Siegen/Wilnsdorf. Im „TeamSportPark“ Siegen machen Kinder aus dem Flutgebiet Ahrtal bei einem einwöchigen Fußballcamp mit. Dabei können sie ihre Sorgen vergessen.

20 Kinder aus dem im Sommer 2021 überfluteten Ahrtal waren nun für ein Fußballcamp zu Besuch im Siegerland. Die Mädchen und Jungen im Alter von acht bis dreizehn Jahren haben ihre Winterferien auf der neuerbauten „TeamSportPark“-Anlage der Stiftung „Anstoss zum Leben“ im Leimbachtal verbracht. Die Stiftung (siehe Zweittext) hat das Projekt zusammen mit dem Kreissportbund Siegen-Wittgenstein (KSB) und dem CVJM Siegerland auf die Beine gestellt.

Siegen: Kinder aus dem Flutgebiet Ahrtal schwärmen vom Fußballcamp

Elma Semic (9) liebt es, Fußball zu spielen, und ist zu Hause im Ahrtal in einem Verein. „Wir wohnen in einem zweistöckigen Haus“, erzählt sie. Ihr Hauptwohnbereich war nicht von der Hochwasserkatastrophe betroffen, „aber die Wohnung meiner Tante im Erdgeschoss und unser Keller sind leider bei der Flut vollgelaufen.“ Das Fußballspielen helfe ihr, um auf andere Gedanken zu kommen.

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So geht es auch den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Julia Krämer (12) und Lena Weisbender (13) sind beide aktuell nicht im Fußballverein, da es seit der Flut in ihrem Wohngebiet einen solchen nicht mehr gibt, auch keinen nutzbaren Bolzplatz. „Unser Haus in Mayschloß ist von der Flut mitgerissen worden“, erzählt Julia Krämer. Die Freizeit sei eine „super Möglichkeit, bei meiner Lieblingssportart neue Leute kennenzulernen, die dasselbe wie ich erlebt haben“.

Kostenfreie Freizeit

Das Fußballcamp fand vom 21. bis 25. Februar statt. Mithilfe der regionalen Sponsoren konnte die Freizeit für die Kinder kostenfrei angeboten werden.

Die Kinder in Rheinland-Pfalz mussten nach Weihnachten bereits am 3. Januar wieder in die Schulen. Damit hatten sie bislang eine Woche weniger Ferien in 2022. Diese Woche wurde jetzt im Februar nachgeholt und für die Freizeit genutzt.

Verköstigt wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der CVJM Jugendbildungsstätte in Wilgersdorf, von wo aus ein Shuttle die Gruppe täglich zum Sportgelände im Leimbachtal gefahren hat.

Kawa Habash (11) pflichtet ihr bei: „Hier kann ich neue Freunde finden und ganz viel Fußball spielen.“ In seinem Wohnhaus wurden der erste Stock und der Keller geflutet. „Zum Glück wohnen wir im zweiten Stock.“ Das Gute beim Camp: „Man konzentriert sich hier nur auf Fußball und darauf, besser zu werden.“

Siegen: Programm des Fußballcamps ist vielfältig – das sind die Angebote

Nele Gehrmann (8) aus Heimersheim betont: „Es ist schön hier zu sein, Fußball zu spielen, schwimmen zu gehen und alles mit den Betreuern machen zu können, was wir wollen.“ Auch der 12-jährige Luis Bröcher aus Kalenborn, der beim SV Berg in der Jugend spielt, ist begeistert von den vielseitigen Aktivitäten.

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Denn auch außerhalb des Sports erwartetet die fünf Mädchen und siebzehn Jungen ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm: In der Bildungsstätte Wilgersdorf wurden abends Filme geschaut und gemeinsam Stockbrot gegessen. „Um den Fußball vom Platz auf die Leinwand zu bringen, haben wir mit einer Spielkonsole Fußballturniere veranstaltet“, erzählt Katrin Schnell, Jugendreferentin beim CVJM Siegerland.

