Siegen. Die Wirtschaft in Siegen und Umland ist derzeitig insgesamt relativ zufrieden. Doch eine Umfrage der IHK zeigt: Das gilt nicht für alle Branchen.

Die Stimmung in der heimischen Wirtschaft hellt sich etwas auf. „Der extreme Pessimismus der vergangenen zwölf Monate schwindet merklich“, sagt Walter Viegener, Präsident der Industrie- und Handelskammer Siegen, über die Ergebnisse der jüngsten IHK-Konjunkturumfrage. „Von einem spürbaren Aufschwung ist allerdings noch nichts zu spüren.“

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Zwei Mal im Jahr, jeweils im April und im September, fragt die IHK bei den Unternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich nach. An der aktuellen Runde haben sich laut Kammer 496 Unternehmen mit mehr als 36.000 Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungsgewerbe aus den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligt. „Die scharfe Zinswende der Zentralbanken bremst das Wirtschaftswachstum. Die weltwirtschaftliche Gemengelage bleibt fragil. Stabile Verhältnisse fühlen sich anders an“, kommentiert Walter Viegener die Resultate.

IHK Siegen: Viele Firmen leiden weiter unter hohen Energie- und Rohstoffpreisen

Der sogenannte Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartung – steigt um fünf Punkte auf 107. Damit liegt er erstmals seit einem Jahr wieder über dem Mittelwert der letzten 20 Jahre von 105. Während die aktuelle Geschäftslage etwas schlechter bewertet wird als noch zu Jahresbeginn, steigen die Zukunftserwartungen in nahezu allen Wirtschaftszweigen. 32 Prozent der Unternehmen berichten demnach von guten Geschäften, 15 Prozent von schlechten. „In weiten Teilen sind die Auftragsbücher noch ordentlich gefüllt“, sagt Walter Viegener. Daher schätze ein Großteil der befragten Unternehmen die aktuelle Lage weiterhin zufriedenstellend ein. Etliche Firmen litten jedoch nach wie vor unter den anhaltend hohen Energie- und Rohstoffpreisen. „Viele der energieintensiven Betriebe sehen derzeit kein Land.“

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Im Gast- und Dienstleistungsgewerbe sowie in der Industrie überwiegen der Umfrage nach erstmals seit mehr als einem Jahr wieder die Unternehmen, die in den kommenden Monaten eine positive wirtschaftliche Entwicklung erwarten. Vor allem seien hierfür das Abflauen der Energiekrise, die verbesserte Materialverfügbarkeit und die etwas bessere Verbraucherstimmung ursächlich. Gleichzeitig stehe die Wirtschaft „jedoch von vielen Seiten unter Druck“. „Eine Klimapolitik mit der Brechstange, die anhaltend hohe Inflation, eine zu hohe Steuerlast sowie der Fachkräftemangel blockieren einen dynamischen und wirklich wahrnehmbaren Aufschwung“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Hinzu komme „eine überbordende Bürokratie, die den Unternehmen immer mehr Lasten aufbürdet. Breiter Optimismus ist daher in der heimischen Wirtschaft gegenwärtig Mangelware. Wir sind noch lange nicht über den Berg!“

Siegen und Umland: Kaputte Straßen machen Schwertransporte zur Geduldsprobe

Waren die sprunghaft gestiegenen Energiekosten noch bis Jahresbeginn das alles überschattende Thema, legen die Arbeitskosten, der Fachkräftemangel und die Verkehrsinfrastruktur in der Risikobewertung deutlich zu und erreichen Rekordwerte. Bereits ein Drittel der heimischen Unternehmen stufe die Verkehrsinfrastruktur als wirtschaftliches Hemmnis ein, erläutert Klaus Gräbener. „Es hilft nichts, allein LNG-Terminals schneller zu bauen, wenn man für Ortsumgehungen nicht selten ein halbes Jahrhundert benötigt.“

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Der Transport von Produkten und Dienstleistungen wird für die heimischen Unternehmen immer zeitaufwendiger und teurer. Auch daran drohe die Energiewende zu scheitern. „Bis sich ein Windrad dreht, benötigen wir sieben Jahre Planungszeit und danach bis zu 80 genehmigungspflichtige Schwertransporte über Straßen und Brücken, bei denen es sich in weiten Teilen um Sanierungsfälle handelt“, so Klaus Gräbener. „Anders ausgedrückt: Wer in Nordrhein-Westfalen 1000 Windräder aufstellen will, benötigt bis zu 80.000 Schwertransporte. Wie die ohne funktionstüchtige Verkehrswege ans Ziel kommen sollen, erschließt sich einem bei nüchterner Betrachtung nicht wirklich.“

