Siegen-Wittgenstein. Beide Themen haben mit der Klimaveränderung zu tun: Der Kreis braucht eine neue Talsperre – und will auch mehr Windräder.

Bei acht Gegenstimmen und einer Stimmenthaltung hat der Kreistag grünes Licht für die weitere Planung der Truftetalsperre beim Bad Berleburger Stadtteil Berghausen gegeben. Mit dem Beschluss verbunden ist der Auftrag, ein Wasserschutzgebiet für den Einzugsbereich der neuen Talsperre zu planen. Die Baukosten werden in der Machbarkeitsstudie mit 170 Millionen Euro angegeben, hinzu kommen die Kosten für eine Wasseraufbereitungsanlage und die Anschlussleitungen. Die Initiative „Rettet die Trufte“ hat Gesamtkosten von rund 300 Millionen Euro ausgerechnet.

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Als „sehr gutes Signal“ bewertete Landrat Andreas Müller die große Mehrheit: „Das ist ein guter Start für dieses Projekt.“ Die politischen Mehrheiten werden auch wohl auch über eine lange Strecke gebraucht. Die meisten der jetzt aktiven Politiker und Politikerinnen würden die Eröffnung der Talsperre zumindest nicht mehr im Amt erleben, sagte Marco Schmidt (SPD): „Es geht darum, nachkommenden Generationen das Leben in der Region zu sichern.“ „Es gibt keine Alternative“, sagte auch Jutta Capito (CDU).

Grüne lehnen Truftetalsperre in Bad Berleburg ab

Den Überlegungen für den Bedarf einer dritten Talsperre in Siegen-Wittgenstein liegt eine Machbarkeitsstudie zugrunde. Danach wird die Klimaveränderung dazu führen, dass auf der einen Seite das Wasserdargebot von Breitenbach- und Obernautalsperre abnimmt, andererseits der Wasserbedarf zunimmt – auch wegen der steigenden Bewässerungsnotwendigkeit in trockenen Sommern. Abgewogen wurden zwei Standorte: Das Elberndorftal bei Hilchenbach und Erndtebrück wurde wegen der geringeren Ergiebigkeit und der erwarteten schlechteren Güte des Rohwassers nicht empfohlen; die Gutachter sprachen sich für das Truftetal aus.

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Widerspruch kam von Bernd Schneider (Grüne): Besser sei es, den Trinkwasserverbrauch zu reduzieren und örtliche Reservoirs wieder in Betrieb zu nehmen. „Da wäre einiges möglich.“ Die Initiative „Rettet die Trufte“ sieht keinen Nachweis für einen „echten Bedarf“. 150 Liter Wasser pro Person und Tag bereitzustellen, sei „Verschwendung“. Durch den Bau der Talsperre werde landwirtschaftliche Fläche und Lebensraum für Wild zerstört. Bau- und Betriebskosten würden so hoch sein, dass Siegen-Wittgenstein einen der teuersten Wasserpreise in NRW haben werde.

FDP: Neue Talsperre auch für Tourismus nutzen

Peter Hanke (FDP) war mit der Beschränkung auf eine Trinkwassertalsperre nicht einverstanden. „Wir werden in Sachen Naherholung und Touristik nicht nachlassen.“ Die neue Talsperre könnte ein touristischer „Leuchtturm“ werden. Horst-Günter Linde (UWG) riet, „mit den Erwartungen auf dem Teppich zu bleiben“: „Das wird kein Biggesee und auch kein Edersee.“ André Jung (CDU) berichtete über das Leben mit der Breitenbachtalsperre in Hilchenbach: „Das ist auch so schon Naherholung pur, ohne dass man Wasserski darauf fährt.“

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Die Truftetalsperre wird die drei Wittgensteiner Kommunen versorgen, die ihr Trinkwasser bisher aus der Aufbereitungsanlage des Wasserverbandes Siegen-Wittgenstein in Dreis-Tiefenbach beziehen. Dazu wird von einer neu errichteten Aufbereitungsanlage an der Truftetalsperre aus eine Transportleitung nach Bad Berleburg und eine zum Hochbehälter Eisenstraße gebaut, von dem aus - wie bisher - Bad Laasphe und Erndtebrück erreicht werden. Ausgebaut wird auch die Verbindung zwischen Eisenstraße und Dreis-Tiefenbach. Damit wird erreicht, dass das an der Truftetalsperre aufbereitete Wasser sowohl einen Ausfall der Breitenbach- und Obernautalsperre als auch einen Ausfall der Wasseraufbereitung in Dreis-Tiefenbach ersetzen kann.

Bürger sollen an Windparks mitverdienen

Am Bau neuer Windparks sollen Bürger als Anteilseigner beteiligt werden müssen. Der Kreis Siegen-Wittgenstein fordert die Landesregierung auf, dazu ein Gesetz vorzulegen. Für diesen Antrag der SPD-Fraktion hat sich der Kreistag ausgesprochen. Dagegen stimmten - neben einigen CDU-Kreistagsmitgliedern - die soeben auf der Mitglieder reduzierte AfD-Fraktion und der fraktionslose Martin Schwarzer, der aus der AfD-Fraktion ausgetreten ist. „Die Zustimmung zur Windkraft schwindet, je näher sie rückt“, sagte Christian Zaum (AfD), „jetzt möchte man sich die Zustimmung erkaufen.“

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Hermann-Josef Droege (CDU) setzte durch, dass die Beteiligung von Bürgern für alle Anlagen mit regenerativen Energien gefordert wird, also zum Beispiel auch Photovoltaikablagen oder Biomasse-Kraftwerken. Die jeweiligen Betriebsgesellschaften sollten „zwingend“ ihren Sitz am Ort der Anlage haben, damit der Kommune die Gewerbesteuer zufließt. Windparks sollten der Grundsteuer B für bebaute Grundstücke unterworfen werden und nicht, wie bisher, der wesentlich niedrigeren Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke.

Grüne gegen 1000-Meter-Abstand, FDP weiter dafür: „Unverhandelbar“

Andreas Klein (FDP) meinte ebenfalls, die Akzeptanz für Windparks solle auf diesem Weg „erkauft“ werden: „Die Wirtschaftlichkeit von Windparks ist nicht nachgewiesen.“ Thomas Börger (Grüne) forderte, den von der alten Landesregierung vorgegebenen Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windrad und Wohnbebauung aufzugeben. Der Abstand müsse bleiben, das sei „unverhandelbar“, sagte Peter Hanke (FDP): „Aber grundsätzlich stimmen wir zu.“ „Je näher, um so unschöner“, fand Horst-Günter Linde (UWG) – das gelte für Windparks ebenso wie für die zuvor beschlossene Talsperre. Bernd Schneider (Grüne) wies den Vorwurf des „Erkaufens“ von Zustimmung als „absoluten Quatsch“: „Wir wollen höhere Akzeptanz durch Beteiligung.“ Der bisher einzige Bürgerwindpark im Kreisgebiet steht in Hilchenbach auf der Lümke. Rothaarwind betreibt dort fünf Anlagen.

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