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Das gute Wetter während des Camps sei mit einer Runde „Bubble Ball“ auf dem Fußballplatz voll ausgekostet worden. „Die Kinder sind an der frischen Luft, weit weg von den Problemen bei ihnen zu Hause“, berichtet Katrin Schnell. Mitte Januar habe Cornelia Bauer, Geschäftsführerin des TeamSportParks, Kontakt zu Vereinen im Ahrtal gesucht. „Wir wollten als Stiftung etwas Gutes tun für die Betroffenen“, sagt Bauer. Dabei ist sie auf die Organisation „Helfer-Stab“ und deren Mitarbeiter Felix René Haß, der das Fußballcamp leitet, gestoßen. Das ist ein Netzwerk, das sich als Schnittstelle zwischen allen Stellen im Ahrtal zum Zweck der Fluthilfe gegründet hat.

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Zuerst die Situation mit Corona und dann noch die Flut – das alles zu verarbeiten, sei eine Doppelbelastung für die Kinder und brauche Zeit, sagt Felix René Haß. „Ziel unseres Ferienangebotes ist es, den Kindern eine unbeschwerte Zeit und ganz viel Spaß mit ein wenig Muskelkater zu ermöglichen.“ Der Leiter ist dankbar: „Wir haben hier unglaublich viel Unterstützung von den regionalen Sponsoren bekommen.“

Siegen: Fußballcamp unterstützen gleich mehrere Sponsoren

Die Familienstiftung „Anstoss zum Leben“ und weitere Sponsoren, wie der KSB, der CVJM Siegerland, das Autohaus Mercedes Bald sowie der Sportausstatter Schulze, haben dieses einwöchige Camp finanziert. Der KSB hat 5000 Euro aus dem Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche 2022“ bereitgestellt. Insgesamt kam ein fünfstelliger Betrag zusammen. „Unsere Sportanlage im Leimbachtal bietet optimale Voraussetzungen, dass sich die Kinder aus dem Ahrtal bei uns wohlfühlen“, so Dagmar Utsch-Stichhan, Vorsitzende der Stiftung Anstoss zum Leben.

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Der KSB habe das gesamte Sportmaterial an der Anlage zur Verfügung gestellt. „Wir fördern und unterstützen Aktionen wie diese gerne mit Material und Manpower“, erklärt Daniel Ruiz, stellvertretende Geschäftsstellenleitung und verantwortlich für die Kinder- und Jugendarbeit des KSB. „Auch wir hatten vor, etwas für die Flutopfer zu tun, aber uns ganz alleine war es nicht möglich, da was auf die Beine zu stellen.“

Dagmar Utsch-Stichhan (Mitte) mit den Camp-Besuchern Nele Gehrmann und Luis Bröcher.  
Dagmar Utsch-Stichhan (Mitte) mit den Camp-Besuchern Nele Gehrmann und Luis Bröcher.   © Stiftung "Anstoss zum Leben" | Stiftung "Anstoss zum Leben"

Deshalb sei es toll, dass bei dem Fußballcamp viele regionale Stellen für Jugendliche zusammenkommen sind, um dieses Erlebnis für die Kinder möglich zu machen. „Die Bedingungen für die Kinder sind Eins A mit der Unterbringung in Wilgersdorf und der Freiluftsportstätte hier am Leimbach. Wenn man mit den Kindern ins Gespräch kommt, merkt man auch, dass es ihnen total gut gefällt.“ Die Kombination aus Spaß und Bewegung sei ein rundes Paket.

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„Es sind Kinder unter den Teilnehmern, die haben fast gar nichts mehr und welche, die es nicht so schwer getroffen hat“, sagt Cornelia Bauer. Für sie ist es schön, dass sie als Team funktionieren. „Sport Schulze hat Trainingsanzüge und Fußballschuhe gesponsert, da einige Kinder alles verloren haben und gar keine Schuhe besaßen“, erzählt Bauer. Die Ausstattung dürfen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen behalten.

Siegen: Bei Ahrtal-Kindern kommen zum Teil Erinnerungen an Flut auf

Am Anfang seien die Kinder noch sehr zurückhaltend gewesen, sie hätten sich erst nach und nach geöffnet. „Es war sehr schön mit anzusehen, wie unsere Gäste hier immer weiter aufgeblüht sind.“ Das Erlebte sitze bei vielen nach wie vor tief: So hätten einige von ihnen bei der Fahrt nach Wilnsdorf großen Respekt vor der Autobahnbrücke Rinsdorf, da sie aussehe wie bei ihnen in der Heimat. „Es sind die Kleinigkeiten, mit denen viele von ihnen schlechte Erfahrungen verbinden.“

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Auch das stürmische Wetter bei der Ankunft habe einige der Kinder etwas verängstigt. Das Ahrtal befinde sich aktuell nach wie vor im Aufbau. Dieser werde auch noch Jahre dauern. „Das ist ein dynamischer Prozess, jeden Tag passiert etwas und es wird wieder ein Stück schöner“, sagt Felix René Haß. Allerdings werde es wird nie wieder so wie vorher sein.

