Siegen. Wer ins St. Marien-Krankenhaus muss, für den wird nun vieles leichter. Dahinter steckt eine „Portalpraxis“ – was das ist und warum es hilft.

Wenn Menschen ein Krankenhaus aufsuchen, sind sie meist besorgt, aufgeregt und überfordert. Beschwerden und Schmerzen bringen sie dazu, Hilfe zu suchen – den Überblick haben sie nur in den seltensten Fällen. Im St. Marien-Krankenhaus wird der Notfallservice nun mit einer sogenannten Portalpraxis von Marien Gesellschaft Siegen und Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) verbessert. Wie das Konzept funktioniert und warum es die Notaufnahme erheblich entlastet.

Portalpraxis in Siegen: Das ist das Prinzip

Wer das Krankenhausfoyer betritt, hat die Wahl: Auf der rechten Seite befinden sich die Information und der Bereich für ambulante Anliegen, auf der linken Seite gibt es neuerdings den „Notfall-Tresen“. Dort erfolgen eine erste Einschätzung der Beschwerden und eine Entscheidung darüber, ob eine ambulante Behandlung durch den diensthabenden Arzt bzw. Ärztin der KVWL erforderlich ist, die Zentrale Notaufnahme (ZNA) des Krankenhauses eingebunden werden muss oder der Patient bzw. die Patientin an einen Haus- oder Facharzt verwiesen werden kann. Sprich: Es gibt einen Anlaufpunkt für alle Patientinnen und Patienten, die wegen eines Notfalls ins St. Marien-Krankenhaus kommen.

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Die KVWL richtet sich mit ihrem Teil des Angebots an Bürgerinnen und Bürger, bei denen abends oder am Wochenende akute Beschwerden auftreten, deren Behandlung nicht bis zur Öffnung der Arztpraxen warten kann (siehe Box). Der Hausarzt oder die Hausärztin bleiben tagsüber der primäre Ansprechpartner oder die primäre Ansprechpartnerin.

Links ist der Bereich für Notfälle (in grün) im Foyer des St. Marien-Krankenhauses Siegen, rechts die Information und der Bereich für ambulante Anliegen.
Links ist der Bereich für Notfälle (in grün) im Foyer des St. Marien-Krankenhauses Siegen, rechts die Information und der Bereich für ambulante Anliegen. © WP | Ina Carolin Pfau

Siegen: Diesen Effekt hat die Neuerung im St. Marien-Krankenhaus

„Menschen, die nicht so vertraut mit dem Gesundheitssystem sind – insbesondere jüngere Patientinnen und Patienten – können besser und kosteneffektiver gesteuert werden“, erläutert Dr. med. Martin Mansfeld, Notfalldienst-Beauftragter der KVWL für Siegen-Wittgenstein. Vor allem werden durch die Portalpraxis aber auch ältere, besonders kranke und auf Hilfe angewiesene Menschen optimal versorgt: „Ein Drehtüreffekt, also ein wiederholtes Aufsuchen der Notaufnahme aufgrund von Unklarheiten, wird so vermieden.“

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Viele Menschen, die eine Notaufnahme aufsuchen, bräuchten „Hilfe, aber kein Krankenhaus dahinter“, sagt Chefarzt Prof. Dr. Christian Brülls und nennt ein Beispiel: Ein Patient, der die Notfallaufnahme aufgrund eines leeren Asthma-Sprays aufsuche, zu einer Zeit, wo der Hausarzt schon geschlossen habe, sei etwa ein „klassischer Fall für die KVWL“. Er bekomme ein entsprechendes Rezept, es sei keine Einweisung in die Klinik erforderlich.

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Durch das neue Angebot wird die Krankenhaus-Aufnahme ganz erheblich entlastet, „denn jeder Vierte gehört nicht dorthin, bindet jedoch Kapazitäten für erheblich Kranke“, so Stefan Leiendecker, Verwaltungsdirektor des St. Marien-Krankenhauses Siegen. Menschen, die ein Krankenhaus aufsuchen, hätten auch immer eine „Mitverantwortung“, betont Dr. med. Martin Junker, Leiter der KVWL-Bezirksstelle für Südwestfalen. Sie müssten zuallererst entscheiden, ob sie beim Hausarzt oder in einer Klinik besser aufgehoben seien.

Der Arbeitsplatz der Portalpraxis im St. Marien-Krankenhaus Siegen wirkt unspektakulär. An dieser Stelle wird aber durch erfahrene Medizinische Fachangestellte darüber entschieden, was ein Notfall ist oder nicht.
Der Arbeitsplatz der Portalpraxis im St. Marien-Krankenhaus Siegen wirkt unspektakulär. An dieser Stelle wird aber durch erfahrene Medizinische Fachangestellte darüber entschieden, was ein Notfall ist oder nicht. © WP | Ina Carolin Pfau

Siegen: Wie die Zukunft für die Portalpraxis im St. Marien-Krankenhaus aussieht

Die Portalpraxis im St. Marien-Krankenhaus ist eine von 25 Portalpraxen in Westfalen-Lippe, erläutert Dr. med. Martin Mansfeld. Gerade vorm Hintergrund des Fachkräftemangels im Gesundheitssektor sei es wichtig, effektiver zu werden – in der Portalpraxis würden Ambulantes und Stationäres zusammengeführt. Jeder Mensch, der das neue Angebot aufsuche, würde mit seinen Beschwerden genau eingeschätzt, gemäß des Triagesystems bewertet.

Aufgabenverteilung

In der Zeit des Kassenärztlichen Bereitschafdienstes (Montag, Dienstag, Donnerstag von 18 bis 22 Uhr, Mittwoch und Freitag von 13 bis 22 Uhr sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 8 bis 22 Uhr) stehen Ärztinnen und Ärzte aus den Praxen der Region für die Ersteinschätzung, die Untersuchung und Behandlung in der Portalpraxis zur Verfügung. Zu allen anderen Zeiten übernehmen die Ärztinnen und Ärzte des St. Marien-Krankenhauses diese Aufgaben.

Weitere Informationen dazu gibt es auch unter www.marien-kliniken.de/notfall und www.kvwl.de/notfalldienst.

Natürlich gäbe es dort immer auch „Grenzfälle“, sagt Marien-Ambulant-Geschäftsführer Michael Wörster. Brustschmerzen könnten beispielsweise durch die Wirbelsäule oder vom Herzen kommen, so Dr. med. Martin Mansfeld. Alles muss genau abgeklärt werden. Nach dem Start der Portalpraxis sei es nun wichtig, sie weiterzuentwickeln und Erfahrungen zu reflektieren, betont Dr. med. Martin Mansfeld. Auch die Medizin sei immer ein „lernendes System“.

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