Siegen. Gegen geplantes Wohngebiet auf Munitionsdepot Wellersberg: Laut Aktionsbündnis habe Siegen genug Wohnraum – man muss ihn nur aktivieren.
400 neue Wohneinheiten auf dem Wellersberg und dafür den gewachsenen Natur- und Naherholungsraum Munitionsdepot überbauen? Das Aktionsbündnis Naturraum Wellersberg sieht die Pläne der Siegener Stadtverwaltung (wir berichteten) im Rahmen des Wohnbaulandkonzepts kritisch.
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Das Aktionsbuendnis Wellersberg geht auf zwei Vorgängerorganisationen zurück. 2001 sollte der Wellersberg schon einmal für Wohnbauland erschlossen werden, der Verein „Rettet den Wellersberg und das Charlottental“ wurde gegründet, sammelte 2000 Unterschriften gegen die Pläne. Das Aktionsbündnis Wellersberg wurde unabhängig davon ins Leben gerufen – jetzt, da der Bereich erneut überplant werden soll, hat man sich zusammengeschlossen und Kräfte gebündelt. So könne man etwa gesammelte Gelder nutzen, um unabhängige Untersuchungen des Gebiets in Auftrag zu geben, so der Architekt und sachkundige Bürger (Volt) Christian Welter vom Aktionsbündnis.
Das frühere Munitionsdepot würde am Wellersberg völlig überbaut
Der Tiergarten am Wellersberg ist historisches Gelände: Vom Schloss über Herren- und Tiergarten ließ Fürst Johann Moritz ein weitläufiges Areal anlegen. Der nahe Hermelsbacher Weiher, erläutert Welter weiter, ist ebenfalls historisch, genauso das Charlottental, das sich von der Sieghütte zur Panzerwiese erstreckt – das Gelände ist nach einer Fürstengattin benannt. „Unsere eigene Geschichte wird hier nicht so beachtet, wie sie es eigentlich verdient hätte“, sagt Welter.
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Egon Bernd Rosum ist am Wellersberg geboren und aufgewachsen, er erinnert sich noch, wie die Wehrmacht die Kaserne übernahm. „Ich habe als Kind die Übungen miterlebt“, sagt er. Nach dem Krieg übernahmen die Belgier die Kaserne, die in den 50er Jahren verschwand, das zugehörige Munitionsdepot wurde leergeräumt. Das Explosivgut war in Baracken aufbewahrt worden, zwischen denen Wälle aufgeschüttet waren. Wäre ein Depot in die Luft geflogen, hätte die Explosion nicht so einfach auf die nächste Baracke gewirkt.
Naturschutz und Naherholung am Siegener Wellersberg in Gefahr?
Diese wellenartige Struktur ist noch deutlich erkennbar und von einer heideähnlichen Vegetation und Birkenhainen überzogen, wie es sie auf vielen ehemaligen militärisch genutzten Flächen gibt. Ein jahrzehntelang gewachsenes Biotop, weitgehend sich selbst überlassen. Die Schlingnatter sei schon entdeckt worden und dann sei auch die Zauneidechse nicht weit, so das Aktionsbündnis – zwei geschützte Arten. Man müsse eine Nutzung für das Areal finden, das seltene Tiere berücksichtigt und gleichzeitig einen Mehrwert für die Öffentlichkeit biete, fordert das Bündnis.
Aus Sicht des Aktionsbündnisses sprechen eine ganze Reihe Gründe gegen ein Wohngebiet am Wellersberg: Naturschutz, der Stellenwert als beliebtes Naherholungsgebiet für die Bevölkerung, auch die Geschichte der historischen Anlage – und es gebe bessere Alternativen. Man sehe sich nicht als Verhinderer, im Gegenteil, betont Welter: „Wir machen die Hausaufgaben, die wir von der Stadt erwartet hätten.“
Verkehr durch Wohngebiet Wellersberg ein großes Problem für Aktionsbündnis
Natur: Der Wellersberg sei der größte zusammenhängende, innenstadtnahe Naturraum Siegens, kritisiert das Bündnis. Die Vielzahl an geplanten Wohnungen bedeute entsprechendes Verkehrsaufkommen, „ein enormes Problem“, so Christian Welter, „neben dem Flächenverbrauch“.
