Siegen-Wittgenstein. „Nicht lähmen lassen vor den Herausforderungen“ – diese Devise gibt Landrat Andreas Müller aus. Das hat allerdings seinen Preis.
Das Beste hebt sich Kreiskämmerer Thomas Damm für den Schluss seiner Präsentation auf: Nicht knapp 12 Millionen Euro fehlen im Haushalt des Kreises Siegen-Wittgenstein für 2023., sondern inzwischen schon 17,4 Millionen Euro. Von daher müsste der Hebesatz für die Kreisumlage eigentlich nicht nur auf 37,69 Prozent, sondern auf 38,69 Prozent erhöht werden. Vor diesem Hintergrund wirken die 35,3 Prozent, die tatsächlich im Entwurf des Haushalts stehen und auch schon ein halbes Prozent über dem jetzigen Satz liegen, fast schon wie ein Sonderangebot. Dabei hat auch das die Bürgermeisterin und die Bürgermeister des Kreises auf die Barrikaden gebracht: Sie fordern eine Absenkung des Hebesatzes auf 32,8 Prozent.
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Landrat Andreas Müller: „Den Laden am Laufen halten“
Damit ist das Spielfeld markiert, auf dem sich bis zur Entscheidung des Kreistags am 16. Dezember das Feilschen zwischen den Kreistagsfraktionen abspielen wird. Fast sechs Prozentpunkte Spielraum machen immerhin 31,5 Millionen Euro aus – deutlich mehr, als Ende 2023 in der Ausgleichsrücklage des Kreises noch übrig sind. „Wir kommen langsam ans Ende der Gestaltungsmöglichkeiten“, warnt Thomas Damm. Landrat Andreas Müller hebt ein weiteres Mal die „ausgesprochen kommunalfreundliche“ Haushaltsplanung hervor. Dass die Bürgermeister, die sich das geforderte Geld am Ende mit höherer Grundsteuer von ihren Einwohnern holen, das vollkommen anders sehen, ist beiden natürlich auch klar.
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Landrat Andreas Müller erinnert daran, wie der Kreis die Pandemie überstanden hat, und stellt dar, wie der Ukraine-Krieg vor weitere Herausforderungen von der Flüchtlingsaufnahme („mehr als 2014/15“) bis zur den Energiekosten stellt: „Uns war wichtig, den Laden am Laufen zu halten. Wir lassen uns nicht lähmen von den Herausforderungen.“ Breitbandversorgung, Freiflächen-, Agri- und Floating-Photovoltaikanlagen (also über Äckern und Talsperren), Radwege und die dritte Talsperre in Bad Berleburg nennt der Landrat als Beispiel für Innovationsprojekte. Aber auch die internationale Pflegeschule am Bildungsinstitut für Gesundheitsberufe auf dem Siegener Wellersberg für jährlich 20 Pflege-Azubis aus Vietnam, die der Kreis mit 87.000 Euro im Jahr mit anschieben will: „Oft sind es die kleinen Beträge, die große Wirkung entfalten.“
Darum geht es im Kreishaushalt 2023
Kinder und Jugend: 4,6 Millionen Euro mehr braucht der Kreis, um die Arbeit des Jugendamts zu finanzieren, davon allein 3,2 Millionen Euro für die Kindertagesbetreuung - 188 Kinder mehr als in diesem Jahr brauchen ab August 2023 einen Betreuungsplatz. Allein für die Kitas – die im Stadtgebiet Siegen ausgenommen – werden 85,3 Millionen Euro gebraucht. Die Kosten sind seit 2008 jährlich im Schnitt um 15,5 Prozent gestiegen. Die Hilfen zur Erziehung schlagen mit 1,5 Millionen Euro mehr zu Buche: Die Folgen von Corona schlagen sich bei Kindern, Jugendlichen und Familien nieder. Insgesamt, so betont Kämmerer Thomas Damm, ist der Kreishaushalt vor allem ein Sozialhaushalt: 68,5 Prozent der Ausgaben fließen in diesen Bereich. Von der Kreisumlage leitet der Kreis fast die Hälfte an den Landschaftsverband durch, der vor allem Aufgaben im Bereich Jugend und Eingliederung von Behinderten wahrnimmt. Kreisumlage und Schlüsselzuweisungen des Landes, die der Kreis auch bekommt, reichen zusammen nicht aus, um die Sozialleistungen zu finanzieren.
Öffentlicher Nahverkehr: 2,2 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr und damit insgesamt rund 12,6 Millionen Euro gibt der Kreis für den Busverkehr aus, unter anderem auch für die Subventionierung der derzeitigen Fahrpreise („Höchsttarif“). „Nicht absehbar" sei die Rückkehr des Nahverkehrs zu „echter Eigenwirtschaftlichkeit“, also zur Finanzierung allein durch Fahrgeldeinnahmen, heißt es im schriftlichen Ausblick von Kämmerer und Landrat. „Wir werden 2023 ein Bündel von Grundsatzentscheidungen treffen müssen“, sagt Landrat Andreas Müller. Zum einen dazu, ob der Kreis wieder selbst in ein Verkehrsunternehmen einsteigt (die VWS) oder eins gründet. Zum anderen, ob die Busse der Zukunft mit Strom oder Wasserstoff angetrieben werden – daran wiederum hängt die Entscheidung, welches Infrastrukturunternehmen für die Energieversorgung der Fahrzeuge aufgebaut werden muss. Und ob sich das für ein Privatunternehmen rechnet, das die Linienkonzessionen nur für jeweils zehn Jahre bekommt. „Allein werden wir das nicht stemmen können“,sagt jedenfalls Kämmerer Thomas Damm. Dazu müssten Fördergelder fließen.
Personal: 3,67 Millionen Euro Mehrausgaben sind veranschlagt – angesichts der 10,5-Prozent-Forderung der Gewerkschaft Verdi „werden wir etwas nachlegen müssen“, sagt Kämmerer Thomas Damm. Noch einmal 2,8 Millionen Euro mehr werden dem Kreistag vorgeschlagen. Rund eine Million Euro mehr kosten 13 zusätzliche Stellen bei der Kreisverwaltung, in deren Stellenplan dann insgesamt 805,5 Stellen ausgewiesen sein werden. Verstärkt werden Polizei- und Ausländerbehörde, Sozialamt, regionaler Sozialdienst und Gesundheitsamt. Bereits vom Kreistag beschlossen sind zwei neue Stellen für Radwegeplaner und eine Stelle für einen Energiemanager.
Investitionen: Rund 90 Millionen Euro investiert der Kreis in diesem Jahr, davon allein 52 Millionen Euro in den Breitbandausbau. Mit 14,3 Millionen Euro schlagen die Kreisstraßen zu Buche: unter anderem Erndtebrück-Birkefehl (K 49), Bad Laasphe-Rückershausen (K 34), Bad Laasphe-Schloss Wittgenstein (K 41) und Erndtebrück-Balde (K 47). Neu gebaut werden die Rettungswachen Bad Berleburg, Bad Laasphe und Wilnsdorf. Nach wie vor nicht in Sicht ist der Neubau der Rettungswachen Kreuztal und Hilchenbach, die die zentrale Rettungswache im Ferndorftal in Ferndorf ersetzen sollen. Weder in Allenbach noch im nördlichen Kreuztaler Stadtgebiet wurden bisher Bauplätze gefunden. „Wir sind noch nicht einmal in konkreten Grundstücksverhandlungen“, sagt Landrat Andreas Müller.
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