Eichen/Kreis Olpe. Rappelvoll ist der Eichener Hamer. Bei der Strukturkonferenz nehmen Unternehmen und Gewerkschaft die Politik in die Pflicht.
Das Krisen-Thema ist bekannt. Mit dem „365. Foto an der Rahmedebrücke“, schätzt IG-Metall-Bevollmächtigter Andree Jorgella, wird selbst die geballte Präsenz von Unternehmensleitungen und Belegschaftsvertretungen niemanden mehr beeindrucken. Eine Demo mit 300 Leuten in Berlin noch weniger. Aber eine Strukturkonferenz im Eichener Hamer, die so gut besucht ist, dass die belegten Brötchen schon eine halbe Stunde vor Beginn verzehrt sind, hat das Zeug, Aufrufe wie „Standort stärken“, „Aufbruch wagen“, „Tempo machen“ wahrnehmbar zu transportieren. Erst recht, wenn Saal und Empore mit 260 Leuten so rappelvoll ist, dass gar nicht mehr alle, die dabeisein wollten, auch hereinkommen konnten.
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Konsequenzen: „Verhinderungsmentalität“ beenden
„Wir wollen kein Ruhrgebiet 2 sein“, sagt Andree Jorgella zur Begrüßung – dieses Krisenszenario soll Südwestfalen erspart bleiben, Die Appelle gehen nach Berlin und Düsseldorf. Aber nicht nur die Abgeordneten, „auch jeder Bürgermeister kann einen Beitrag leisten“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener in seinem Schlusswort. „Wir sind ein starker Standort“, sagt er, und ruft dazu auf, „nicht nur zu jammern, sondern auch aufzubrechen“. Wozu ein Umdenken bei denen gehört, die den Staat und seine Infrastruktur steuern – auch dieses Thema zieht sich durch den ganzen Vormittag. „Man kann nicht in zehn Jahren die Industrie von links auf rechts drehen, wenn ich für eine Ortsumgehung 50 Jahre brauche.“ Vorher wird Reinhard Quast, der aus Siegen stammende Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, ebenso deutlich. Er fordert, „dass die Fesseln, die einige Leute uns angelegt haben, endlich durchgeschnitten werden“. Er beklagt die „Verhinderungsmentalität“. die Verwaltungshandeln prägt. „Verhindern kann jeder, ohne dass er zur Rechenschaft gezogen wird. Wir brauchen mutige Verwaltungsmitarbeiter und Politiker.“
Über gut zwei Stunden geben sich auf der Bühne Vertreter von Unternehmensleitungen und Betriebsräten das Mikro in die Hand. Im Publikum hören auch die Landtagsabgeordneten, Bürgermeister und Kreistagsmitglieder zu – wegen der Plenarsitzung in Berlin sind die Bundestagsabgeordneten nicht dabei. Es geht um Verkehr, Fachkräfte, Digitalisierung und Energie.
Verkehr: Eine Qual für Arbeitnehmer
Ralf Grunwald, Betriebsratsvorsitzender der Heldener Metalltechnik: „Wir bekommen keine Lkw. Das Material fehlt, weil keine Zulieferung kommt.“ Beim Disponieren überlegen sich Spediteure gut, ob und wann sie Fahrzeuge und Personal im Lüdenscheider Stau parken. „Für die, die da her müssen, ist das eine Qual.“ Auch für ihn selbst. Abends für den Heimweg nach Bochum braucht er zwei Stunden. Morgens nach Attendorn geht es etwas schneller.
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Helmut Renk, Betriebsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel in Kreuztal: „Die Belegschaften haben große Sorgen. Auf Dauer hält das kein Unternehmen aus.“ Um Güterverkehr auf die Schien zu legen, fehlen Gleisanschlüsse und bei der Bahn Waggons und Personal. Zur Rahmedebrücke: „Über ein Jahr ist nichts passiert, es wird nur geredet.“
Michael Kröhl, Logistik-Leiter der Krombacher Brauerei: Im Sommer, wenn die Nachfrage nach Getränken groß ist. verzichteten Speditionen darauf, ihre Kapazität mit Fahrten nach Kreuztal über Gebühr lange zu binden. Die Bemühungen, Waren über die Schiene zu befördern, verliefen „wiederum sehr ernüchternd“. Es gebe „viele Gründe, warum etwas nicht funktioniert“. Kröhl fordert, den Schienengüterverkehr zu subventionieren. „Im Moment sitzt die Politik das aus. In dieser Zeit verlieren wir unsere Zukunftsfähigkeit.“
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Christoph Heuel, geschäftsführender Gesellschafter der Meinerzhagener Spedition: „Wir finden kaum noch Mitarbeiter, die sich das antun wollen.“ Nicht den Stau im Lkw, nicht die lange Anfahrt zum Arbeitsplatz. Ein Lkw-Fahrverbot für Lüdenscheid findet er gut, im Prinzip, weil es die trifft, die weder Start noch Ziel im weiteren Umkreis haben. „Das hilft uns und den Anliegern. Aber wie will man das kontrollieren?“ Für denkbar hält er auch eine Trennung von Pkw- und Lkw-Verkehr, mit eigenen Strecken nur für den Güterverkehr.
