Siegen. Besseres Stadtklima, Grünflächen direkt am Fluss, weniger Autos, dafür Fahrradgaragen, neue Fußgängerwege: Was sich Stadt und Uni Siegen erhoffen
Die Uni als Motor für Siegens städtebauliche Entwicklung, die Innenstadtlage als Attraktivitätsfaktor für die Hochschule: Stadt und Uni Siegen versprechen sich einiges vom Großprojekt „Siegen – Wissen verbindet“, dem Umzug vom Haardter Berg ins Zentrum.
Für alle Seiten – auch für die Menschen, die dort leben, wo künftig die Hochschule zuhause sein soll. Bei der Quartiersversammlung der Anwohner Häutebachweg-Obergraben-Löhrtor zeigten die Verantwortlichen verschiedene Aspekte dazu auf.
Uni-Umzug soll zur Mobilitätswende in Siegen beitragen
Bereits am Kölner Tor sei es gelungen, eine innerstädtische Hauptstraße von vier auf zwei Spuren zu verkleinern. Mit mehr Uni in der Stadt soll der motorisierte Individualverkehr weiter eingeschränkt werden zu Gunsten von Fußgängern und Radfahrern, sagte Stadtbaurat Henrik Schumann. Durch Freitreppen und Aufzüge entlang der und durch die öffentlichen Hochschulanlagen werde der Siegberg im Alltag besser für das Publikum erschlossen, weil wichtige (Fuß-)Verkehrsverbindungen entstehen – zwischen Häutebach und Obergraben zum Beispiel.
Der steigenden Zahl von Radfahrern begegne man, indem entsprechende Verbindungen und Abstellanlagen geschaffen werden, was eine Nutzung des Fahrrads dann auch attraktiv erscheinen lasse. Diese Anlagen sollen keineswegs nur Hochschulangehörigen zur Verfügung stehen, die durch die im Vergleich zum Haardter Berg deutlich reduzierte Zahl von Parkflächen auf Alternativen umsteigen sollen. So soll wie berichtet der Häutebachweg abgebunden werden – wie genau, steht noch nicht fest –, die dortigen Stellflächen entfallen komplett, der Parksuchverkehr reduziert sich entsprechend. Die Uni selbst werde künftig auch verstärkt auf mobiles Arbeiten setzen. „Für viele Beschäftigte wird der Weg in die Stadt mit dem Bus oder zu Fuß viel besser nutzbar sein als auf den Haardter Berg“, so Uni-Kanzler Ulf Richter.
Nachhaltigkeit durch klimaneutrale Bauten der Uni Siegen und Verkehrskonzept
Klimaneutral soll der dreigliedrige Campus (Nord: Friedrichstraße; Mitte: Unteres Schloss; Süd: Häutebachweg) sein. Es werde gemacht, was an Nachhaltigkeit möglich und machbar sei, bekräftigte Ulf Richter. Das betreffe einmal die Bauwerke selbst, aber auch die Verkehrsanbindung, die eben Verkehre vom Auto auf den Umweltverbund (Fuß, Rad, Bus, Bahn) verlagere. „Ein großer Beitrag, um die Klimaziele zu erreichen“, so Richter.
Ein großer Beitrag soll durch begrünte Dächer und Fassaden zum Stadtklima geleistet werden, um dem Aufheizen der Innenstadt mit vielen versiegelten Flächen und vergleichsweise wenig Bewuchs entgegenzuwirken, was auch den optischen Eindruck verbessere. Um den Blick vom Berg nicht zu verbauen, hat die Uni die Druckerei am Häutebachweg gekauft, durch die Flächen dort können die übrigen Gebäude niedriger ausfallen.
