Fröndenberg. 17 neue Haftplätze für psychisch kranke Gefangene hat Justizminister Benjamin Limbach in der Fröndenberger Vollzugsklinik eingeweiht.
Ein Minister schlägt zu: Benjamin Limbachs rechte Faust kracht mit voller Wucht gegen die Fensterscheibe im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg. „Die ist aus Panzerglas und wirklich unzerstörbar“, erklärt der Vize-Anstaltsleiter Dirk Schulte dem Justizminister des Landes NRW im Haftraum. Denn in der neuen Akutpsychiatrie, die der Minister an diesem Freitagmittag einweiht, darf es keine Gitter geben, auch wenn gefangene Patienten hier einsitzen. „Auf Gitter vor den Fenstern würden viele dieser Menschen nicht gut reagieren“, weiß Schulte. Der Fernseher hängt über ihm an der Wand – in einer Schutzbox. Den Boden im Raum können Patienten nicht herausreißen, auch wenn sie offenbar sogar das versuchen. Dirk Schulte: „Wir haben hier viele Praxis-Erfahrungen bautechnisch umgesetzt.“
Leitende Ärztin kommt sogar aus der Rente zur Einweihung
In 16 Monaten Umbau hat das Land im JVK Fröndenberg die Station 4a in eine Akutpsychiatrie umwandeln lassen. Bereits ab Montag sollen sich die 17 neuen Hafträume, darunter auch barrierefreie, auf der 770 Quadratmeter großen Station Zug um Zug mit Patienten füllen. Denn auch wenn es sich um straffällige und verurteilte Gefangene handelt – hier sollen sie vor allem als Patienten behandelt werden. Das war der Ärztin und früheren Referatsleiterin im Ministerium, Dr. Irmgard Render, ein besonderes Anliegen. Sie hatte sich in der Umbauphase hoch engagiert gezeigt. Als „ihr Baby“, wie es der Minister nennt, jetzt an den Start geht, ist sie noch einmal nach Fröndenberg gekommen – aus der Pension. In der Ruhrstadt hatte sie einst als Ärztin im JVK ihre Karriere begonnen.
+++ Auch interessant: Krankenhaus Menden ist jetzt Alters-Traumazentrum +++
Panzerglas statt Gittern vorm Fenster: „Alle sollen sich sicher fühlen“
„Vor allem wollte ich hier eine helle, freundliche und therapeutische Umgebung schaffen“, sagt Dr. Render auf Anfrage der WP. Es sollte eine Unterbringung sein, in der sich alle Beteiligten, die Patienten wie auch das Wachpersonal, sicher fühlen können. Auch die jetzt mögliche Trennung nach Gefangenengruppen, ob nach männlich und weiblich, Untersuchungs- oder Strafhaft, Vollzug oder Sicherungsverwahrung, war ihre Idee. Hier wurde sie umgesetzt.
Psychische Erkrankungen in Haftanstalten nehmen immer mehr zu
Die Behandlung psychischer Krankheiten werde gerade im Strafvollzug immer wichtiger, betont Minister Limbach (Grüne) in seiner Ansprache. Die Zahl der Betroffenen steige: „Als ich kürzlich einen Vortrag dazu hörte, bekam ich das Gefühl, der Leiter von 36 psychiatrischen Krankenhäusern zu sein statt eines Justizvollzugssystems. Das wird unsere größte Herausforderung in den kommenden 20 Jahren werden.“ Derzeit gebe es landesweit nur 80 Akutplätze und noch einmal 80 zur Nachsorge. Gebraucht werden laut Limbach viel mehr. Über eine mögliche Erweiterung des Fröndenberger Vollzugskrankenhauses hatte schon 2021 Limbachs Vorgänger Biesenbach laut nachgedacht.
+++ Lesen Sie auch: Fröndenberger Brüder gründen Boule-Verein+++
Minister stellt fest: „Wir bekommen Patienten, die nirgendwo anders gewollt sind“
Der Minister hebt auch hervor, dass die inhaftierten Patienten nicht nur mehr, sondern auch schwieriger würden: „Wir bekommen ja auch nicht diejenigen aus dem Maßregelvollzug, die auf einem guten Weg sind. Wir bekommen die, die nirgendwo anders gewollt sind.“ Viele dieser Patientinnen und Patienten seien gar nicht erfolgreich zu behandeln: „Wir können sie nur auf ihrem Weg durch den Vollzug begleiten.“ Mit den 17 neuen Haftplätzen verfüge das landesweit einzigartige Vollzugskrankenhaus jetzt über 53 Betten für psychisch kranke Gefangene insgesamt. Im letzten Jahr waren hier auf der Station 5a die ersten 16 Hafträume für die Akutpsychiatrie eingerichtet worden.
Lob für gelungenen Umbau in einem Haftkrankenhaus bei Vollbetrieb
Ungeachtet konjunkturbedingter Verzögerungen des Umbaus lobte der Minister die Zusammenarbeit mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes, die ihn hoffnungsfroh für weitere Bauvorhaben stimme. Denn man müsse sich auch klar machen, was es bedeutet, einen großen Umbau bei laufendem Betrieb eines Krankenhauses zu bewerkstelligen, das auch eine Haftanstalt ist. „Das ist eine große Leistung. Auch dafür kann ich allen Beteiligten nur großen Dank aussprechen.“
Ute Gerling (CDU): In Fröndenberg ist die JVK einer der größten Arbeitgeber
Mit dem Bundestagsabgeordneten Oliver Kaczmarek, MdL Hartmut Ganzke, beide SPD, und der stellvertretenden Bürgermeisterin Ute Gerling (CDU) zeigen auch Vertreter von Bund, Land und Kommune Präsenz bei dieser Einweihung: Limbach: „Ein starkes Zeichen!“ Für Ute Gerling ist ihr Erscheinen indes eine Selbstverständlichkeit: „Das JVK ist für Fröndenberg mit etwa 300 Beschäftigten meines Wissens der größte Arbeitgeber nach dem Schmallenbachhaus. Und viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier kommen aus unserer Stadt.“ Besonders gefreut habe sie die jüngste Teilnahme des JVK an „Backstage“, der großen Ausbildungsmesse der Stadt.