Siegen-Wittgenstein: Energieintensive Branchen stehen unter größer werdendem Druck

Leicht rückläufig ist in den Unternehmen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe im Frühjahr die Beschäftigungsneigung. Nach einem deutlichen Anstieg zu Jahresbeginn halten sich nun die Unternehmen, die eine Zu- oder eine Abnahme der Belegschaft erwarten, die Waage. „Leider treten auch die Investitionsabsichten beinahe auf der Stelle“, ergänzt Walter Viegener. Zwar wollten 25 Prozent der Betriebe in den kommenden Monaten ihre Investitionen steigern, aber 21 Prozent der Firmen kündigten auch Absenkungen an.

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Die Industrieunternehmen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe bewerten ihre Geschäftslage etwas negativer als noch zu Jahresbeginn. 28 Prozent melden laut Umfrage gute Geschäfte und 17 Prozent schlechte. Die Spitzenauslastung der Produktion bleibe aber passablem Niveau. „Der in weiten Teilen der Industrie weiterhin gute Auftragsbestand und die hohe Auslastung sind erfreulich“, berichtet der IK-Präsident. „Bei den Neuaufträgen fehlt jedoch vielfach die entscheidende Dynamik. Das bereitet uns wirklich Sorgen.“ Weiterhin melden mehr als 30 Prozent rückläufige Auftragseingänge sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Jedoch steigt die Hoffnung der Industrieunternehmen auf eine Trendwende. Erstmals seit mehr als einem Jahr überwiegen die optimistischen Zukunftserwartungen. Die Stimmung variiert allerdings im Branchenvergleich: „Während die Lage im Maschinenbau erfreulich positiv ist, bleibt die Situation in der besonders energieintensiven Metallerzeugung und in Teilen der Automobilzulieferbranche angespannt und ernst“, so die Kammer.

Siegen: Wohnungsbau verzeichnet deutlich rückläufige Auftragseingänge

Im Bausektor ist aufgrund des dicken Auftragspolsters die Lage gut, die positiven Einschätzungen überwiegen deutlich. Jedes zweite Bauunternehmen meldet eine aktuell gute Geschäftslage, nur acht Prozent eine schlechte. In die Zukunft schauen viele der Unternehmen aber pessimistisch – und Unterschiede werden deutlich. „Der Tiefbau und das Ausbaugewerbe melden weiterhin hohe Auftragseingänge. Im Wohnungsbau sind dagegen die Auftragseingänge aufgrund des Zinsanstieges, der stark gestiegenen Materialkosten und des geringeren verfügbaren Einkommens deutlich rückläufig“, erklärt Stephan Häger, Leiter des Referates Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik.

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Die Lagebeurteilung des regionalen Einzelhandels bleibt auf dem Niveau des Jahresbeginns. 33 Prozent der Händler bewerten ihre derzeitige Geschäftslage als gut, 14 Prozent als schlecht. 35 Prozent konnten in den vergangenen Monaten ihre Umsätze steigern. Die Ertragslage hat sich hingegen verschlechtert. „Mit den hohen Lebensmittelpreisen und Energiekosten ist das verfügbare Einkommen der Konsumenten für den übrigen Einzelhandel deutlich geschrumpft“, merkt Stephan Häger an. Zurückhaltung bekämen vor allem Kfz- und Modeeinzelhandel zu spüren. „Aber auch im Bereich Möbel und Einrichtungsgegenstände bleibt die Konsumneigung niedrig.“

Siegen: Gastgewerbe schaut wieder positiver in die Zukunft

Während im regionalen Dienstleistungsgewerbe die Lagebeurteilung unverändert bleibt, ist der Blick in die Zukunft etwas optimistischer als zu Jahresbeginn. Insbesondere die unternehmensnahen Dienstleister berichten von guten Geschäften. Im Gastgewerbe hat sich hingegen die Stimmung deutlich aufgehellt. Die Betriebe berichten überwiegend von steigenden Umsätzen und zufriedenstellenden Geschäften, wobei der Gastronomiebereich im Vergleich zum Beherbergungsbereich deutlich zurückhaltender bewertet wird. Allerdings belasten die hohen Energiekosten die Branche stark.

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