Kreuztal. Aus der Stadthalle sollte ein Bürgerforum werden. Wie die Sanierung vorbereitet wurde, wie der Bau ablief – und zerstört wurde.

Kreuztal boomt in den späten 1980er Jahren. Die Stadt kauft 1989 den Dreslerschen Park, um dort 1997 ein Kulturzentrum in Gelber und Weißer Villa zu eröffnen. Der Bau der Stadthalle ist kurz vor dem Abschluss, am 31. März 1990 gibt die Philharmonie Südwestfalen, die damals noch Südwestfälische Philharmonie heißt, ihr erstes Konzert. Auch unten im Stadtzentrum wird gebaut. Der Parkplatz neben dem Rathaus wird mit dem Rathauscenter überbaut, das Rathaus selbst bekommt einen Anbau, der 1992 eröffnet wird. Es hätte auch anders kommen können: Eigentlich fehlte der Kreuztaler Politik vor allem ein Ratssaal – aber eine multifunktional, vor allem auch als Schulaula nutzbare Stadthalle im Schulzentrum ließ sich besser finanzieren. Der Rat hat dort dann übrigens nur sehr selten getagt: Die Stadthalle war nicht barrierefrei gebaut worden.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Die Sanierung wird vorbereitet

Zeitsprung um gut 25 Jahre: Die Stadt Kreuztal hat sich weiter entwickelt, musste nach diversen Pleiten den Bereich um den Roten Platz auf Vordermann bringen. Die Stadtbibliothek zog aus Dreslers Park ins ehemalige Squashcenter um – unten war ein Plus-Markt –, der ehemaliger Plaza-Markt wurde weitgehend entkernt und als Dornseifer-Markt wiedereröffnet, der Heugraben wurde ein Wohnviertel und Verbindungsglied zum Bahnhof, aus dem die Stadt als neue Eigentümerin einen Kulturbahnhof mit Künstlerateliers machte. Ende 2016 kommt das „Integrierte Handlungs- und Entwicklungskonzept“ auf den Tisch, das den Städtebau in den nächsten Jahren bestimmen wird, Projekt Nummer 3 ist die Stadthalle. Sie soll modernisiert werden. In den Jahren 2018 bis 2020. Für 2,9 Millionen Euro.

Anfang 2017 ist erstmals von einer „möglichen sanierungsbedingten Schließung“ der Stadthalle die Rede. Das wäre der „Worst Case“, sagt Kulturamtsleiter Holger Glasmachers. Immerhin wird die Halle an 200 Tagen im Jahr belegt. Für die Übergangszeit könne vielleicht ein großes Zelt aufgestellt werden, überlegt er.

Im März 2017 stellt Hochbauamtsleiter Frieder Bosch erstmals Pläne vor: eine gläserne Hülle um den vorhandenen Baukörper, die die Halle um fast 700 Quadratmeter vergrößert und damit doppelt so groß macht wie bisher, mit exakt 618 Sitzplätzen.

Im April 2018 will die Stadt mit dem Bau beginnen. Wollte. Denn die eingeplanten Fördermittel sind nicht bewilligt. Man hofft auf Erfolg im dritten Anlauf, der sich wegen der gerade schwierigen Regierungsbildung in Berlin – die FDP ließ die Koalitionsverhandlungen platzen – hinzieht. Die „Tour der Kultur“ zu den Ausweichspielstätten beginnt trotzdem, erste Konzerte in der evangelischen Kirche Buschhütten und im Kino der Krombacher Brauerei sind geplant, im Januar 2019 soll die letzte Show in der Stadthalle über die Bühne gehen – es wird „Your Story“, ein Projekt des Tanztheaters Kreuztal, am 2. Februar. Die Baukosten werden inzwischen mit 3,2 Millionen Euro angegeben.

Im Sommer 2020 veröffentlicht die Stadt einen Kurzfilm, in dem Bürgermeister Walter Kiß und Hochbauamtsleiter Frieder Bosch über die nun tatsächlich eingerichtete Baustelle führen – mittlerweile beherrscht die Corona-Pandemie das öffentliche Leben. Als erster Schritt steht der Abriss des alten Foyers und des bisherigen Eingangsbereichs an. Zwischendurch hat die Stadt noch einmal umgeplant: Das Schulzentrum muss erweitert werden, Gymnasium und Gesamtschule werden um eine Etage erweitert – das schafft Spielräume für das Bürgerforum, wie die Stadthalle künftig heißen soll. Obwohl die Fördermittel seit 2018 bereitstehen, hat sich 2019 nichts getan. Die EU-weite Ausschreibung von Bauaufträgen ist ein Zeitfresser. Weil die Veranstaltungstechnik längst ausgebaut ist, konnte die Halle auch nicht mehr kurzfristig wieder in Betrieb genommen werden. Aktueller Kostenstand: 3,4 Millionen Euro.