Siegen: Kindern zu helfen, ist ein „Herzensbedürfnis“ für Stiftung

Die Sportanlage im Leimbachtal ist 2020 fertiggestellt worden. Eine große Eröffnung konnte pandemiebedingt nicht stattfinden. Zusätzlich zur Möglichkeit, Fußball, Basketball, Badminton oder Volleyball auf dem Gelände zu spielen, ist noch der Bau einer überdachten Outdoor-Fitnessanlage für ein optimales Training in Planung.

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Das Ehepaar Manfred und Dagmar Utsch gründete die Familienstiftung im Jahr 2009. Seit dem Tod von Manfred Utsch im Sommer 2021 führt Dagmar Utsch-Stichhan die Stiftung im Sinne der Familie weiter. „Das Ziel unserer Stiftung ist es, sportliche Aktivitäten in Siegen-Wittgenstein zu fördern“, erklärt Hans-Peter Kahnt, Vorstandsmitglied. Die Stiftung arbeitet eng mit dem Kreissportbund zusammen. „Wir wollen einzelne Sportangebote hervorheben und auch mal Toptrainer ins Leimbachtal holen“, betont der Vorsitzende. Solch eine Anlage, die verschiedene Sportarten auf einem Gelände kombiniert, sei einmalig im Siegerland.

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Große Themen seien Inklusion und Integration. „Wir wollen eine Plattform bieten, um Gruppen mit und ohne Behinderung, wie auch verschiedenen Nationalitäten, beim Sport zusammenführen.“ Sportliche Aktivitäten seien ein guter Weg, um alle mit Spaß in eine Mannschaft einzubinden. So entstehe schnell ein Gemeinschaftsgefühl und niemand werde ausgeschlossen. Das Gelände soll in Zukunft rund um die Uhr an Vereine, die Universität oder auch Betriebe für Trainings oder Sportkurse vermietet werden. Allerdings seien die Anfragen aufgrund der Pandemie nach wie vor eher überschaubar: Das Fußballcamp ist eine der ersten größeren Gruppen, die über eine Woche das Angebot des neuerbauten TeamSportParks der Stiftung „Anstoss zum Leben“ im Leimbachtal nutzen, so Cornelia Bauer. Obwohl die Anlage eigentlich dafür gebaut worden sei, um regionale Sportangebote zu unterstützen.

Das Fußballspielen ist der Kern der Aktion im Leimbachtal im Siegerland. Die Kinder haben Spaß.
Das Fußballspielen ist der Kern der Aktion im Leimbachtal im Siegerland. Die Kinder haben Spaß. © Stiftung "Anstoss zum Leben" | Stiftung "Anstoss zum Leben"

Siegen: „Das Projekt für die Kinder aus dem Ahrtal ist wirklich eine schöne Idee“

„Das Projekt für die Kinder aus dem Ahrtal ist wirklich eine schöne Idee“, sagt Hans-Peter Kahnt. Auch wenn es nicht die regionale Sportförderung der Siegener Jugend sei, die der eigentliche Fokus der Stiftung sein sollte. „Diesen Kindern zu helfen, ist ein Herzensbedürfnis von uns.“ Als Cornelia Bauer die Idee vorschlug, war der Vorstand begeistert und hat direkt mit der Organisation – und der Sponsorensuche – begonnen.

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„Die Kinder nehmen eine gute und prägende Erinnerung mit ins Ahrtal. Wenn wir ihnen diese mitgeben können, haben wir dank der großzügigen Sponsoren wirklich etwas Gutes bewirkt“, betont der Vorsitzende. Für die Osterferien sei bereits ein neues Projekt mit einer größeren Gruppe in Planung – vorausgesetzt, die Corona-Pandemie lässt es zu.

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