Uni als Städtebau-Motor für Siegen – Stadt ermöglicht Hochschule Neukonzeption
Mit der Freilegung des Flusses im Rahmen von „Siegen – Zu neuen Ufern“ (inklusive Uni ins Untere Schloss, Karstadt-Hörsäle und Mensa) sei ein Anfang für die Modernisierung der Stadt gemacht worden, den „Rund um den Siegberg“ in der Oberstadt fortgesetzt habe und der mit „Siegen – Wissen verbindet“ an den Flanken des Siegbergs „tortenstückartig“ seinen Abschluss finden werde. „Ein stimmiges Gesamtbild“, bekräftigt Schumann; der Uni-Umzug ergänze die bisherigen Programmgebiete, am Ende werde eine Innenstadt stehen, „die sich sehen lassen kann“. Ohne die Uni hätte man einen solch guten Städtebau mit der Aufwertung bislang un- und untergenutzter Bereiche – Friedrichstraße und Häutebachweg fristeten trotz eigentlich höchst zentraler Lage eher ein „Schattendasein“ – nicht verwirklichen können.
Und diese Bereiche sollen eben nicht der Hochschule und ihren Angehörigen vorbehalten sein: Die Aufenthaltsqualität soll gesteigert werden, für alle Bürgerinnen und Bürger. Die Teilcampus sollen gezielt durchmischt werden mit außeruniversitären Angeboten, was zu einer Belebung der Innenstadt führe. Wie beim Parken müsse die Stadt dafür Sorge tragen, dass sich an Regelungen in Zukunft auch gehalten werde, trat Stadtbaurat Schumann der Sorge von Anwohnern entgegen, dass etwa am Häutebachweg ein „zweiter Kornmarkt“ oder neue Angsträume entstehen könnten oder dass Müll entlang der neuen Wegeverbindungen achtlos weggeworfen werde.
Zeitplan und Ablauf
Theoretisch könnte 2023 der Ausschreibungswettbewerb für „Siegen – Wissen verbindet“ beginnen. Das hängt aber im wesentlichen vom Geld ab: Die Zusage für die Umsetzung des Gesamtprojekts liegt seitens des Landes NRW vor, erwartet wird, dass die Finanzierung in mehreren Tranchen überwiesen und auch die Arbeiten schrittweise vollzogen werden. Dazu wiederum spielt beispielsweise eine wichtige Rolle, wann das erweiterte Hallenbad Weidenau betriebsbereit sein wird, um das marode Löhrtorbad abreißen zu können. „Wir reißen kein Schwimmbad ab, das noch genutzt wird“, betont Ulf Richter.
Allein die Baulogistik in der engen Innenstadt erfordere einen Stufenplan, sagte Henrik Schumann, „das funktioniert gar nicht anders“. Die Verkehrswege müssen auch während der Bauarbeiten einigermaßen passierbar bleiben.
„Der Häutebachweg ist auch jetzt kein angenehmer Raum“, merkte Schumann an – über Beleuchtung und Belichtung sowie soziale Kontrolle durch mehr Passanten werde das künftig sicher anders sein.
Fluss Weiß mitten in Siegen wird freigelegt – Hochwasserschutz und Freizeitfläche
Bisher war die Weiß nicht hochwassersicher, sagte Stephan Roth, technischer Betriebsleiter des Entsorgungsbetriebs der Stadt Siegen (ESi) – zumindest nicht mit Blick auf das statistische 100-jährige Hochwasser. Mit dem Großprojekt habe man nun die Chance, das zu ändern, das Bachbett soll auf nahezu gesamter Länge von der Koblenzer Straße an erheblich aufgeweitet werden und so „Stauraum“ für Flutfälle entstehen. Auf diesen Retentionsflächen soll das Gewässer erlebbar werden, indem Wege und Aufenthaltsbereiche angelegt werden.
Zumindest im akademischen Bereich trage die Uni ganz erheblich dazu bei, Nachwuchskräfte in die Region zu holen und auch zu halten, sagte Kanzler Richter. „Die Uni ist ein Magnet für junge Menschen.“ Dieser Magnet dürfe seine Anziehungskraft nicht verlieren – durch baulich abgewirtschaftete Immobilien weit auf dem „Bildungshügel“ Haardter Berg entfernt etwa –, um auch künftig junge Menschen für Siegen zu gewinnen.
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