Jochen König, Geschäftsführer des Behälterbauers König + Co in Netphen, berichtet über verdoppelte Transportkosten. „Wir haben viele Aufträge mit sehr großen Bauteilen“ – die auch der angestrebten Energiewende dienen. Auch die Teile von Windrädern seien Schwertransporte.
Jörn Demmer, Logistík-Leiter der Haigerer Spedition STL, knüpft an: Jede Windkraftanlage zieht 80 Schwertransporte nach sich. Der Aufwand für die Touren sei groß. Seine Firma liefere sogar 3-D-Ansichten der Route, „damit man den Behörden die Angst nimmt, auch mal einen Transport zu genehmigen.“
Fachkräfte: Belegschaften müssen digital dazulernen
Christian F. Kocherscheidt, Geschäftsführer von Ejot in Bad Berleburg („Ich habe heute eine Stunde gebraucht, um hierhin zu kommen“), berichtet über Modelle wie Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung an Nachhaltigkeits-Investitionen. „Die Leute, die wir haben, zu halten, gelingt leichter, als neue aus der Ferne zu holen.“
Frank Clemens, Dachdeckermeister aus Olpe und Kreishandwerksmeister, sagt, dass es mit Berufsmessen und ähnlichen Veranstaltungen nicht getan ist, um Nachwuchs zu gewinnen. „Wir müssen die Köpfe der Eltern erreichen“ – die ihre Kinder nicht nur für akademische Laufbahnen interessieren sollen. Attraktiv wäre auch Berufsschulunterricht vor Ort statt jenseits der Rahmedebrücke. „Digital allein reicht nicht.“
Stefan Köster, Betriebsratsvorsitzender von EMG in Wenden, fordert, Facharbeiter-Berufe deutlicher darzustellen.
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Tobias Tigges, Betriebsratsvorsitzender der Hilchenbacher SMS group, spricht die Notwendigkeit an, dass auch hoch qualifizierte Fachkräfte Weiterbildung brauchen, um neuen Anforderungen zu genügen. Zwei Jahre für ein ergänzendes Studium auszusteigen, könnten sich Kolleginnen und Kollegen in dieser Lebensphase aber kaum leisten. „Wir brauchen das Transferkurzarbeitergeld für hoch qualifizierte Jobs. Früher hat man sich am Markt neue Mitarbeiter besorgt – das geht heute nicht mehr.“ Tobias Tigges fordert, dass Fördermöglichkeiten gebündelt und an die Unternehmen herangetragen werden, statt denen die Recherche zu überlassen. „Wir brauchen eine bessere Verzahnung.“
Digitalisierung: Nur noch Mittelfeld
Christoph Mennekes, Mennekes Elektrotechnik in Kirchhundem, sieht Chancen für das digitale Aufholen: „Wir dürfen nicht alles kaputtreden.“ Gebraucht würden auch Fachkräfte aus dem Ausland.
Dr. Wieland Klein, technischer Direktor der Maschinenfabrik Heinrich Georg in Kreuztal, warnt: In Sachen Digitalisierung sei Deutschland allenfalls noch Mittelfeld. „Wenn wir so weitermachen, sehe ich einige Probleme auf uns zukommen.“ Die digitale Transformation werde nur mit den vorhandenen Belegschaften gelingen. „Wir müssen die Leute mitnehmen. Der Weg ist sehr steinig.“
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Energie: Kein politischer Wille zur echten Unterstützung
Christian Küster, Geschäftsführer der Zentralen Dienste der Gebrüder Kemper in Olpe, spricht aus der Sicht eines „energieintensiven“ Unternehmens. „Wir hätten bei dem Energiepreisbremsen weitergehen können. Da ist kein politischer Wille, echt zu unterstützen.“ Im Bundeswirtschaftsministerium finde „im Moment nur Klima und zu wenig Wirtschaft statt“. Auch Unternehmen, die mit großem Energieaufwand produzierten, stellten Anlagen für die Energiewende, zum Beispiel Windräder, her. „Viele Unternehmen werden diese Zeit nicht überstehen, wenn wir nicht einen Industriestrompreis bekommen.“ Denn sie konkurrieren international mit Unternehmen, die Strom zu unverändert niedrigem Preis beziehen. 4 Cent pro Kilowattstunde waren das in Deutschland vor dem Krieg, aktuell sind es 20 bis 25 Cent.
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