Nutzer und Anlieger nicht einverstanden
Anlieger und Nutzer der vom geplanten Wohngebiet betroffenen Flächen am Wellersberg sind ebenfalls gegen das Vorhaben: Neben dem Gebrauchshundesportverein (GHSV) und dem Reitbetrieb auch die Fußballer von „Wacker VEB“.
Die etwa 25 bis 30 Fußballer der Hobbymannschaft spielen seit mehr als 20 Jahren donnerstags auf dem Ascheplatz am Wellersberg und hat die entsprechenden Nutzungsrechte. Früher trafen sich hier auch die „Köpfchen-Kickers“ und „Erzquälspor“ regelmäßig. Als Logistik-Zentrum nutzt die Mannschaft die Garage oberhalb des Fußballplatzes.
Durch die Pläne würde die Mannschaft ihre sportliche Heimat verlieren, sagt Jörg Höfer von „Wacker VEB“: Der Platz habe früher Turniermaße gehabt, mit 400-Meter-Bahn außen herum, sei dann vernachlässigt worden. Der Platz wurde immer moosiger, die Tore wurden abgebaut. „Wir haben selber neue gekauft“, sagt Höfer. Ein Multifunktionsspielfeld, wie im neuen Quartier vorgesehen, sei kein adäquater Ersatz.
Alternativen: „Wir brauchen kein Neubaugebiet“, betont der Architekt. Raum sei vorhanden: „Wie viele alte Menschen leben allein in ihren großen Häusern, die aus berechtigter Sorge diesen Wohnraum nicht weitervermieten.“ Gerlinde Quast, Vorsitzende des Vereins „Rettet den Wellersberg und das Charlottental“, kennt im Charlottental auch leerstehende Häuser. Statt neue Flächen zu überplanen, müsse der vorhandene aktiviert werden. „Diese Neustrukturierung ist natürlich sehr mühevoll“, sagt Welter. Hier könne man politisch ansetzen, „statt Naturschutzgebiete anzutasten“. Besser als „Flächenfraß“ sei Nachverdichtung – etwa ermögliche das Elih-Gelände in Geisweid in großzügigen Dimensionen Wohnbebauung. Zudem verlagere sich durch die Digitalisierung die Arbeitswelt von Firmenbüros ins Homeoffice, auch hier würden umwandelbare Flächen frei.
Aktionsbündis Wellersberg würde eher in Siegener Infrastruktur investieren
Bevölkerungsentwicklung: Wohnraum vor allem im Zentrum ist knapp. Das Aktionsbündnis fragt sich langfristig: Was passiert in einigen Jahren mit den Häusern, in denen zur Zeit noch alleinstehende Senioren wohnen? Die Bevölkerungszahl wachse derzeit leicht, werde aber laut den Prognosen auf Dauer stagnieren. „Wir tragen Verantwortung für die nächsten Generationen“, sagt Welter – man wolle jetzt verhindern, dass Fehler gemacht werden, die sich später nicht mehr reparieren ließen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels könne man kein Neubaugebiet in der Natur erschließen, wenn Wohnraum versteckt vorhanden sei.
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Trendwende: Die Nachfrage nach Wohnraum in zentralen Lagen werde sinken, glaubt das Aktionsbündnis – es gebe bereits den Trend zu ländlicherem Wohnen. Anstatt im Zentrum Wohnraum zu bauen, könne das Geld besser in die Infrastruktur ländlicherer Stadtteile gesteckt werden, wo es ja Wohnraum gibt. Die seien nur deshalb unattraktiv, weil schlecht angebunden, sagt Christian Welter. Hausbesitzer könne man für das Vermieten leerstehender Einliegerwohnungen bezuschussen, „das wäre ökologischer, als unsere begrenzte Landschaft zu überbauen.“
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