Der Neubau beginnt

Im Dezember 2020 hält die Stadt daran fest, dass das Bürgerforum Ende 2021 fertig sein wird. Mit dem Neubau ist immer noch nicht begonnen worden, die Stadt wartet auf einen Nachschlag von Zuschüssen, nachdem sie bei der Planung nachgelegt hat. Alles wird etwas großzügiger und barrierefreier. Kostenstand: 4,8 Millionen Euro. In der Otto-Flick-Halle tagt im November zum ersten Mal der neu gewählte Rat – wegen der Pandemie ist der übliche Sitzungsort im Feuergerätehaus Leystraße für die Kommunalpolitiker gesperrt. Sie sitzen auf den Stühlen aus der alte Stadthalle, die bereits für das digitale Reservierungssystem im neuen Bürgerforum umgerüstet wurden. Auch der Rat werde dann im Bürgerforum tagen können, stellt der Bürgermeister in Aussicht. Ab 2022.

Im August 2021 wird ein neuer Eröffnungstermin kommuniziert: Es wird wohl „Spätsommer 2022“. Neben Schwierigkeiten bei der Gründung des Neubaus und der Pandemie kommen nun auch noch die Folgen der Hochwasserkatastrophe hinzu. Alles Material wird erst einmal dorthin geliefert. Und dann gibt es noch ein Lieferproblem aus Richtung Hagen, vier Monate vor Sperrung der Rahmedetalbrücke: Die Bahnstrecke ist seit der Überflutung gesperrt.

+++ Lesen Sie auch: Kreuztals große Baustellen: In einem Jahr ist alles fertig +++

Im November 2021 sieht sich der Kulturausschuss die Baustelle an; seit April wächst der Erweiterungsbau rund um die alte Stadthalle tatsächlich.

Im Februar 2022 wird ein neuer Preis genannt; 5,4 Millionen Euro.

Ende April kommt eine schlechte Nachricht: Irgendwann in den Osterferien sind Unbekannte über das Dach spaziert, die Bitumenschweißbahn bekam einen Riss. Dämmschicht und Estrich sind hinüber, die Fertigstellung wird sich verzögern.

Das Bürgerforum brennt ab

Montag, 16. Mai 2022, 11.30 Uhr: Die Feuerwehr wird zu einem Brand auf dem Dach der Stadthalle alarmiert. Die Schulen werden evakuiert, nach und nach sind rund 150 Feuerwehrleute im Einsatz. Schon nach anderthalb Stunden steht fest, dass das Gebäude nicht zu retten sein wird – der Brand zündet durch, Fensterscheiben springen. Am Nachmittag stürzt das Dach ein. Zwei Personen werden leicht verletzt.

17. Mai 2022: Bei der Stadt Kreuztal geht die Ausnahmegenehmigung ein, dass sie auch in den nächsten Jahren die Feuerwache nicht hauptamtlich besetzen muss. Die Stadt ist mit ihrer freiwilligen Wehr gut aufgestellt – was die gerade bewiesen hat.

+++ Lesen Sie auch: Großbrand: „Leben ohne Stadthalle in Kreuztal unvorstellbar“ +++

Kreuztalkultur beginnt unmittelbar nach dem Brand mit der Alternativplanung. Das Programmheft wird eingestampft, vorerst veröffentlicht und für den Vorverkauf freigegeben wird nur die erste Spielzeithälfte. Die für das Bürgerforum ab 7. Januar 2023 geplanten Veranstaltungen müssen neu disponiert werden.

Im Sommer gibt die Staatsanwaltschaft die Brandstelle frei. Die Trümmer werden abgerissen, der Schutt wird beseitigt. Die wenigen nicht beschädigten Bauteile bleiben stehen. Aus einem geretteten Balken baut Friedrich Hahn, als Ruheständler Künstler und einst Stadtbrandmeister, eine Skulptur, die er der Stadt als Zeichen der Hoffnung schenkt. Im Dezember 2022 wird bekannt, dass die Bezirksregierung die Zusage von 3,5 Millionen Euro Fördermitteln zurückgezogen und bereits ausgezahlte 380.000 Euro zurückgefordert hat. Für 2023 veranschlagt die Stadt 200.000 Euro Planungskosten für den Neubau der Stadthalle. Alles fängt wieder von vorne an. Die Motown-Hits werden am 7. Januar nicht im Bürgerforum, sondern im Campus Buschhütten gespielt.

Zum Thema:
Kreuztals Bürgermeister: Noch lange keine neue Stadthalle

Kreuztalkultur will auch ohne Stadthalle attraktiv sein

So geht’s Chorgemeinschaft und Blasorchester ohne Stadthalle.

Nach dem Brand der Kreuztaler Stadthalle: Schulen ohne Aula

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++