Fröndenberg/Unna. Ein 53-Jähriger soll in der Küche des JVK Kollegen gemobbt, manipuliert und einem Vorgesetzten Abführmittel untergemischt haben.
Eigentlich ist er für das leibliche Wohl von verurteilten Patienten und Kollegen verantwortlich. Doch „Späße“ unter Küchen-Kollegen könnten nun Folgen für einen Beamten des Fröndenberger Justizvollzugskrankenhauses haben. Über Monate hinweg soll ein 53-Jähriger nicht nur seine Untergebenen schikaniert, sondern einen Vorgesetzten sogar vergiftet haben. Die Hintergründe.
Ein Spaß unter Kollegen
Dass es in der Küche auch mal ein wenig ruppiger zur Sache geht, daraus macht ein Beamter des Justizvollzugskrankenhauses Fröndenberg am Amtsgericht Unna keinen Hehl. Und auch nicht daraus, dass er bei einem Spaß unter Kollegen zu weit gegangen ist. Denn einen Vorgesetzten soll er laut Anklage vergiftet, andere drangsaliert haben. „Das Drumherum hat sich aber anders verhalten“, erklärt der 53-Jährige. Rückblick.
Irgendwann Anfang 2021 sitzt der damalige stellvertretende Küchenchef mit zwei Kollegen in seinem Büro. „Wir haben geflachst und über Gott und die Welt geredet“, erinnert sich der Angeklagte. Irgendwann sei die Idee entstanden, dem eigentlichen Küchenchef „mal Abführmittel“ zu geben. Als Spaß unter Kollegen eben. Der JVK-Beamte hat ein Fläschchen in seinem Schrank, „für mich selbst“, wie er sagt. Aus gesundheitlichen Gründen müsse er hin und wieder selbst zu Abführmittel greifen. „Zwei, drei Tropfen“ landen schließlich in der Wasserflasche des Chefs. Doch wenig später habe den 53-Jährigen das schlechte Gewissen gepackt. Er tauscht die Flasche aus – noch bevor sein Vorgesetzter einen Schluck getrunken habe.
Aber grundsätzlich gehe es in der Küche des Justizvollzugskrankenhauses freundschaftlich-kollegial zu – wenn auch mal etwas ruppiger. Ein Klaps auf den Hinterkopf einer Küchenhilfe oder ein kleines Zwicken in den Nacken „war da nichts Böswilliges“. Tatsächlich aber bedeutet das nun eine Anklage wegen Körperverletzung im Amt. Auch deswegen sehe er das alles heute anders, nachdem er sich aufgrund psychischer Probleme in Behandlung begeben habe. „Retrospektiv weiß ich, dass das alles Blödsinn war“, gibt der 53-Jährige zu.
Ein Gespräch unter Kollegen
Doch die Aussagen von Kollegen zeichnen ein gänzlich anderes Bild der Zustände. Vom Abführmittel-Streich erfährt der Küchenchef selbst bei einem Gespräch unter Kollegen. Im November 2022, kurz vor seiner Rente, erzählen ihm die beiden Mitarbeiter, die beim „Scherz“ dabei waren, davon. „Da war alles klar“, sagt der 65-Jährige. Und für ihn drängt sich ein schlimmer Verdacht auf: Seit seiner Zeit im JVK hat er mit Durchfallproblemen zu kämpfen. Nicht immer, aber immer wieder. So stark, dass er auch ausfällt – zwischenzeitlich sogar mit Krankenhausaufenthalten. Einzig eine Diagnose habe es nie gegeben. Seit seiner Rente könne er wieder ein normales Leben führen und Dinge tun, die jahrelang unmöglich waren: Konzerte besuchen, wandern, Fahrrad fahren.
Dass sein Stellvertreter ihm tatsächlich über einen längeren Zeitraum heimlich Abführmittel untergejubelt hat, bleibe zwar ein Verdacht, erkläre aber auch Aktionen wie das Verstecken von Toilettenpapier und Strichlisten über Klogänge. Dass sein Vize hingegen einen „diktatorischen Führungsstil“ gepflegt und „burschikose“Bemerkungen habe fallen lassen, das habe immer wieder zu konkreten Problemen geführt. „Es gab Gespräche, dann hat es zwei Tage funktioniert und dann war es wieder obsolet“, sagt der 65-Jährige.
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Das bestätigen dann auch mehrere Mitarbeiter des Justizvollzugskrankenhauses. Eine neu angestellte Kollegin sollte demnach im Kühlhaus bei -24 Grad eine Inventur machen. „Das lag nicht in meinem Aufgabenbereich. Später hat er den Inventurzettel dann zerrissen und in den Müll geworfen“, sagt die 52-Jährige am Amtsgericht. Die Küchenhilfe berichtet von Schikane, Mobbing und Manipulation – über Monate hinweg. Eine Diätassistentin, der der Angeklagte in den Nacken gegriffen haben soll, spricht von regelrechter Angst bei der Arbeit. Fiese und abwertende Sprüche gegenüber Frauen seien an der Tagesordnung gewesen. „Es wurde immer schlimmer. Das macht was mit einem. Man ist nicht gerne zur Arbeit gegangen.“ Seitdem das JVK den Beamten versetzt hat, herrsche eine gänzlich andere Stimmung in der Küche.
Ein Urteil, das Folgen haben könnte
Für den vorsitzenden Richter stellt sich angesichts eines halben Dutzend Zeugen und des Abführmittel-Streichs vor allem eine Frage: „Man muss doch merken, dass da nicht nur die Grenze des guten Geschmacks überschritten wurde, sondern auch der Strafbarkeit.“ Doch manchmal, sagt ein JVK-Koch, habe man in der Küche einfach nicht gewusst, „wie wir reagieren sollten“. Schließlich war es immer noch auch ihr Chef, den sie da hätten zurechtweisen müssen.
Im Plädoyer wird die Staatsanwältin deutlich. „Es lässt sich ein Zusammenhang herstellen zu den Beschwerden des Opfers.“ Wenngleich nur ein einziger Abführmittel-Streich angeklagt ist, sei sie überzeugt, dass die jahrelangen Beschwerden des Opfers auf mutmaßlich mehr schließen lassen. Ihre Forderung: ein Jahr und ein Monat – ausgesetzt zur Bewährung. Ähnlich sieht es auch der Nebenklagevertreter: „Es hat ein ziemliches Geschmäckle.“
Ob am Ende wirklich Abführmittel in der Wasserflasche gelandet ist, steht für den Verteidiger hingegen nicht zweifelsfrei fest. Analysen und Befunde dazu gibt es nicht. Sein Mandant habe die Flasche zudem ausgetauscht, eine vollendete Tat gebe es damit ebensowenig und fordert eine Bewährungsstrafe unter einem Jahr – wohl wissend um die Folgen einer rechtskräftigen Verurteilung von mehr als einem Jahr. Denn damit würde der 53-Jährige seinen Beamtenstatus verlieren. Am Ende folgt das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft: ein Jahr und ein Monat – ausgesetzt zur Bewährung. „Sie haben eine Atmosphäre geschaffen über Jahre, unter der alle gelitten haben“, so der Vorsitzende. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.