiedenste Gruppen aufeinandertreffen. Daher seien die Probleme auch in Zukunft nur schwer abzustellen.
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